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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 12.05.1886
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- Ausgabe
- Erscheinungsdatum
- 12.05.1886
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- Deutsch
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L508 Nichtamtlicher Teil. Hk 106, 12. Mai 168,1. Grober Unfug, begangen durch Schaustellung nackter Bildwerke der klassischen Kunst. I. Urteil des Schöffengerichts zu Köln vom 24. November 1885. Der Angeklagte Alexander Ganz wird der Verübung groben Unfugs für schuldig erklärt und deshalb zu einer Geldstrafe von fünfzig Mark, im Unvermögensfalle zu einer Haftstrafe von zehn Tagen verurteilt. — Der Angeklagte hat auch die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gründe: Der Angeklagte Ganz wird beschuldigt, in den Monaten Juli, August, September 1885 in den Schaufenstern der von ihm geführten Lengfeld'scheu Buch- und Kunsthandlung in der Schildergasse 74—76 zu Köln nackte weibliche Figuren, welche geeignet waren, öffentliches Ärgernis zu geben und solches auch ge geben haben, ausgestellt und dadurch groben Unfug verübt zu haben. Übertretung gegen Z 360 des Strafgesetzbuches. Durch die Beweisaufnahme wurde folgendes festgestellt: Angeklagter ist geständig, zu der in der Anklage angegebenen Zeit in den Schaufenstern seines Geschäftslokales unter anderen die aus Chromopasta hergestellten Figuren: 1. Tänzerin nach Canova, 36 Cm. hoch; 2. „ „ Thorwaldsen, 38 „ „ 3. Nacht „ Pradier, 65 „ „ 4. Tag „ ,, 65 „ „ 5. Venus von Milos, 87 „ „ 6. Aphrodite nach Thorwaldsen, 65 „ „ 7. Ariadne „ Dannecker, 29 „ „ 8. Die drei Grazien nach Thorwaldsen, 42 „ „ 9. Amor und Psyche „ „ 30 „ „ öffentlich ausgestellt zu haben, bestreitet aber, sich dadurch des groben Unfugs im Sinne des K 360 des Strafgesetzbuchs schuldig gemacht zu haben. Solche zum Zwecke des Kaufes gemachten Ausstellungen, bemerkt Angeklagter weiter, würden in allen größeren Städten Deutschlands unbeanstandet zugelassen, weil in denselben nichts Anstößiges und Straffälliges, sondern nur eine Hebung des Kunst sinnes zu finden sei. Daß man hier in Köln Ärgernis an der Aus stellung genommen, wisse er nicht, und sei ihm nur ein die ausge stellten Figuren betreffendes Beschwerdeschreiben zugegangen. Der Zeuge Polizeipräsident von König bekundet eidlich, daß bei ihm zwei oder drei Beschwerdeschreiben in betreff der von Ganz ausgestellten Figuren eingegangen seien, welche ihn, zumal auch die »Kölnische Volkszcitung« über die Ausstellung mißbilligende Artikel gebracht, veranlaßt hätten, an Ort und Stelle die aus gestellten Figuren in Augenschein zu nehmen. Bei dieser Gelegen heit habe er gehört, daß Leute sich mißbilligend über die Ausstellung geäußert hätten. Da auch er selbst Anstoß an der Ausstellung ge nommen, weil solche Figuren doch jedenfalls nicht in ein an der frequentesten Straße der Stadt gelegenes, jedem Vorübergehenden sofort auffallendes Schaufenster gehörten, habe er eine Störung der öffentlichen Ordnung als vorhanden annehmen müssen. Ganz sei hierauf aufgefordert worden, die Figuren aus dem Schaufenster zu entfernen, derselbe sei jedoch dieser Aufforderung nicht nachgekommen. Ein Antrag auf Verfolgung des Angeklagten auf Grund des § 184 des Strafgesetzbuchs (Ausstellung von unzüchtigen Darstel lungen) sei von den hiesigen Staatsanwaltsbehörden abgelehnt worden, weshalb Anzeige auf Grund des tz 360 des Strafgesetz buchs erfolgt. Kriminalkommissar Sperling führt folgendes an: Da Angeklagter der an ihn ergangenen Aufforderung, die in seinem Schaufenster ausgestellten Figuren, worunter auch die heute demGerichte vorgezeigten 3 Grazien, Venus und Aphrodite, Tänzerin, Amor und Psyche und Ariadne — nicht nachgekommen, habe die Entfernung polizeilicherseits stattgefunden. Zeuge sagt ferner, daß er wiederholt in der Nähe des Ganz'schen Geschäftslokals auf der Straße von Vorübergehenden auf die ausgestellten Figuren mit der Frage aufmerksam gemacht worden, ob denn eine solche Ausstellung erlaubt sei? Ihn, Zeugen, hätten derartige Fragen unangenehm berührt, und er sei deshalb auch stets mit Unbehagen an dem frag lichen Geschäftslokale vorbeigegangen. Er selbst habe aber auch, abgesehen von den ihm unliebsamen Fragen des Publikums, um deswillen Anstoß an den Figuren genommen, weil solche seiner Ansicht nach nicht in ein öffentliches Schaufenster gehörten. Die Figuren seien derart im Schaufenster aufgestellt gewesen, daß sie den Vorübergehenden sofort hätten auffallen müssen; er habe auch schon wahrgenommen, daß Leute nach Besichtigung der Figuren kopfschüttelnd vom Schaufenster weggegangen seien. Seiner Meinung nach habe die Ausstellung störend auf die öffentliche Ord nung eingewirkt. Zum Schluffe bemerkt Zeuge noch, daß sich in unmittelbarer Nähe des Ganz'schen Geschäftshauses das sehr stark besuchte Real gymnasium und die israelitische Elementarschule befänden. Es fragt sich nun, ob untergebens der Thatbestand des ß 360 des Strafgesetzbuchs nämlich des groben Unfugs als vorhanden an genommen werden muß oder nicht? Nach Ansicht des Schöffen gerichts müßte diese Frage bejaht werden. Nach einer feststehenden Judikatur werden als grober Unfug solche Handlungen angesehen, durch welche die öffentliche Ordnung der Allgemeinheit gestört wird, d. h. solche Handlungen, welche das Publikum gefährden oder ungebührlicherweise belästigen. Durch die Beweisaufnahme ist nun als thatsächlich festgestellt zu erachten, daß durch die Ausstellung der fraglichen Figuren in einem öffentlichen an einer der frequentesten Straßen Kölns gelegenen Schaufenster des Ganz'schen Geschäftshauses bei einem großen Teile des Publikums Anstoß und Ärgernis hervorgerufen worden ist, weil man in der Ausstellung der nackten weiblichen Figuren an dem vorbezeichneten Orte einen Verstoß gegen Sitte und Anstand ge funden hat. Daß in Wirklichkeit seitens des Publikums an den ausge stellten Figuren Ärgernis genommen worden ist, folgt mit Not wendigkeit aus den eidlichen Aussagen der vernommenen Zeugen, welche erklären selbst Ärgernis genommen zu haben, aus den beim Publikum wahrgenommcnen Mißfallensbezeugungen, bestehend in Kopfschütteln und abfälligen Bemerkungen über die Ausstellung, sowie aus den beim königlichen Polizeipräsidium und dem An geklagten eingelaufenen Bcschwerdeschreiben und den diesbezüg lichen beiden Artikeln in der Kölnischen Volkszeitung vom 20. Maie, und 22. Juni o. Unzweifelhaft war aber auch die fragliche Ausstellung mit Rücksicht auf die Art der Darstellung der Figuren, deren Farbe und Größe sowie besonders die Örtlichkeit und Lage der betreffenden Schaufenster geeignet Anstoß und Ärgerniß zu erregen und beson ders auf die Jugend eine nachteilige Wirkung hervorzubringen. Ob und welchen Wert die vom Angeklagten ausgestellten vorbezeich neten Figuren vom Standpunkte der Kunst hatten, und daß ähn liche Ausstellungen in anderen Städten Deutschlands angeblich unbeanstandet erfolgt sind, ist für die gegenwärtige Beurteilung unerheblich, weil untergebens nur die thatsächlich festgestellte Wir kung der Handlung des Angeklagten nach außen hin auf das Publi kum maßgebend sein kann. Die Ausstellung des Angeklagten ist demnach als eine unge-
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