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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 25.06.1873
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- Ausgabe
- Erscheinungsdatum
- 25.06.1873
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- Deutsch
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.V 144, 25. Juni. Nichtamtlicher Theil. 2283 auf dem hier behandelten Felde herrscht. Die Gehilfen werden durch ganz gleichmäßige Interessen geleitet und zusammengehalten. Die Stellung der Druckereibesitzer ist dagegen bunt verschieden; von gleichen Interessen kann bei ihnen etwa nur insofern die Rede sein, als alle diejenigen, welche in fremden Aufträgen thätig sind, keinerlei Interesse daran haben, so lauge überhaupt Aufträge vorhanden sind, den unabreißbaren Mehrforderungen ihrer Gehilfen allzu ernst cntgegenzutreten. Nur ein Strike vermag sie ernstlich zu schädigen, dann aber werden sie so empfindlich geschädigt, daß namentlich die große Anzahl kleiner und mittlerer Geschäfte mehr den unmittelbar drohenden Verlust und Ruin, als die Wirkungen zu bedenken haben, welche die immer maßloser werdenden Forderungen für die Zukunft nach sich ziehen müssen. Der Prinzipal-Verein hat denn auch aus solchen Gründen die erste Probe der Gegencoalition schlecht bestanden, und daß er eine zweite Probe besser bestehen werde, dafür müßte erst der Beweis geliefert werden. Denn wie die ins Werk gesetzte „Lösung der socialen Frage" fast überall die Eigenthümlichkeit zeigt, daß sie die Frage nicht löst, sondern erst schafft, so hat sich auch hier gezeigt, daß die kleineren Druckereien, deren Besitzer theilweise selber dem Gehilfenstande nicht lange erst entwachsen sind, weit mehr unter dem Strike gelitten haben, als die größeren. Jene hatten durchgängig ihr Personal gänzlich oder bis ans einige Halbinvalide verloren, während diese einen schätzenswerthen Stamm von Arbeitskräften behaupteten. Die Großen erwirkten dies nicht etwa dadurch, daß sic mit den Gehilfen liebäugelten, sondern sie traten an die Spitze der Gegencoalition und leiteten dieselbe. Wenn sie trotzdem nicht von Arbeitskräften verlassen waren, so erklärt sich dies durch den Umstand, daß sie ihrem Personal nicht bloß dauernde Stellungen, sondern auch eine reichere Auswahl von giinstig tarifirten Arbeiten zu bieten vermögen. Diese Erfahrungen dürsten dem abermaligen Versuch einer Gegencoalition nicht allzusehr zu Statten kommen; im Gegcntheil werden sie die kleineren Druckereien bei drohenden Strikes nur noch ängstlicher machen, als sie es ohne dies schon zu sein Ursache haben. Die eigentlichen Unternehmer und Arbeitsversorger, die Ver leger, haben aber keinerlei Veranlassung, gegen die Forderungen der Buchdrucker-Gehilfen Front zu machen, mit denen sie ja überhaupt nichts zu schaffen haben, wenn sie nicht selbst Druckcreibesitzer sind. Forderungen, deren Hälfte genügen würde, um einen englischen Grubenbesitzer zu veranlassen, sein Etablissement auf unbestimmte Zeit zu schließen, lassen sie stoisch über sich ergehen, da sie dieselben ja nicht zu ändern vermögen. Das Einzige, was sie thun können, ist, daß sie die am härtesten getroffenen Unternehmungen so gut wie es geht zu Ende führen und dem Setzerkasten keinen Ersatz dafür bieten. Ja, der Leipziger Strike hat gezeigt, daß nicht einmal eine ernstliche Unterstützung der Drucker-Prinzipale durch die Verleger zu erzielen ist. Bei Beginn des Strikes handelte es sich um eine öffentliche Erklärung angesehener Leipziger Verleger, während des Strikes keine Druckanfträge außerhalb Leipzigs zu vergeben. Gleich die zweite Firma lehnte die Unterzeichnung ab, wobei sie erklärt haben soll, daß ihre Interessen als Verlagshand lung nicht identisch mit denen der Buchdrucker seien. Es ist in der That so. Die Setzerkasten und Schnellpressen sind auf regelmäßige Beschäftigung angewiesen, während einigermaßen fundirte Verlags geschäfte es in der Hand haben, auf längere Zeit eine merkliche Beschränkung ihrer Productionsthätigkeit eintrcten zu lassen. Alles in allem genommen ist es deshalb mit dem Mittel der Gegencoalition hier schlecht bestellt, selbst wenn es auf Bekämpfung der verhängnißvollsten Mehransprüche ankommt. Der thatsächliche Beweis dafür ist der eben abgelaufene Strike. Der Philosoph, den wir uns oben anzuführen erlaubten, erkennt nun in der festen Abwehr der „maßlosen Ansprüche", also mit anderen Worten in der Gegencoalition, die seiner Ansicht nach einzige Hilfe gegen das „verderbliche Unwesen" der Strikes. Die Anwendbarkeit dieses Mittels läßt er dahingestellt sein; er empfiehlt cs nur. Denn die Coalitionsfreiheit an sich erklärt er als in der berechtigten Freiheit des menschlichen Willens begründet und deren Entziehung folgerichtig als einen Eingriff in dieselbe. Hierin kommt der Philosoph mit der angesehensten deutschen Autorität auf volkswirthschaftlichem Gebiete, mit Roscher, überein. Roscher hat vom Standpunkte seiner Wissenschaft eigentlich nur Gründe gegen die Coalitionsfreiheit anzuführen. Dennoch erklärt auch er sich nicht dagegen, sondern stellt sich ebenfalls auf den natur rechtlichen Standpunkt und spricht sich dann trotz aller wirthschast- lichen Bedenken dafür aus, wobei Roscher allerdings mehr die englische Großindustrie im Auge hat, als die deutsche Gewerbethätig- keit und ihre industrielle Vcrwerthung. Gegen die Schattenseite der Coalitionsfreiheit, die er hinlänglich nachweist und durch Belege constatirt, kennt er nur ein Mittel: eine längere Dauer der Arbeitsverträge. Gewiß ist dies ein Mittel, gerade wie eine energische Gegen coalition das geeigneteMittel ist,um auf dieBesonnenheit derArbeiter zu wirken. Aber beide Mittel gleichen sich in der beschränkten Anwendbarkeit. Das oben gegebene Beispiel der größeren Buch- druckereicn zeigt, daß die längere Dauer der Arbeitsverträge, mögen sie nun formell geschlossen sein oder bloß thatsächlich unter diesen und jenen Voraussetzungen bestehen, von gutem Erfolge sind. Das Schlimme ist nur, daß sie nicht verallgemeinert werden können, sondern daß man nicht bloß bedeutender Drucker, sondern auch selbst Verlagsunternehmer sein muß, also nicht bloß von fremden Auf trägen abhängen darf, um einem ansehnlichen Stamme von Gehilfen regelmäßig geeignete Beschäftigung bieten zu können. Gerade nach den Ausführungen des bestangesehencn deutschen Nationalökonomen liegt es offen zu Tage, daß die naturrechtliche Forderung der Coalitionsfreiheit mit den wirthschaftlichen Interessen in einem unseligen Conflict sich befindet, und die Lösung dieses Conflicts kann nur gesucht werden in einem Compromiß zwischen dem einen und dem anderen Standpunkt. Dieser Compromiß, die Wahrung der berechtigten Freiheit des menschlichen Willens im Einklang mit der allgemeinen Wohlfahrt ist das gesetzgeberische Problem; — nach allem, was nian bis jetzt über die nächsten Schritte unserer Gesetzgebung zu hören bekommt, ein Problem, welches wahr scheinlich noch lange seiner Lösung zu harren hat. Tritt ein Noth stand ein, und der wird mit jedem Tage Wahr scheinlicher, so ist die Aufgabe des Gesetzgebers natürlich leichter. Dann heißt cs einfach, dem weiteren Zerstörungswerke ein gebieteri sches Halt zuzurufen. Und wenn dies Halt sich vernehmlich macht, so wünschen wir, daß die deutsche Industrie ebenso schnell ihr ver lorenes Terrain wiedergewinnen möge, als sie es eingebüßt hat. Wir wünschen es, aber mit vielen Anderen aus den verschiedensten Geschäftszweigen erwarten wir es nicht. A. Schürmann. Prüfet Alles und das Gute behaltet! Durch ein eigenthümliches Zusammentreffen bringt Nr. 138 des Börsenblattes gleichzeitig mit einem der Südd. Buchh.-Ztg. ent nommenen Bericht über die Versammlung des Stuttgarter Buchhändlervereins vom 25. Mai, in welcher u.a. die Zurück ziehung der Auslieferungslager der Stuttgarter Verleger von Leipzig, unter ausdrücklichem Hinweis ans das Beispiel der Berliner Verleger*), „beschlossen" worden sein soll, eine Vorstellung des *) Müßte heißen „einer großen Anzahl von Berliner Verlegern"; denn bekanntlich halten noch mehrere bedeutende Berliner Verleger Auslieferungs lager in Leipzig. 308*
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