Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 19.08.1861
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- 1861-08-19
- Erscheinungsdatum
- 19.08.1861
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103, 19. August. Börsenblatt für den deutschen Buchhandel. 1723 tiren sie sich aus sämmtlichen Literaturen der Welt. Freilich mö gen die meisten der alten Bücherrollen von geringem Umfange gewesen sein; aber auch die neuere Literatur ist ja vorzugsweise reich an kleinen Schriften, Abhandlungen, Dissertationen und Broschüren. Und überdies haben wir Beweise genug dafür, daß es auch im Altecthum viele starke und durch enge ooer abgekürzte Schrift wunderbar reichhaltige Volumina gab. Ich will nicht an jene merkwürdigen Miniaturausgaben erinnern, etwa an jene Nußschale, welche auf Pergament die ganze Jliade und Odyssee enthielt, wohl aber erinnern an die dickleibigen Bücher, wie sie Juvenal, Martial u. A. schildern; die Ausgaben, welche der letzt genannte von den Werken des Homer, des Virgil, des Titus Li- viuS und den Metamorphosen des Ovid besaß, waren jede in einem einzigen Bande enthalten, während die heutigen Ausgaben jener Schriftsteller in unfern Bibliotheken jede oft 2 und 3, ja 4 —16 Bände umfassen und dergestalt die Summe der Einzel nummern unverhältnißmäßig anschwellen. Man hat den Inhalt der Alexandrinischen Bibliothek auf 30—40,000 unserer Fo liobände und die Pergament- oder Papyrusrolle zu 50 — 80 un serer Seiten abgeschätzt. Das zeugt aber nicht gegen, sondern für das Altcrthum. Denn um jene Bändemasse zu füllen, dazu bedarf cs heute sicher mehr als der Literatur eines Volkes; und aus den Meßkatalogen kann man sich überführen, daß die durch schnittliche Seitenzahl der heutigen Erscheinungen die angegebene nicht eben weit übertrifft. Im übrigen konnte der literarische Verkehr im Alterthum nur dabei gewinnen, wenn infolge der Vcrthcilung des Stoffs auf eine Mehrzahl von Rollen ein und dasselbe Werk zu gleicher Zeit einer Mehrzahl von Lesern zu gänglich war. Ferner ist es wohl zu beachten, daß eine Seite des literari schen Verkehrs, welche im Alterthum von der ausgedehntesten Wirkung war, in der Gegenwart fast gänzlich wegfällt: ich meine die Sitte der Vorlesungen. Gerade mit dem Beginn der Kai- serzcit wurde cs allgemein üblich, daß der Autor sein Werk vor der Herausgabe privatim oder öffentlich vorlas. Anfangs geschah das im Hause des Verfassers vor dem Kreise seiner Freunde oder doch in Privatgebäudcn, in geliehenen oder gemietheten Localen; allmählich aber öffentlich vor allem Volk im Theater oderauf dem Forum, in Tempeln und Hallen, in Gärten und in Bädern. Natürlich wurden alle diese Vorlesungen, sowohl die öffentlichen, welche Asinius Pollio einführtc, als die privaten gratis gehalten, und um so größer und allgemeiner war der Zudrang des Publi kums. Der Zweck war ursprünglich kein anderer, als der, aus der Kritik der Zuhörer bei der letzten Durchfeilung der Arbeit Nutzen zu ziehen. Diese Kritik war also eine präventive, wäh rend seil Erfindung der Presse die öffentliche Kritik erst auf die Herausgabe folgt und also dem Werke nicht mehr zu Statten kommen kann. Nicht Jeden jedoch beseelte das Gefühl eigener Fehlbarkeit; Viele trieb, zumal im Fortgang der Zeit, vielmehr ein hohes Selbstgefühl, Eitelkeit und Ehrgeiz, zur Nachahmung der Sitte an. Man gedachte wohl des Demosthenes und wie die ser sich geschmeichelt fühlte, wenn eine Wasserträgerin der andern zurief: „das ist der Demosthenes!" So trachteten auch die rö mischen Literaten, namentlich die Dichter, darnach, von Jeder mann gepriesen, mit den Fingern gewiesen zu werden und aus dem Munde des Volkes die flüsternden Worte zu hören: „das ist er!" Der Beifallsruf und das Bravogeschrei der Menge war Vielen das einzige Ziel des Strebens. — In der Mehrzahl ver einigten sich indeß gewiß zu allen Zeiten beide Motive: der Wunsch nach einer fördernden Kritik und nach ermuthigendcm Beifall. Diese Vereinigung spricht sich z. B. deutlich in Plinius dem Jüngern aus. Wiewohl die Vorlesungen nichts einbrachten, vielmehr noch obenein den Veranstaltern häufig mancherlei Ko sten verursachten, als für Miethung des Locals, für die Iurü- stung des Auditoriums, für Sessel und Bänke, so kam es doch bald genug dahin, daß sich nur selten ein Schriftsteller dieser Sitte entzog. Die eigentliche Saison für die Vorlesungen bildeten die Sommermonate, vorzugsweise aber der April, der Juli und der August. In diesen Zeiten wimmelte es tagtäglich von literari schen Zusammenkünften, die oft förmlichen Volksversammlungen glichen; denn je beliebter ein Autor, desto größer der Zuspruch. Ort und Zeit der Vorlesung wurde stets zuvor durch besondere Einladungsschreiben, durch Programme, durch öffentliche An schläge und Zeitungsannoncen bekannt gemacht. Es leuchtet ein, wie unendlich viel der literarische Verkehr des Alterthums vor dem der Gegenwart durch diese Sitte vor aus hatte; sie trug die Kenntniß der neuesten geistigen Bewe gungen und Schöpfungen auf jeglichem Gebiete der Literatur in weitere Kreise hinein, als dies heutzutage der Presse allein mög lich ist. Man beachte also wohl, daß ein Werk, welches heute auf so und so viel Leser rechnen darf, in Rom schon ebenso viele Zuhörer gefunden hatte, ehe cs überhaupt nur erschien. Dazu kommt, daß es auch nach der Herausgabe noch, sei es auf Be trieb der Verfasser oder ohne ihr Zuthun und selbst wider ihren Willen, häufig von Anderen vorgelesen wurde, und nicht bloß in Rom, sondern aller Orten in Italien und den Provinzen, auch nicht etwa nur in beschränkten Privatkreisen, sondern öffentlich vor allem Volk. Geschah dies von Seiten des Vortragenden ohne Nennung des Verfassers und in der Absicht, das fremde Gut als eigenes erscheinen zu lassen, so nannte man das ein Plagiat, einen literarischen Betrug und Diebstahl, wogegen man keine andere Waffe besaß, als die, den Betrüger öffentlich zu entlarven und der Schande pceiszugeben. Waren denn nun aber diese Vorlesungen von politischer Bedeutung? Gewiß! Hier machte sich der Freimuts) in der Dichtung wie in der Prosa geltend; und manche politische An spielung, die nachher bei der Herausgabe das kritische Messer des Verfassers ihrer Bedenklichkeit halber wegschnitt, lief hier mündlich, wenn der Druck der Zeit es nur irgend zuließ, ohne Anstoß vom Stapel. Und wie begierig lauschte das Publicum nicht auf diese Anspielungen, trug sie emsig nach der Vorlesung in immer weitere Kreise umher! Als unter Vespasian, der nicht warm, nicht kalt, kein Tyrann und auch kein Freigeist war, der Dichter Maternus sein Trauerspiel „Cato" öffentlich vorgelesen und diesen, uneingedenk der eigenen Stellung als monarchischer Unterthan, Lie Rolle des Republikaners mit vollerJnbrunst hatte spielen lassen, da war schon am andern Tage die ganze Stadt davon erfüllt, während zugleich das Gerücht umlief, am Hofe habe man es übel empfunden. Waren das nicht auch Wir kungen des literarischen Verkehrs? — Als wir, erzählt der Ver fasser des Dialogs, zu Maternus ins Zimmer traten, trafen wir ihn sitzend, die gestern vorgelesene Schrift in der Hand. Da sprach Julius Secundus, der berühmte Redner: „Schreckt dich, Maternus, das Gerede der Uebclwollenden nicht, das Anstößige deines Cato zu lieben? Hast du darum die Schrift zur Hand genommen, um sie sorgfältiger zu feilen und durch Weglassung dessen, was zu übler Deutung Anlaß gibt, einen Cato heraus zugeben, der, wenn auch nicht besser, doch minder bedenklich wäre?" Der Dichter erwiderte: „Du wirst es lesen, was Ma ternus sich schuldig war, und wieder erkennen, was du gehört hast. Hat aber Cato etwas weggelassen, so wirdin der nächsten Vorlesung Thyestes es sagen. Denn zu diesem Trauerspiele habe ich bereits den Plan gemacht und es im Geiste ausgebildet; und deshalb eile ich, die Herausgabe die- 237*
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