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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 09.11.1863
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- Erscheinungsdatum
- 09.11.1863
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- Deutsch
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Nichtamtlicher Th eil. Johann Georg Freiherr von Cotta. II.«) Neue Lebensfreude durchströmte den jungen Cotta, als er wieder gekräftigt aus einer Thätigkeit ohne Mittelpunkt in einen bestimmten Berus übergetreten war. Er war nämlich 1819 bis 1820 zuerst in Frankfurt, dann in Wien als Legationssecretär und Legationsrath in k. württembergischen Diensten lhätig. Allerdings war seine Beschäftigung zunächst, wenigstens in Frank furt, dienstlich keine anstrengende. Allein er wußte den Umgang mit Wangenheim, welchen er sehr hoch schätzte und dessen Haus er mit großer Anhänglichkeit erwähnt, mit Blomberg und ande ren sehr zu nützen; er verwendet mit Bewußtsein die diplomati sche Geselligkeit als Mittel der feinen Weltbildung, um das diplo matische Leben in seinem Treiben, seinen Reizen und Schwächen klar beurtheilen zu lernen, und so ist auch diese Zeit eines der wcrthvollsten Bildungselemcnte für den Mann geworden, welcher nachmals bei einem großen politischen Zcitungsunternehmen mit das Steuerruder zu führen hatte. Wie klar er sich über die Be deutung dieser Schule von Lebenserfahrung gewesen, zeigt eine Tagebuchnotiz vom Juni 1819. „Ich freue mich", schreibt er, „meines hiesigen Aufenthalts. Einmal weil ich hier gelernt habe, und stets noch lerne, mich freier in der großen Welt zu bewegen, indem meine Scheu vor derselben geschwunden ist, und ich habe über mich bringen können, alle Menschen ohne Unterschied des Standes und Thuns aus dem wahren Gesichtspunkt zu betrach ten. Dann weil viele wohldenkende, biedere, dann wieder ein flußreiche und staatskluge Männer sich in meinem hiesigen Hori zont bewegen, mir zum Muster oder zur Lehre, sei es daß ihre Wege meine Nachahmung erwecken, oder mich von gleichem Han deln abschrecken. Ihnen oder der Beobachtung ihres Wesens ver danke ich Erweiterung meines Normalmaßstabes für Menschen ihrer Art, und besonders für höhere Staatsbeamte. Und wenn ich gleich in ihrem Thun (ich nehme die geistvollen, wie Wangen heim u. a. aus) eine gewisse Handwerkstradition unterschieden habe, die den meisten gemein, so habe ich doch kein bestimmtes Gesetz, keine reine Gleichung für dasselbe finden können, wohl aus dem Grund, weil sie Maschinen sind, die nie zu gleichem Zweck, sondern bald zu diesem, bald zu jenem gebraucht werden. Ich habe demnach bald gewußt, daß ich nie eine Stelle derart be kleiden möchte." Bald jedoch füllte alle seine Gedanken die Liebe zu seiner künftigen Gattin Sophie Johanne Marie v. Adlerflycht aus dem Hause Alt-Limpurg (geboren 4. Aug. 1803) aus, welche er in Frankfurt kennen gelernt und am 1. Mai 1820 zur glücklichsten Ehe heimgeführt hat. Das ungetrübte innige Glück, welches ihm diese edle, zu bald durch den Tod entrissene, Frau und die Liebe ihrer Familie während aller Widerwärtigkeiten des Lebens berei teten, rühmt er in den Tagebüchern und gegen die Familie und die Freunde bis in die letzte Zeit seines Lebens mit der innigsten Wärme. Dem Schwiegervater, welcher in Frankfurt einer um fassenden Amtsthätigkeit die Zeit zu wissenschaftlichen Forschun gen und zur Abfassung des „Privatrechts der freien Stadt Frank furt" (4 Bde.) abrang, hatte er als einem hochgebildeten Mann von ausgezeichneten Charaktereigenschaften die zarteste Anhäng lichkeit bis zu dessen Tod (20. Jan. 1831) bewahrt. Dieser Mann hatte die Wechselfälle der französischen Revolution, welche der Familie das Rittergut Bangarl bei Kreuznach raubte, und der Napoleonischen Herrschaft an sich selbst erfahren, und sie mit männlichem Charakter überstanden. Er weigerte sich nämlich, den kurhessischen Dienst, in welchem er mit Auszeichnung gestanden, mit dem Jeröme'schen trotz aller ihm gemachten Anerbietungen zu vertauschen, zog sich nach Frankfurt zurück, wo seine Vorfahren, aus Schweden stammend, im 30jährigen Krieg sich niedergelassen und durch Heirarh mit einer Günderode die Familie fest begrün det hakten. Die wiederholten Anerbietungen diplomatischen Dien stes von Seite des Fürsten Primas wies er von sich, da er die Napoleonische Diplomatie von ganzem Herzen haßte. Vielmehr unterzog er sich noch im 45. Lebensjahr einer juridischen Prü fung, um bis zu seinem Lebensende dem richterlichen Dienst, zu letzt als Mitglied des städtischen Schöffengerichts und mehrmali ger Director des Stadtgerichts Frankfurt, sich zu widmen. Er war der letzte männliche Adlerflycht, so daß das Günderode- Adlerflycht'sche Fidcicommiß, bestehend in einem Hausercvmplex zu Frankfurt, durch die älteste Tochter, unseres Cotta's Gattin, an die Cotta'sche Familie vererbte. Neben dem Adlecflycht'schen Hause war die Wangenheim'sche Familie dem Verstorbenen wäh rend des Frankfurter Aufenthalts besonders lieb geworden- Nach den angenehmen Verhältnissen des diplomatischen No- vizendicnstes zu Frankfurt trat die Berufsthätigkeit ernster an den jungen Mann heran, als ec durch das Vertrauen der wüct- tembccgischcn Regierung berufen wurde, mit dem Geh. Legations rach v. Trott sich nach Wien zu begeben, wo die Conferenzen für die Schlußacte stattfanden. Die diplomatischen Berichte während dieser Zeit wurden von seiner Hand geschrieben. Trott und Cotta waren, da sie in Wien ankamen, als speciellc Gesandte der wüct- tembergischen Regierung des Liberalismus verdächtig, die Allge meine Zeitung damals in Wien für öffentliche Locale verboten. Cotta beschreibt in seinen Tagebüchern, wie er von mißtrauischen Pulsfühlcrn umkreist wurde. „Die einen mühten sich, meine po sitive Seite zu erkunden", schreibt er, „die andern wollten wissen, inwieweit ich brauchbar wäre. Anstatt muthlos zu werden dachte ich nach, statt zu fürchten zeigte ich Hoffnung, und wenn ich vor der Welt meine Tagesrolle gespielt hatte, fand ich mich Abends betend vor dem alleinigen Gott, und sehnend vor dem Bild meines Herzens (der in Frankfurt zurückgelassenen Braut). Ich suchte keine Freude, keinen Genuß, ich war in meiner Liebe gesättigt und reich; ohne Zerstreuung konnte ich danach mein Benehmen im voraus ermessen, und mein Thun und Scheinen cinrichten." So ward ihm denn auch Wien eine Schule des Le bens und der Menschenkenntnis;. Er beobachtet scharf die hervor ragendsten Männer, die oestcrceichischen Staatsverhaltnisse, und ist mit Treue den Interessen seines Königs und Landes ergeben, welche er überall gegen ungerechte Angriffe vertheidigt. . . . Der Verstorbene hatte inzwischen, bei so reichen Anregungen, der diplomatischen Laufbahn mehr Interesse abgewonnen, als er sich davon in den ersten Wochen des Frankfurter Aufenthalts ver sprochen hatte. Und der Geist, in welchem er nach den obigen Anführungen seinen Beruf auffaßte und seine Stellung nützte, bekundet es, daß er in jener Laufbahn nicht ein vornehmes Nichts thun suchte. Allein der Vater bestimmte den einzigen Sohn, den Erben großer Güter und großer buchhandlerischer Unternehmun gen, nach wenigen Jahren aus dem diplomatischen Dienst zu tre ten und an seiner Seite den Geschäften der Familie sich zuzuwen den, welche dieser freilich erst mehr als 10 Jahre nachher, nach dem Tode Johann Friedrich Cotta's (29. Dec. 1832), übernehmen sollte. Daß auf diese Weise Johann Georg v. Cotta dem diplo- *) I. S. Nr. 130.
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