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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 12.05.1886
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- Erscheinungsdatum
- 12.05.1886
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- Deutsch
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wird und daß die eine wie das andere neben Verkaufs,zwecken auch zur Hebung des Kunstsinnes, zur Veredlung des Geschmackes — wie der Verteidiger ausführt — öffentlich ausgestellt wird. Der artige Zusammenstellungen, wie besonders die hier in Frage kommen den Einzclfiguren verletzen das Anstandsgefühl, und über diese Ver letzung ist die Mißbilligung zu Tage getreten. Daß nicht bis ins ein zelne genau festgestellt worden ist, wie viele von den Beschauern sich gekränkt, belästigt fanden, verschlägt nichts, da sowohl die Aussagen der Zeugen, wie die bezogenen Zeitungsartikel erkennen lassen, daß vielseitig jene Belästigung empfunden worden. Dies genügt aber zur Anwendung von 8 360 Nr. 11 nicht nur im Sinne der früheren Rechtsprechung, sondern auch der beiden erwähnten Entscheidungen des Reichsgerichts. Völlig bedeutungslos für die hier zu entscheidende Frage ist der Umstand, daß die Ver folgung des Angeklagten wegen Ausstellens unzüchtiger Dar stellungen an Orten, welche dem Publikum zugänglich sind (8 184 des Strafgesetzbuches) abgelehnt worden ist. Es mag ja die An schauung begründet sein, daß die in Frage stehenden Bilder auf die Beschauer — unter denen übrigens bei der Nähe zweier Schulen auch zahlreiche halberwachsene Kinder sich befanden — einen ge schlechtlichen Reiz auszuüben nicht angethan seien — und damit fällt 8 184 des Strafgesetzbuches weg —; es ist aber dadurch keines wegs ausgeschlossen, daß die Figuren gegen den Anstand und die gute Sitte verstoßen und die Allgemeinheit dadurch, daß sie öffent lich zur Schau stehen, gröblich belästigen. Weder Wortlaut noch Sinn der 88 184 und 360 Nr. 11 erfordern, daß die Bestrafung derjenigen Handlung als grober Unfug ausgeschlossen sein soll, welche als unzüchtig in Gemäßheit des § 164 nicht strafbar ist. Da auch die erkannte Strafe als angemessen erscheint, so war die Berufung zu verwerfen. IH. Revisionsantrag und Begründung. Das Urteil der Strafkammer des König!. Landgerichts zu Köln vom 5. Februar 1886 wird seinem ganzen Inhalte nach an- gefochten. Es wird dessen Aufhebung und die Freisprechung des Angeklagten beantragt. Gründe: Das Urteil verletzt die 88 184 und 360 Nr. 11 des Straf gesetzbuchs. tz 184 behandelt und erschöpft den Fall der Ausstellung von unzüchtigen, d. h. das Anstands- und Sittlichkeitsgefühl ver letzenden Abbildungen und Darstellungen an Orten, welche dem Publikum zugänglich sind. Liegt ein Fall dieser Art vor, so mag damit zugleich grober Unfug ideell konkurrieren. Es geht aber nicht an, wie es das Landgericht thut, mit der Feststellung, daß durch die öffentliche Ausstellung der fraglichen Skulpturen das Anstands und Sittlichkeitsgefühl verletzt worden, die Voraussetzungen des 8 184 des Strafgesetzbuches zu verneinen, dagegen den 8 360 Nr. 11 für gegeben zu erachten. Bei solcher Feststellung wäre viel mehr, soweit prozessualisch zulässig, 8 184 heranzuziehen und dann weiter nur noch die Frage nach dem Dolus zu untersuchen. Diese Konsequenz hat man in dem Verfahren gegen den Angeklagten offenbar umgangen, weil die fraglichen Darstellungen unzweifelhaft künstlerische Schöpfungen ersten Ranges und als solche allgemein anerkannt sind. Es ist damit zugestanden, daß objektiv unzüchtige Darstellungen nicht vorliegen. Das Urteil der Straf kammer spricht das dahin aus, daß es anders die Stellung von Anstands- und Sittlichkeitsgefühl der »klassisch und Humanitär« Gebildeten, anders diejenige der breiten Schichten des Volkes zu den fraglichen Darstellungen auffasse. Es gelangt damit zu dem Resultate, in dem 8 360 Nr. 11 einen gesetzlichen Schutz gegen relative Verletzung deS Sittlichkeits- und Anstandsgefühles durch öffentliche Ausstellung entsprechender Darstellungen zu erblicken, womit 8 184, welcher die Grenzlinien dieses Schutzes markiert, verletzt erscheint. Das führt nun mit logischer Notwendigkeit zu einer weiteren Verkennung der Thatbestandsmerkmale des 8 360 Nr. 11. Dieser hier für sich allein beobachtete 8 360 Nr. 11 bezweckt nach seinem durch die Judikatur klargelegten Sinne den Schutz der Allgemeinheit. Geht diese in ihrem Urteil über Darstellungen der hier vorliegenden Art so auseinander, wie dies das Erkenntnis der Strafkammer selbst ausführt, so können diese Darstellungen auch die Allgemeinheit, das Publikum, nicht ungebührlich belästigen. Es mag äs tsrsuäg. zu erwägen sein, ob es nicht zweck mäßig, auch hier Vorkehrungen zu treffen. Es kann auch ununter sucht bleiben, ob nicht die Polizeibehörde in den bestehenden Ge setzen geeignete Machtmittel besitzt, prophylaktisch einzugreifen. Allein ein Strafgesetz, dessen Inhalt der ist, daß es eine ungebühr liche Belästigung der Allgemeinheit reprimieren will, kann nicht verletzt erscheinen, wenn die Allgemeinheit als solche in der heran gezogenen Handlung eine Belästigung nicht erblickt. Es ist nur die negative Seite von 8 360 Nr. 11, daß die Belästigung eines individuell begrenzten Kreises von Personen nicht unter denselben falle. Diese negative Seite ist nur eine Konsequenz des Satzes, daß die Allgemeinheit belästigt erscheinen muß. Letzteres ist also selbständiges positives Erfordernis. Es kann daher sein, daß zwar ein nicht geschlossener Kreis von Personen, aber auch nicht die All gemeinheit belästigt erscheint. Dann fehlt es an diesem notwendigen Erfordernis des 8 360 Nr. 11. Eben dies verkennt das angefochtene Urteil. Es beschränkte sich auf die Feststellung, daß der Kreis der Belästigten kein in dividuell geschlossener gewesen; es stellt nicht fest, daß die Allgemein heit belästigt worden; es stellt sogar das Gegenteil fest. Es ist daher auf Grund seiner eigenen Feststellungen zu vernichten, und hat auf Grund derselben die Freisprechung zu erfolgen. IV. Urteil des Strafsenats des Königl. Oberlandesgerichts zu Köln vom 2. April 1886. Die Revision wird verworfen und der Angeklagte zur Tragung der Kosten verurteilt. Gründe: Dem Angeklagten ist nicht zur Last gelegt, sich des Vergehens gegen den 8 184 des Strafgesetzbuches schuldig gemacht, sondern nur groben Unfug verübt zu haben (8 360, Nr. 11 desselben) dadurch, daß er in den Schaufenstern seines in der Schildergasse zu Köln gelegenen Ladenlokals nackte weibliche Figuren ausgestellt hat, welche geeignet waren ein öffentliches Ärgernis zu geben. Daß die ausgestellten Figuren Nachbildungen klassischer Werke der Plastik sind, ist für die Entscheidung der Frage, ob sich der Angeklagte der ihm zur Last gelegten Übertretung schuldig gemacht habe, unerheblich, und es kann sich allein nur darum handeln, ob durch die öffentliche Ausstellung der Figuren, trotzdem sie Nachbildungen von Kunstwerken sind, das Publikum, d. h. eine nicht individuell begrenzte Menschenmenge, sich in seinem Sittlich keitsgefühl gekränkt gefunden hat, und die Figuren ein öffentliches Ärgernis durch die Zurschaustellung gegeben haben ; daß dies aber der Fall gewesen ist, haben die Vorderrichter übereinstimmend fest gestellt, und diese Feststellung ist für den Revisionsrichter bindend. Die Strafkammer hat auch noch als nachgewiesen angenommen, daß dem Angeklagten bekannt war, daß durch die Ausstellung beim
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