Suche löschen...
Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 19.06.1873
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Erscheinungsdatum
- 19.06.1873
- Sprache
- Deutsch
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id39946221X-18730619
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id39946221X-187306194
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-39946221X-18730619
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungBörsenblatt für den deutschen Buchhandel
- Jahr1873
- Monat1873-06
- Tag1873-06-19
- Monat1873-06
- Jahr1873
- Links
-
Downloads
- PDF herunterladen
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
139, 19. Juni. Nichtamtlicher Theil. 2199 Hätten wir diese vier freien Tage zur Berathung des Militärgesetzes benutzt, so hätte das keinen andern Erfolg gehabt, als die über diesen Gegenstand im Hause bestehenden Gegensätze in aller Schärfe aneinander- gerathen zu lassen, ohne daß Zeit vorhanden wäre, eine Einigung zu erzielen und das Gesetz fertig zu stellen. Dagegen kann es sür den Bun desrath nur vortheilhaft sein, die Meinung des Hauses über seinen Prcß- gesetzenttvurf kennen zu lernen, da nach meinen Erkundigungen noch nicht zwei Dutzend Mitglieder des Hauses ihm zustimmen möchten, da noch keine Partei gefunden, welche die Mitschuld an demselben übernehmen will. Die Information, welche der Bundesrath daher aus der Debatte unseres Entwurfes gewinnen kann, dürste von demselben nur mit Dank aus genommen werden können. (Beifall.) Fürst Bismarck: Der Vorredner hat meine Aeußerungen verschoben und zu seinem Bedarfe zurechtgelegt, sonst würde er nicht mit einiger Entrüstung gesagt haben, ich hätte den Reichstag angeklagt. Das ist mir nicht eingefallen. (Widerspruch links.) Ich habe ganz und gar nicht den Reichstag be schuldigt, die Vorlagen nicht überall rechtzeitig berathen zu haben. Das Militärgesetz ist allerdings so rechtzeitig erschienen, um von dem Reichstage noch durchberathen werden zu können, und es wird mir doch nicht be stritten werden können, daß hier mit einer Art von deklamatorischer Abschweifung auf die sogenannten Volksrechte... (Oho! lebhafter Wider spruch links.) Ja meine Herren, das sind Reminiscenzen aus der ver gangenen Zeit (Nein, nein! Hört! links), die ich wohl berechtigt bin declamatorische Redensarten zu neunen. (Unruhe.) Ich habe lange ge nug in Zeiten gelebt, wo Jeder, der etwas für sich, für seine Stellung, sür seine politischen Interessen in Anspruch nehmen wollte und vorzu- briugen hatte, sich als Vertreter der Volksrechte hinstelltc. Zum Volke gehören wir Alle, zum Volke gehöre ich ebenso gut wie Sie, ich habe auch mein Volksrecht, ich kann mich auch Volksvertreter nennen, zum Volke gehört auch Se. Mas. der Kaiser (große Unruhe); diese Reden von Volks recht, das sind gewisse alte traditionelle Gewohnheiten und Tendenzen von Solchen, die sich liberal nennen, aber es nicht einmal immer sind (lebhafte Unruhe, Hört, hört! links), und ich verbitte es mir, den Namen Volk zu monopolisiren und mich davon auszunehmen. Das verbitte ich mir. (Andauernde Unruhe.) Was die Sache selbst betrifft, so habe ich mich nur darüber beklagt, daß ich geglaubt habe, mit Vorlegung der vertraulichen Beschlüsse der Delegirten Sr. Alias, mittheilen zu können, daß das Militärgesctz in dieser Session nicht mehr durchberathen werden könnte, da auch andere wichtige Gesetze, die vom Reichstage ausgegangen, wegen der peinlichen Lage der Beschlußnnfähigkeit nicht mehr auf die Tagesordnung kommen könnten. Ich bin also, indem dies Gesetz dennoch auf die Tagesordnung kam, in die Lage gekommen, etwas zu glauben, was sich nicht bestätigt hat. Das will ich indeß jetzt nicht weiter erörtern. Wenn die Herren aber das Bedürfnis; haben, dennoch in die Discussion über das Preßgesetz ein- zutrctcn, so sollen Sie doch nicht glauben, daß wir sie scheuen. Im Gegentheil, wir haben das Bedürfnis;, daß die Sache mit Sachkunde hier de- battirt wird. Wenn aus meiner Klarlegung der Situation, die ich glaube ganz ohne Leidenschaft und Empfindlichkeit gemacht zu haben (Wider spruch links), schließlich sich eine prinzipiell zugespitzte Debatte entspinnt am Schluß eines Reichstages, der bisher mit den verbündeten Regierungen in so dankenswerther Einigung immer gegangen ist, so ist das nicht meine Schuld; ich habe diese persönliche Zuspitzung der Debatte in keiner Weise veranlaßt (Widerspruch). Abg. Windthorst-Meppen: Der Reichskanzler habe ihm heftiger geantwortet, als nach seinen Ausführungen recht gewesen. Wenn cs richtig wäre, sich hier einfach aller Aeußerungen über den preußischen Entwurf zu enthalten, so wäre cs gewiß viel richtiger, jetzt gleich die Boutique zu schließen. (Große Heiterkeit.) An ein Zustandekommen des ursprünglichen Entwurss sei nicht mehr zu denken; schaffe man daher wenigstens mit Annahme seines Nothgcsetzes der Presse eine materielle Erleichterung in dankbarer Anerkennung der von ihr bewiesenen patriotischen Haltung. Vor einigen Tagen habe der fran zösische Minister Beul« eine Preßverfügung erlassen, welche diesseit wie jcnseit des Canals das größte Aufsehen erregt habe; wäre man dort mit unseren Preßverhältnissen und mit dem von Preußen in den Bundesrath gebrachten Entwurf vertrauter, so würde man sich über das betreffende Circular wohl weit weniger verwundert haben. (Sehr gut!) Fürst Bismarck: Wozu der preußischen Regierung immer gleich mit zornigen harten Worten vorwersen, daß sie etwas Lasterhaftes anstrebt, wenn sie in ihrem Entwurf ihre Uebcrzeuging ausdrückt? Es gibt vielleicht 100,000 Leute, die ein directes Interesse an der Presse und daran haben, daß sie so frei, unabhängig und angenehm wie möglich dastehc; aber sehr viel mehr haben dies Interesse nicht, sondern sehen der freiern Entwickelung der Presse mit einer gewissen Sorge entgegen, und haben ein Recht darauf, ihre Ueberzeugung in Gesetzesvorschlägen auszudrücken. Die Ansichten stehen sich da nicht wie Tugend und Laster gegenüber, sondern wie der Gegensatz der Schutzzöllner und Freihändler. Man darf nicht Denen, die nicht sür die unbeschränkt freie Entwickelung der Presse sind, vorwerfen, daß das schimpf lich oder unrecht, und daß es tugendhaft sei, für die Freiheit der Presse zu plaidiren. Es gibt eine Menge von Menschen, die nicht so denken, und das wird sich bei den Wahlen vielleicht zeigen. Abg. Duncker erklärt sich dafür, daß der Entwurf von Windt- horst-Berlin zurückgezogen und dem Noth-Preßgesetz der Vorrang eingeräumt werde, damit wenigstens die materielle Belastung der Presse ihre Vcrurtheilung durch den Reichstag erfahre, wie sic vom preußischen Landtage verurthcilt worden ist. Ausfallend ist ihm die Gereiztheit des Kanzlers im Gegensatz zu seiner sonstigen Sicherheit und der Ton, den er angeschlagen, der mehr einer vergangenen Zeit angehört, als die Classirung der Preßfreiheit unter die Volksrechte veraltet ist. Fürst Bismarck: Der Vorredner hat mir vorgeworfen, daß ich mit einer Leidenschaft lichkeit und Gereiztheit mich ausgedrückt hätte, die mit meinem sonstigen Verhalten im Widerspruch ständen. Der Vorredner hat durch die Fär bung seiner eigenen Rede dieser Anklage doch eine eigenthümliche Illu stration gegeben. Ich habe nicht das Recht, über sein Privatleben zu urtheilen; ich habe nicht die Ehre, ihn so genau zu kennen, daß ich mit Sicherheit behaupten könnte, daß der Ton der Gereiztheit und Leiden schaftlichkeit, mit dem er eben austrat, mit seinen sonstigen Gewohnheiten in Widerspruch stand. Ich weiß das nicht. Ich habe mich eines ähn lichen Tones nicht bedient, ich habe mit einiger Entrüstung mein Recht als Deutscher wahrgenommen gegenüber einer Andeutung, die mich nach meinem Eindruck von dem Begriffe Volk auszuschließen schien, indem ich darauf hinwies, daß die Regierung ebenfalls zum Volke gehöre, aus ihm hervorgegangen sei und in das Volk zurückkehre. Im Grunde war um so weniger Motiv sür den Vorredner, mir den Vorwurf der Gereiztheit zu machen, wenn er gleich darauf seinen Insinuationen gegen mich eine möglichst starke Farbe gab, indem er meint, ich hätte mich in einer in- sidiösen Weise verschanzt hinter ich weiß nicht welchen Behauptungen, als hätte ich Versprechen gegeben und nachher nicht gehalten. Ich habe ge glaubt, daß der Bundesrath schneller arbeiten würde, und habe nur ihn gegen den Vorwurf der langsamen Arbeit geschützt; ich habe angesührt, wie man dazu gekommen ist, anzunehmen, die Sache würde nicht mehr zur Sprache kommen. Einen weiteren Zweck hatte meine Aenßernng nicht, ich habe nicht einmal mich vertheidigt, nicht pro äovro gesprochen und bin dennoch viel ruhiger gewesen, als der Vorredner. Abg. v. Bcnningsen erklärt sich mit Berufung auf die Beschlüsse der Delegirten und auf die Schwierigkeiten, die sich in der formalen Behandlung der Frage ergeben, sür Absetzung beider auf die Presse bezüglichen Vorlagen. Abg. Lasker führt aus, daß er nicht entfernt zu der gereizten Erklärung des Reichskanzlers Anlaß gegeben hat, mit dem er durch aus gleichberechtigt an der Gesetzgebung arbeite. Fürst Bismarck: Der Vorredner wird mir gewiß darin beistimmen, wenn ich die An nahme ausspreche, daß der Redner der mindest berechtigte Richter über den Ton seiner Rede ist. Ich berufe mich auf das Haus, wenn ich be haupte, daß der gereizte Ton in diese bis dahin rein sachliche Debatte durch den Vorredner eingeführt worden ist. (Widerspruch.) Der Vorred ner hat in seiner Gereiztheit nicht die Gewohnheit zu schreien und seine Stimme zu erheben oder heftige Geberden zu machen, aber er hat die Gewohnheit, seine Pfeile so zu spitzen, daß sie, ich will nicht sagen Gift, aber einen ätzenden Saft enthalten. In dieser Sache hat der Vorredner einen zwiespältigen Unterschied zwischen Regierung und Volk, zwischen Regierungsrecht und Volksrecht angedeutet. Das war ein Anklang an vergangene Zeiten. Denn warum das Budget, der Ausbau der deutschen Festungen zur Vertheidigung, die Finanzgesetze nicht zum Volksrechte ge hören, kann ich nicht begreifen. Ich brauche mir nicht gefallen zu lassen, daß die Regierung vom Volke ausgeschieden wird. Das ist eine Fälschung der ganzen Sachlage, die ich nicht acceptire. Für sich und seine Bestre bung allein alles Volksthümliche in Anspruch zu nehmen, gibt den Be strebungen der Regierungen den Schein des Volksfeindlichen, das ist eine subversive Tendenz, die ich von dem Abg. Lasker am wenigsten erwartet hätte. Ob nun 12 Stimmen im Bundesrathe (?) für den Preßantrag sind oder nicht, ist mir einerlei; wir wollen keinen bestimmten Erfolg, sondern nur eine Quittung haben, daß die Wähler sich danach richten können. Mir war die Debatte gar nicht in so hohem Grade willkommen; 297*
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder