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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 24.01.1883
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- Erscheinungsdatum
- 24.01.1883
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- Deutsch
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Hk 19, 24. Januar. Nichtamtlicher Theil. 339 Das geistige Eigenthum und die Leihbibliotheken. Schreiben an den Vorstand des Allgem. Deutschen Schriftsteller verbandes. *) Unter diesem Titel hielt Hr. Ober-Landes-Gerichtsrath und Schriftsteller Ernst Wichert in der Sitzung des vierten deutschen Schriftstellertages zu Braunschweig am 10. Septbr. einen Vortrag, welcher in Vorschlägen und Bestimmungen eines zu schaffenden Gesetzes für Besteuerung der Leihbibliotheken zu Gunsten der Autoren seinen Gipfelpunkt fand. Diese Frage, schon auf früheren Schristftellertagen besprochen und verhandelt, durch Journalartikel in weitere Kreise getragen, wurde bisher von Seite der Leihbibliotheken gänzlich ignorirt, weil man eben praktisch Durchführbares in allem bisher Gehörten auf dieser Seite nicht finden konnte. Zum ersten Male begegnen wir in dem Vortrage des Hrn. E. Wichert nicht nur einer gemäßigten Sprache, sondern auch halbwegs praktischen Vorschlägen, die allerdings, so wie sie vor liegen, nicht das erreichen würden, was angestrebt wird, aber doch den Keim enthalten, der sich zur gedeihlichen Entwicklung entfalten kann, falls mit Vorsicht, Vermeidung jeder Ueber- stürzung nnd in Uebereinstimmung aller bei dieser Frage Be theiligten vorgegangen wird. Die Agitation der Autoren gegen die Leihbibliotheken be wegte sich seit einigen Jahren in der Richtung: diese, ihrer Meinung nach, schädliche Institution womöglich vom Erdboden zu vertilgen. Bald hier, bald dort erschienen in den Zeitungen Artikel und Notizen, welche im Publicum Ekel vor den schmierigen, abgenutzten Leihbibliotheksbüchern erzeugen sollten. Daß in vielen größeren Städten Deutschlands heutzutage auch intelligente Leihbibliotheksbesitzer existiren, bei deren Geschäftsbetriebe die ausgestreuten Beschuldigungen nicht zutreffen, das wurde ignorirt. Weiter lasen wir wiederholt Notizen über die Ansteckungs gefahr, welcher man sich bei Benutzung einer Leihbibliothek aussetzt; es wurde erzählt, wie eine ganze Stadt von diesen Büchern mit einer Epidemie überzogen worden sei. Diese Greuel- that geschah allerdings nicht in Europa, sondern dahinten, wo man der Wahrheit nicht Nachfragen konnte. Uns Leihbibliothe karen aber hätte diese Nachricht, wenn wir sie geglaubt hätten, wohl die Lust erwecken können, auszuwandern, dahin — dahin; denn wo so etwas möglich ist, wo der Leihbibliothekar einen so ausgebreiteten Boden findet, da muß ja Milch und Honig für ihn fließen. Seit einiger Zeit vermißen wir jedoch solche Berichte; sie scheinen in der Ansteckung von ganz Chicago ihren Höhepunkt ge funden zu haben. Die Verbreiter dieser Nachrichten dürften zu der Ueberzeugung gekommen sein, daß eine so tief eingewurzelte In stitution auf diese Weise nicht zu erschüttern ist. Die Leihbiblio thekare sehen dieser Agitation mit Gleichmuth zu, die größeren, weil sie ihr Geschäft so führen, daß die Beschuldigungen bei ihnen nicht zutreffen, da sie ihre Bücher gar nicht so weit abnutzen lassen, daß man sie nicht anständigerweise ausgcben kann. Die kleineren Geschäfte fühlten sich ebensowenig beunruhigt; ihre Kunden waren an den Schmutz gewöhnt; was liegt diesen daran, wenn das Lesen nur nicht viel kostet! Eine einzige Wiener Firma, deren junge Eigenthümer ohne praktische Erfahrung im Leihbibliothekswesen sind, ließ sich ins *) Auf den Wunsch des Herrn Verfassers bringen wir dieses Schreiben um so bereitwilliger auch hier zum Abdruck, als dasselbe neue Anregung zur Erörterung eines interessanten Themas gibt, das unter der Aufschrift „Verlagsrecht und Leihbibliothek" bereits im Börsenblatt vom 3. Dec. 1879 zur Diskussion gestellt wurde, ohne bis jetzt eine solche erfahren zu haben. Die Red. Bockshorn jagen; diese Herren erfanden einen Desinfectionsofen, mit dem sie Reclame machten. Obwohl sich nun schon in den ersten Tagen für sie herausstellte, daß sie etwas Undurchführbares unter nommen, wurde dennoch fortreclamirt, wenn auch nicht fortge räuchert; wer wollte oder konnte das controlireu ? Ihre Berechnung indessen, daß alle Kunden anderer Geschäfte von dem lieblichen Gerüche ihres im Locale selbst ausgestellten Ofens angclockt werden würden, erwies sich als irrig. Das verständige Publicnm lachte darüber. Daß auf diesem Wege nichts zu erreichen sei, davon dürfte man sich nunmehr allseitig überzeugt haben; ein anderer Weg muß also eingeschlagen werden. Alle anderen Vorschläge jedoch, die wir bis heute vernommen haben, namentlich jene, die zur Vernichtung oder Bedrückung der Leihbibliotheken führen sollten, zeugten von so wenig Sachkenntniß und Ueberlegung, daß sie kein anderes Resultat finden konnten, als die Frage offen zu haUen. Diese Vor schläge waren entweder undurchführbar, oder sie lassen sich mit Leichtigkeit illusorisch machen. Selbst der Vorschlag des Hrn. Ernst Wichert, den der verschiedenen Preise für den Privatkäufer und den Leihbibliothekar, würde für die Autoren nur ein negatives Resultat ergeben, falls dieser Vorschlag von den Herren Verlegern überhaupt angenommen werden sollte, woran sehr zu zweifeln ist. Die Anschauung der Herren Autoren, daß ein Unterschied zu machen sei zwischen Dem, der sich ein Buch zu eigenem Ge brauche kauft, und dem Leihbibliothekar, der damit Geschäfte gemacht, ist jedoch eine berechtigte; sie ist ein Ergebniß unserer fortschreitend sich entwickelnden Rechtsanschauung; sie mußte natur gemäß hervortreten. Niemand, dem eine gedeihliche Entwicklung unsrer Zustände am Herzen liegt, kann sich dieser Einsicht verschließen. Das Verlangen nach Tantieme für Benutzung geistigen Eigenthums von den Leihbibliothekaren ist, wie gesagt, ein be rechtigtes; sie wird über kurz oder lang auch sicher gezahlt werden müssen, trotz allen Widerstandes, der dieser Forderung vor der Hand auch entgegenstehen dürfte. Der Weg aber, auf den wir dahin gelangen werden, liegt noch nicht klar und erkennbar vor uns; daher ist es von größter Wichtigkeit, mit Vorsicht zu prüfen, bevor irgend ein Schritt gethan wird, der statt zum Ziele zu führen, nur Unheil im Gefolge haben würde. Die bisher vernommenen Reden auf den Schrift stellertagen, die Journalartikel, welche dieses Thema behandelten, zeigen klar und deutlich, daß der Autor allein nickt im Stande ist, die Frage erfolgreich zu lösen. Andererseits aber zeigten die Berathungen auf dem letzten Schriftstellertage, wie nahe die Gefahr des Selbstmordes für den Autor lag; denn es ist wohl nur den verständigen Einwendungen einiger Wenigen zn danken, daß an diesem Tage kein unheilvoller Beschluß gefaßt worden ist. Möchte man doch ans der Agitation gegen die Colportage eine Lehre ziehen, wohin selbst berechtigte Agitation führen kann, wenn nicht mit Besonnenheit zu Werke gegangen wird. Hr. Ernst Wichert ist in Zweifel, ob er die Leihbibliotheken ein „unabweisbares Bedürfniß" oder „ein nothwcndiges Uebel" nennen soll, während doch bei unfern beklagenswerthen literarischen Zuständen der Leihbibliothekar zum Wohle des Autors eigens erfunden werden müßte, wenn er nicht schon da wäre. Manche Autoren sind der Meinung: nur der Leihbibliothekar habe alle Uebel verschuldet! Man sehe doch auf England hin, wo das Leihbibliothekswesen in höchster Blüthe steht: ein englischer Autor würde höchst verwundert der Agitation gegen die Leihbiblio theken zusehen und sie gar nicht verstehen! Schlagen Sie den Leihbibliothekar todt, und der Verleger wird Ihnen die Thür schließen; vernichten Sie den Vermittler zwischen Ihnen und dem Publicum, dem nachzugehen Sie nicht im Stande sind, und kein Autor, dessen Namen nicht schon einep 49*
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