für ven Deutschen Buchhandel und für die mit ihm verwandten Geschäftszweige. Herausgegeben von de» Deputaten des Vereins der Buchhändler zu Leipzig. Amtliches Blatt des Börsenvcrcins. 83. Dienstags, den 17. September. 1844. Heber Verfall und WicderaufhülfcdcS Buchhandels. (Vorgetragcn in der Thüring. Kreisversammlung den 2. Sept. 1844.) Wir beschäftigen uns viel mit Dingen, die zwar von unserm Interesse für höhere Angelegenheiten des Buchhan dels und ihm verwandten Streitfragen zeugen, die aber we niger unfern praktischen Nutzen und Betrieb betreffen. Nur wenige sind z. B. betheiligt bei der Frage: „ob französische Autoren und Verleger das Recht geistigen EigenthumS in Deutschland oder ein internationales Verlagsrecht ansprechen können", welcher Gegenstand bisher so manchen guten Kopf ohne sonderlichen Nutzen für unsere Geschäfte beschäftigt und so manche Spalte unserer Buchhändlerblätter angefüllt hat. Fast scheint es, als wollten wir ein geflissentliches Still schweigen über die wunden Stellen, wo uns der Schuh ei gentlich drückt, beobachten, denn nur selten bekennen wir uns aufrichtig, daß das Hauptübcl unserer Zeit in dem sich mit jedem Jahre in so erschreckender Weise vermindern den Bücherabsatze liegt, daß sich die zwar zunehmende Lectüre fast nur noch auf Zeitungen und Zeitschriften be schränkt, daß sie sich aber in dieser Beziehung in einem er staunlichen Grade vermehrt hat, vermehrt in einer Weise, daß der Bücherlescr mit jedem Jahre weniger, der Jeitungs- leser dagegen mit jedem Jahre mehr werden. Darin bestärkt uns ein Blick auf das heutige Zeitungs und Journalwesen. Diese Products der periodischen Presse haben sich seit der Wiederherstellung von Deutschlands Selbstständigkeit nicht etwa verdoppelt, sondern wohl ver fünffacht, aber trotz dieser Menge prosperiren sie zu bewun derungswürdigen Auflagen, z-B. die Vossische Zeitung 14000, Kölner Zeitung 9000, Dorfzeitung 7000 u. s. w. Sie ge währen bei ihren enormen Jnsertionserträgen zum ThcilRe- venüen gleich großen Herrschaften und dabei bringen ihnen oft auch noch sorgenbeladene Verleger ihr letztes Scherflein für eine Unmasse ganz vergeblich verschwendeter Jnsertions- 11r Jahrgang. gebühren, denn es ist kaum glaublich, welche ungeheure Summen dafür weggeworfen werden, ja sie erreichen sicher nur allein in Deutschland eine jährliche Höhe von mehr als 100,000 Thaler. Mir ist ein Beispiel bekannt, wo einer der größern Berliner Sortimenter dafür einem einzigen Ver leger in einer Messe mehrere Tausend Thaler zu berechnen hatte! Aber auch abgesehen von der Verdrängung des Bücher absatzes durch die Zeitungen, so hat dessen Abnahme noch ganz andere Quellen. —Wer sich sonst daran gewöhnt hatte, sich z. B. diejenigen belletristischen Werke, welche ihn am mehrsten entsprachen, zu kaufen und in seiner ihm so lieben Bibliothek aufzustellen, der begnügt sich jetzt, sie aus der Leih bibliothek oder in einem Gesellschaftslesezirkel zu lesen. Der Reichste und Vornehmste hält es nicht unter seiner Würde, darauf zu warten, bis die Reihe an ihn kommt, oder seine Hände an ein oft ekelhaft beschmutztes, ja oft sogar übelriechen des Buch zu legen, und seine Lectüre mit Soldaten, Kut schern und andern Dienstboten zu theilen. — Bibliotheken, sonst die nothwendigste Zierde eines großen und glänzenden Hauses, gelten jetzt für eine Thorheit und sind in der Mode der Sucht, durch fürstlich-häusliche Einrichtungen, durch Kleiderpracht, durch Tafelglanz, durch Equipagen, Baderei sen u. s. w. zu glänzen — gewichen. Die Klöster sind zwar zum Thcil wieder bevölkert, aber zur Zeit noch ohne die sonst so wohllhätig auf den Bücherabsatz wirkenden Klosterbiblio- theken. Selbst die wissenschaftlichen Werke finden jetzt bei weitem nicht mehr den Anklang, das Studium und die Ab nahme, wie noch vor 15 bis 20 Jahren. DieJuristen und Mediziner begnügen sich mit ihrem Handwerkszeug, viele Geistliche, wenn es hoch kommt, mit ihrem theologischen Le sezirkel, oft aber auch nur mit der Ausübung der Oeconomie, Vieh- und —Kinderzucht, und die Philosophen zersplittern sich in polemischen Ephemeren und Zeitschriften. In einem großen deutschen Staate ist sogar kürzlich durch eine Mini- 190