Preßangclegcnheiten *). „Wir halten die Censoren größtenrheils für gebildete und ehrenwerthe, obwohl auch mitunter für etwas ängstliche Männer. Das kann nicht anders sein. Es ist nicht ihre Schuld, sondern die Schuld des langen Zwanges. Wer lange in der drückenden Schwüle eines engen Raumes gelebt, glaubt zuletzt, wenn er ins Freie tritt und das Rauschen des Windes in den Blättern hört, das Stürmen eines Orkans zu vernehmen. Von der Willkühr, die in dem Wesen der Eensur liegt, hat sie aber auch die neue Censur-Verfügung nicht befreien können, da diese der individuellen Auslegung noch einen sehr weiten Spielraum läßt. An eine Gleichar tigkeit der Entscheidung, an eine feste Norm derselben ist auch unter den jetzigen Verhältnissen gar nicht zu denken. Was hier dem einen Eensor ganz unschuldig erscheint, kann von dem andern verboten werden, oder sagen wir lieber, wird verboten, ist verboten worden. Ein unbefangener und wohlmeinender Artikel wird einer Zeitung eingesendet — wir citiren Thatsachen —; der Eensor hält es aber nicht für angemessen, demselben das Imprimatur zu ectheilen; der Artikel wandert hierauf nach einer andern Stadt zu einer andern preußischen Zeitung und wird hier unverkürzt ausge nommen. Also was hier verboten wird, ist dort erlaubt. Der Artikel erscheint, ohne daß ein Unglück daraus entstände. Dabei kann man im Grunde dem Eensor, der das Imprima tur verweigert hat, nicht einmal Vorwürfe machen, denn seine Einwilligung oder Verweigerung ist Gewissenssache. Ein anderer Fall: In Berlin erscheint ein Buch, natürlich nachdem es zuvor die Ecnsur passirt — wir meinen Bülow- Eummerow — einer preußischen Zeitung wird ein Artikel zugesendet, nicht etwa ein raisonnirender oder übelmeinender, *) Bruchstücke aus einem so eben erschienenen interessanten Schciftchcn: der Beruf der Prcuß. Presse. Bon L. Buhl. 8. Berlin, Klemann. Geh. 5 N-f- 9r Jahrgang. sondern ein einfach resumirender; aber er passirt die Eensur nicht. Ein drittes Beispiel: Die „Königsbergec Zeitung" erfreut sich unter einem humanen Eensor einer großen Frei heit, die sie auf anerkennenswerthe Weise benutzt, indem sie in jeder Nummer Artikel über inländische Zustände bringt. Diese würden auch von den Lesern anderer Zeitun gen mit Vergnügen und Nutzen gelesen werden; die Ber liner Zeitungen dürfen dieselben aber nicht mittheilen. Also einEensor kann einen andern censiren, und was der eine für unverfänglich gehalten hat, für gefährlich und übelwollend erklären." „Gegen die sogenannte Denkfreiheit oder Glaubensfreiheit at Niemand etwas einzuwenden, aber die Preßfreiheit glaubt man nicht statuiccn zu dürfen. Als ob jene ohne diese mehr als ein Schatten wären. Was wäre wohl die sogenannte Denksreiheic ohne die Preßfreiheit? Bestände sie darin, daß ich auf meinem Kämmerlein diesem oder jenem proskribirtcn Gedanken nachhängen dürfte? Nein, das ist nicht Denksrei- heit! Der Gedanke, der mein Privateigenthum bleibt, ist kein Gedanke, denn das Wesen des Gedankens ist die Allge meinheit. Den Gedanken muß ich mittheilen, ihn auf dem Markte ausschreien können, wenn er mich nickt ersticken soll. Aber die Preßfreiheit kann mißbraucht werden. Natür lich, wie jede andere Freiheit, das bedarf keines Wortes. Laßt sie sich einen Mißbrauch zu Schulden kommen, so kann man ihn bestrafen, das scheint eben so klar, obgleich die meisten Gesetzgebungen die Preßvecgehcn in eine besondere Kategorie gestellt haben; für sic allein sind Präventiv-Gesetzc gegeben. In allen andern Fällen geht die Gesetzgebung von dem Grund sätze aus, Jeden so lange als gut anzusehn, bis er durch seine Handlungen das Gegenlheil erwiesen. Man stellt Niemand bei seiner Geburt einen guten Engel in grüner oder blauer Uniform zur Seite, man untersucht nicht seinen Hirnschädel, um zu entdecken, wie weit das Mord- oder Diebs-Organ bei ihm ausgebildet sei, sondern man übergicbt ihn der dürger- SL