für den Deutschen Buchhandel und für die mit ihm verwandten Geschäftszweige. Herausgegeben von den Deputaten des Vereins der Buchhändler zn Leipzig. 23. Amtliches Blatt des Börscnvereins. ' . k - Dienstags, den 19. März. 1844. Ucbcr die Lektüre der Lehrlinge. Es ist wohl nichts von größerer Bedeutung für die Aus bildung, als eine gewählte Lektüre, die zugleich die Phantasie und den Geist nachwirkcnd beschäftigt. Bei dem großen Rcichthum unserer Literatur kann cs wohl nur selten an passenden Schriften fehlen, und wer sich nicht mit dem Neue ren befassen mag, der findet in dem Aeltcren reichen und ge diegenen Stoff zu befruchtendem Nachdenken. — Es ist ge wiß wahr, daß man sich aus der Lektüre eines Menschen ein wenn auch nicht gerade immer treffendes, doch selten täuschen des Urtheil, sowohl über die Fähigkeiten als auch über den Geschmack bilden und aus dem Steigen und Sinken von höherer zu niederer Lektüre und umgekehrt den Bildungs gang desselben mit allen seinen Hemmnissen und Fortschrit ten verfolgen kann. Für uns Buchhändler ist aber die Lektüre von besonderer Wichtigkeit, denn uns muß daran liegen, die Erzeugnisse un serer Literatur nicht nur dem Acußeren nach, sondern auch in ihrer inneren Geltung kennen zu lernen, uns ein Urtheil über das Bedeutendere zu bilden, da doch keiner gleichgültig genug sein wird, um mit Ruhe Jahr aus Jahr ein mit Bü chern zu handeln, von denen ec nichts weiß, als daß sie Geld in seine oder seines Pcincipals Tasche bringen.-— Der junge Mann, der eben das elterliche Haus mit vielleicht beschränkenderen Verhältnissen und seiner strengeren Ucberwa- chung verließ, sieht sich plötzlich von dem reichsten Stoffe zu einer Lektüre jeder Gattung umringt. Er greift zunächst zu dem, was seine Neugierde reizt, und das ist der Zeitpunkt, wo der Prinzipal ihn genau beobachten mag, denn jetzt bie tet sich ihm vielfache Gelegenheit dar, sich gleich ein Urtheil über die Anlagen, die Bildung, den Geschmack seines Zög lings zu bilden. Jetzt ist es noch Zeit, die keimende Lese-' wuth zu dämpfen, sei es gütlich oder ernstlich, und ihn aüs den Weg hin zu leiten, der ihm der richtige scheint. Ith glaube nicht, daß von irgend einer Seite der EiN'w«cf.„K- 11r Jahrgang. macht werden kann, man muthe dem vielbeschäftigten Manne zu viel zu, wenn man von ihm verlange, daß ec sich pm die Lektüre seiner Lehrlinge, also um die Beschäftigungen derselben in ihrer Freizeit, auch noch bekümmern soll. Aber er mag nur die Vortheile, die i h m aus dieser kleinen Mühe erwachsen, nachrechnen,und das Resultat wird ihm genügen können, z. B. In vielen Handlungen ruht der Ladenvcr- kehr in der Hand der Lehrlinge. DerKäufer frägt nach dem Werthe dieses oder jenes Buches und wird sich später, wenn ihm ein kundiger Lehrling mit Bescheidenheit die Auskunft giebt, lieber an dieses Geschäft wieder wenden, als an ein an deres, wo ein oberflächlich gebildeter junger Mensch mit Dreistigkeit seine Verdammungsurthcile spricht, ohne nur einen Buchstaben jener Schriften gelesen zu haben, die er eben noch schonungslos-herunterriß. Wenn der PrinzjpahZeit und Lust hat, sich mit seinen Lehrlingen öslec-zu unterhalten, so wird cs ihm nicht schwer werden, unbemerkt des jungen Mannes Interesse an einer höhern Lektüre zu erwecken, er wird ihm geschichtliche Werke, Reifen,,höhe re Be ll^etrtst^k anempfehlen, die er selbst kennt und- empsehlungswerthbält; vor Allem aber suche er den Sinn für die Literaturgcschiäjte, die fast immer, wenn auch .nur im-Kenne da,ist, mehr und mehr zu starken und zu.nghr^n. Der junge Mann, der aus eine ernstere Weise beginnt, sich mit ihr zu beschäftigen, wird bald ruhig seinen cjgcncn,Weg-wandeln köynen, denn er wird sich nicht lange mit dem Urtheile Anderer begnügen, sondern selbst er kennen wollen, und so auf die Lektüre des-Gediegensten aus historischem und ästhetischem Interesse verfallen, seine Ur- theilskcaft wird mehr und mehr reifen und er-sich eine Kennt nis unserer Literatur verschaffen, die für einen intelligenten Buchhändler unumgänglich nothwendig ist. Betrachte man aus der anderen Seite die traurige Ge stalt eines'solchen, der entweder vernachlässigt wurde oder sich selbst vepnachlässigte. Durch die in der-Regel sehr-eifrig be- 5L