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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 01.09.1886
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- Erscheinungsdatum
- 01.09.1886
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- Deutsch
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Nichtamtlicher Teil. 4695 HL 202, I. September 1886. Publikum keiner einzigen deutschen Leihbibliothek bezeichnen, mit Ausnahme von vielleicht jener der Herren Borstell L Reimarus, welche in ihrer Entwickelung uns allen voraugecilt ist, die für die Zukunst durch die intelligente Leitung und rastlose Thätigkeit der Besitzer fortschreitende Entwickelung verspricht. Und doch auch jenes Geschäft wird in Zukunft nicht in gleich ausgedehntem Maße weiter arbeiten können, soweit es sich mit der Romanlitteratur beschäftigt; denn das ist die Eigen tümlichkeit unseres Geschäftszweiges, daß jedes einzelne Geschäft vom Zustande aller abhängig ist, daß keine Intelligenz im Ge schäftsbetriebe, keine Thätigkeit des betreffenden Geschäftsinhabers ihm den Gewinn seiner Arbeit sicherstellt. Mit dem Niedergange der großen Mehrzahl der Kollegen wird auch die Wohlfahrt jener besseren problematisch. Nur ein allgemeiner Fortschritt sichert die Existenz des Einzelnen. »Ich sehe die Zeit kommen, wo wir kein Futter mehr haben werden für unsere Ziegen.« So hieß es in einer an mich gerichteten Zuschrift eines Kollegen aus dem Norden. Das ist es, was ich schon vor Jahren kommen sah und wir nun wohl als nahe bevorstehend ansehen können, trotzdem daß wir heute mehr über Überproduktion als über Mangel an Roman litteratur zu klagen haben. Aber gerade diese kolossale Überproduktion der letzten Jahre läßt einen Umschlag in naher Zeit mit Sicherheit er warten. Wir werden kein Futter mehr haben für unsere Ziegen, und dann wird vielleicht nur der Journallesezirkel noch bestehen, dieses mühselige Geschäft, das von vornherein durch ebenfalls zu niedrig gestellte Abonnementspreise verpfuscht ist, die Leih bibliothek aber wird zu Grabe gehen, durch eigene Schuld der Besitzer, die es mit wenigen Ausnahmen alle nicht verstanden, eine Institution zu halten, die von so segensreicher Wirkung für das geistige Wohl der Nation sein könnte und so tiefe Wurzel in dem Natioualcharakter der Deutschen geschlagen hatte. Gestatten Sie mir, meine Herren, diesen meinen Ausspruch, den vielleicht die Mehrzahl von Ihnen als zu pessimistisch be zeichnen wird, zu begründen, indem ich in die Vergangenheit zurückgreise und den Entwicklungsgang unserer Institution, des Verlagsbuchhandels und die Veränderungen im Verhältnisse des Schriftstellers zu letzterem in kurzer Übersicht schildere und auf die allseitig begangenen Fehler Hinweise. Denn um auf die Zukunft annähernd richtige Schlüsse ziehen zu können, bedarf es der Kenntnis der Vergangenheit und eines klaren Urteils darüber. Für unsere Frage genügt es, bis auf den Anfang der fünf ziger Jahre zurückzugehen, einen Zeitpunkt, den ich noch als einen normalen für unser Geschäft, als allseitig entsprechend ansehen kann; wenn wir auch damals kein Geschäft von solcher Bedeutung aufzuweisen hatten, zu der sich einzelne unter uns erhoben haben. Normal bezeichne ich den Zustand unserer Institution zu jener Zeit aus dem Grunde, weil damals die Leistungen der Leihbibliothek im allgemeinen mit den Ansprüchen und den Bedürfnissen des Publikums im Einklänge standen; weil die Romanproduktion zu jener Zeit, auf gesunder Basis be ruhend, den Anforderungen und Bedürfnissen des Publikums entsprechend, nicht über das Maß der Aufnahmsfähigkeit für Leihbibliothek und Publikum ging; weil endlich die Höhe der Leihgebühren, obwohl schon damals zu niedrig, dennoch dem Leihbibliothekar die Anschaffung der erscheinenden Novitäten gestattete, da die Lebensbedingungen für denselben damals kaum den dritten Teil dessen beanspruchten, was wir heute zur Deckung unserer Spesen, zur Fristung unseres Lebens bedürfen. So stand es noch vor etwas über dreißig Jahren, und wenn wir gleichen Schritt gehalten hätten im Preisaufschlage mit der Verteuerung aller Lebensbedürfnisse, so wäre es nicht dahin ge kommen , daß unsere Institution, wie heute, von Feinden um geben, vom Publikum mißachiet, von der Mehrzahl von uns in ohnmächtiger Resignation ihrem Ende zugeführt wird. Durch die Außerachtlassung der ersten kaufmännischen Regel: den Preis nach den veränderten Anforderungen der Zeitverhält nisse zu stellen, haben die Leihbibliotheksinhaber den Ruin der Institution angebahnt und sie demselben bereits so weit ent gegengeführt, daß es fraglich erscheint, ob eine Wiederaufrichtung überhaupt noch möglich sein wird. Hierdurch haben wir nicht nur unser eigenes Interesse schwer geschädigt, sondern auch große Schuld auf uns geladen; denn diese Unterlassung erzeugte zum großen Teil die Mißstände im Verlagsbuchhandel, vermehrte das Schriftstellerelend und er weckte den Haß gegen uns bei beiden, der zu den feindlichen An griffen führte, gegen die wir heute zu kämpfen haben. Wenn wir nun zugeben müssen, daß die Vorwürfe, die man uns von jener Seite macht, nicht ohne Berechtigung sind, so tragen doch die Herren Schriftsteller und Verleger, namentlich die letzteren, den ungleich größeren Teil der Schuld an den herrschenden Miß ständen in der litterarischen Produktion, und besser wäre es für diese, an die eigene Brust zu schlagen, als über uns die Schale ihres Zorns auszugicßen. Um das zu beweisen, müssen wir ebenfalls bis auf jenen Zeitpunkt zurückgehen, den ich als normalen Zustand bezeichnete. Damals war die Zahl jener Verleger, die sich ausschließlich mit der Erzeugung deutscher Romanlitteratur beschäftigten, noch eine beschränkte. Es waren hauptsächlich nur die Herren Janke, Rumpler und Trewendt. Was bis dahin im Verlage dieser Herren erschien, war mit Sorgfalt und Verständnis gewählt, und steht bis heute großenteils in regem Verkehr. Der Leihbiblio thekar konnte unbesorgt alle als erscheinend angekündigten Novi täten bestellen, ohne, ivie heute, fürchten zu müssen, das zu ver wendende Geld nachträglich als verloren betrachten zu müssen. Zu jener Zeit trug noch ausschließlich der Verleger alle Kosten der Produktion, und alles Risiko, was ihn zur Vorsicht und Sorgsamkeit zwang. Die Erfolge, welche der Janke'sche Verlag namentlich mit den Werken der Mühlbach erzielte, versetzten den Verlag in ein beschleunigtes Tempo; denn nicht nur dieser Verleger brachte stets mehr und mehr auf den Markt, sein Beispiel erweckte die Nachahmung und erzeugte eine Reihe von Romanverlegern, die fast alle ohne Kenntnis der besonderen Verhältnisse, ohne Ver ständnis, nichts anderes erzielten als ihren Ruin. So begann die Überproduktion, die in eine Überproduktion des Mittel mäßigen, heute sogar in die des Wertlosen ausgeartet ist. Eine Folge des gestörten Gleichgewichtes zwischen Angebot und Nachfrage in der Romanproduktion war die Aufstauung der erzeugten Massen in den Magazinen der Verleger, die nach kurzer Zeit unter den Hammer kamen. Diese sich stets mehren den Vorgänge übten ihren verderblichen Rückschlag auf die ganzen Produktions- und Absatzverhältnisse aus. Sie zwangen die bis dahin mit Verständnis und Vorsicht arbeitenden Verleger in eine Bahn, die alle Verhältnisse umgestalten sollte. Es begann die Periode der Preisherabsetzungen, denn die fortwährend sich mehrenden Ausverkäufe bankerotter Firmen setzten den Wert der Vorräte, selbst der besseren Werke der aufrecht stehenden Verleger herab; die Überproduktion drohte sie in den Hintergrund, in Ver gessenheit zu drängen. So begann ein Wetteifer der Verleger in Preisherabsetzungen, der dahin ausgeartet ist, daß wir heute 635*
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