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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 12.05.1886
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- Erscheinungsdatum
- 12.05.1886
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- Deutsch
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108, 12. Mai 1666. Nichtamtlicher Teil. 2509 bührliche Belästigung des Publikums und eine in die Allgemein heit hinein wirkende Verletzung der öffentlichen Ordnung anzu sehen; diese Merkmale stellen aber den Thatbestand des groben Unfugs im Sinne des tz 360 des Strafgesetzbuchs dar, und mußte daher wie geschehen erkannt werden. Bei Strafzumessung wurde der Umstand als strafverschärfend in Rücksicht gezogen, daß die Ausstellung unter Nichtberück sichtigung des desfallsigen polizeilichen Verbotes an einer der lebhaftesten Straßen Kölns und in der unmittelbaren Nähe zweier sehr stark besuchten Schulen stattgefunden hat. Die Kosten des Verfahrens treffen den Angeklagten nach tz 497 der Strafprozeß ordnung. gez. Füngling. II. Urteil der Strafkammer des Königlichen Landgerichts zu Köln vom 5. Februar 1886. Die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Schöffen gerichts zu Köln vom 24. November 1885 wird als unbegründet verworfen. Die Kosten des Rechtsmittels werden dem Angeklagten auferlegt. Gründe: Gegen das am 24. November 1885 in Gegenwart des Angeklagten verkündete erste Urteil hat dieser zu Protokoll des Gerichtsschreibers am 24. November 1885, also rechtzeitig, die Be rufung eingelegt. Die zweite Hauptverhandlung, welche am 29. Januar 1886 stattgefunden hat und in welcher dieselben Beweise erhoben worden sind, wie in der ersten, hat gegen den Angeklagten dasselbe ergeben, was von dem Schöffengerichte für erwiesen erachtet worden ist. Danach hat der Angeklagte während der Monate Juli bis September 1885 in den Schaufenstern seiner in der Schildergasse Hierselbst gelegenen Buch- und Kunsthandlung nackte weibliche Gestalten ausgestellt. Dieselben waren sämtlich Nachbildungen antiker oder neuer Kunstwerke in verschiedener Größe — die größte Figur war 87 Cm. hoch —, sämtliche Figuren nicht weiß, sondern in einer rötlich braunen Färbung, welche dem Fleischtone sehr- nahe kommt. Das Verzeichnis der ausgestellten Figuren enthält das erste Urteil. Der Polizeipräsident von König hat ausgesagt, daß er selbst an der Ausstellung solcher Figuren an einer der belebtesten Stellen der Stadt, in der Nähe mehrerer Schulen Anstoß genommen habe, und daß seine eigene Wahrnehmung, sowie eingelaufene Beschwer den ihn veranlaßt hätten, einzuschreiten. Der Polizeikommissär Sperling, welchem seit Frühjahr 1885 der betreffende Bezirk über wiesen war, hat öfter wahrgenommen, daß viele Leute, darunter auch Kinder, Schüler und halberwachsene Mädchen vor den beiden Schaufenstern gestanden haben, daß mehr oder minder unflätige Bemerkungen über die Figuren gemacht worden sind, und daß öfter Leute sich kopfschüttelnd entfernt haben. Auch ist er mehrere Male von verschiedenen Leuten gefragt worden, ob dergleichen erlaubt sei. Keiner der beiden Beamten hat wahrgenommen, daß der Verkehr an der betreffenden Stelle gehemmt worden ist; auch ist nicht dergleichen von den Untergebenen an sie berichtet worden. Aus den beiden Artikeln, welche in der Kölnischen Volkszeitung vom 29. Mai und 22. Juni 1885 veröffentlicht worden sind, ist ebenfalls zu schließen, daß Einzelne an der Ausstellung jener Figuren Anstoß genommen haben. Fraglich ist, ob diese Thatsachen den Thatbestand de» ß 360 Nr. 11 des Strafgesetzbuches, soweit derselbe die Verübung groben Unfugs betrifft, darstellen. Diese Frage ist mit dem ersten Richter zu bejahen; es ist seitens des Angeklagten durch die öffentliche Zurschaustellung der, wie geschildert, gefärbten nackten weiblichen Figuren, — obwohl dieselben nach »klassischen« Mustern gearbeitet sind — grober Unfug verübt worden. Wenn schon seitens der Rechtsprechung der letzten zehn Jahre grober Unfug im Sinne des Z 360 Nr. 11 des Strafgesetzbuches als vorhanden angenommen worden ist, in einer schweres Ärgernis gebenden öffentlichen Ankündigung des Wahrsagens, in der Ver breitung, bezw. Veröffentlichung von Schriften unsittlichen, das Schamgefühl verletzenden Inhalts, in der Verbreitung eines das Vaterlandsgefühl tief verletzenden Zeitungsartikels (Oppenhoff, Kommentar zum Strafgesetzbuch zu tz 360 Nr. 11), so erscheint die gedachte Strafbestimmung auch auf die hier vorliegende That anwendbar. Mag auch der Angeklagte anfänglich sich nicht bewußt gewesen sein, daß jene seine Ausstellung schweren Änstoß erregen werde, dieses Bewußtsein muß ihm gekommen sein, als er seitens der Polizeibehörde zur Entfernung der Figuren aufgefordert war und er dennoch die Figuren ausstellte. Die bezogenen Entscheidungen verschiedener Gerichte müssen zu dem Schluffe führen, daß jedes gegen Sitte und Anstand verstoßende Verfahren, wodurch die öffentliche Ordnung verletzt wird, als unter ß 360 Nr. 11 fallend angesehen worden ist. Dieser Anschauung hat auch das Reichsgericht in seinen Entscheidungen (I. 400; V. 299.) nicht widersprochen. Während das erste Urteil sagt: »daß eines groben Unfugs sich derjenige schuldig mache, welcher die öffentliche Ordnung dadurch verletzt, daß er das Publikum als solches im Gegensatz zu einzelnen Personen oder indi viduell begrenzten Personenkreisen gefährdet oder ungebührlich belästigt« führt das zweite Urteil aus, es sei nicht notwendig, daß der Kreis der Wahrnehmenden ein sehr ausgedehnter sei, »die zufällig den Angriff — um einen solchen handelte es sich damals — auf öffentlicher Straße Wahrnehmenden sind, so lange als Repräsentanten des Publikums anzusehen, als nicht thatsächlich feststeht, daß sie mit dem Angreifer — Beschuldigten — einen geschlossenen Personenkreis bildeten.« Dafür, daß letzteres etwa der Fall gewesen, mangeltjede Unterlage; es können und müssen daher diejenigen Personen, welche die Figuren in dem Fenster gesehen, als Repräsentanten des Publikums gelten. Wenn diese Beschauer aber in ihrer Allgemeinheit — abgesehen von dem individuell begrenzten Personenkreise der sogenannten klassisch oder »Humanitär« Gebildeten — Anstoß an den ausgestellten nackten Figuren genommen haben, und dies erscheint durch die Beweis aufnahme genügend dargethan — dann liegt eine Belästigung des Publikums durch die Handlung des Angeklagten vor. Daß aber derartige Bildwerke das Anstandsgefühl zu verletzen geeignet sind, daß die, wenn auch künstlerisch vollendete Wiedergabe des nackten weiblichen Körpers das Schamgefühl einer sehr großen Anzahl der bei dem Schaufenster zufällig verweilenden Personen — insbeson dere der Frauen und Kinder — schwer kränkt und diese Personen veranlaßt, sich abzuwenden und die Schrille zu beschleunigen, ergiebt sich ohne weiteres aus der Erziehung und der in der breiten Masse des Volkes Hierselbst herrschenden Anschauung. Das Sittlichkeits- und Anstandsgefühl der hier maßgebenden Allgemeinheit hat kein Verständnis dafür, daß irgend eine völlig nackte Venusdarstellung, sei sie von alten oder neueren Meistern, mit dem Bildnisse des gekreuzigten Christus als künstlerisch völlig gleichwertig — wie der Angeklagte die» bezeichnet — angesehen
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