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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 27.12.1883
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- Ausgabe
- Erscheinungsdatum
- 27.12.1883
- Sprache
- Deutsch
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Es gibt jedoch recht viele Ausnahmen, und die guten Bil derbücher -können zu einem schätzenswerthen Bildnngsmittel werden, sobald die Eltern resp. die Erzieher es verstehen, dem Kinde einige Anleitung zu entsprechender Betrachtung zu geben. Für die Auswahl guter Bilderbücher gilt das Folgende: die Zeichnung der vorgesührten Gegenstände hat eine durchaus correcte zu sein; sie muß sowohl auf die Fassungsgabe und die ganze eigenartige Anschauungsweise des Kindes Rücksicht nehmen, als auch die charakteristischen Merkmale des betreffenden Objectes in ausdrucksvoller Treue wiedergeben. Die vorkom menden Gegenstände selbst seien solche, die das Kind nicht (oder doch ungenügend) ans eigener Anschauung kennen lernen kann. Wo unmittelbare Anschauung zu ermöglichen ist, ist diese dem Bilde stets vorzuziehen. Das Bild enthalte indeß auch keine Gegenstände, welche dem Gesichtskreise des Kindes allzu fern liegen und in der Regel erst einem späteren Alter zugänglich und von Interesse sind. Bilderbogen und Bücher humoristischen Inhalts sind eine große Gefahr. Wirklichem Humor begegnet man so selten, daß es dringend rathsam ist, diese ganze Gattung von Sammlungen a priori von der Auswahl auszuschließen. Und ebenso verfahre man mit den haarsträubenden Jagd-, Reise- und Kriegsbildern. Sind die Bilder colorirt, so können dieselben unter Umständen eine sehr willkommene Ergänzung des Schulunterrichtes bilden und zur Belebung desselben, wie zur Entwickelung des Farbensinnes der Kinder beitragen. Es ist dann jedoch neben der Naturtreue des Colorits besonders auf Reinheit desselben zu achten und der ungetrübten Harmonie der Farben eine hervorragende Aufmerk samkeit zu widmen. Die Frage, ob das Märchen pädagogischen Werth hat und der Jugend zum Hören resp. Lesen zu empfehlen ist, ist oft besprochen worden. Campe und Rousseau waren entschiedene Gegner aller Märchen, und auch unter den jüngeren Pädagogen ist die Zahl der Gegner eine recht bedeutende (Curtmann, Oppel, Schräder rc.), wenngleich es auch nicht an Männern fehlt, die wiederum mit Wärme für das Märchen eintreten und die Verwendung desselben nicht nur zu rechtfertigen, sondern auch dringend zu empfehlen suchen (A. H. Niemeyer, Ziller, Rein rc.). Wir halten das Märchen für ein außerordentlich wichtiges Mittel, anregend auf Gemüth und Phantasie des Kin des einzuwirken. Und wenn Oppel behauptet, eine große Zahl derselben fülle die Phantasie mit häßlichen Bildern, mit Schreckgestalten, und begründe und fördere dadurch Furcht, Aengstlichkeit und die in gegenwärtiger Zeit so durchgreifend austretende Nervosität, so sind eben solche Märchen von der Auswahl auszuschließen. Denn Märchen und Märchen sind verschieden und nicht alle eignen sich und sind poetisch. Und ein großer Unterschied ist auch zwischen den Märchen der ver schiedenen Länder und Völker. Je heißer die Sonne des Landes, um so glühender gewissermaßen die Phantasie der Mär chen. Aber das Alles kann uns nur mahnen, vorsichtig zu sein mit der Wahl derselben, — mahnen, nicht hinauszuschweifen über Länder und Meere, um fremde Gluthen zu saugen, sondern daheim zu bleiben und Frohsinn und Erfrischung in den Mär- chcngebilden der Heimath zu suchen. Im klebrigen aber sind auch gesunde und aufgeweckte Kinder weit entfernt, all' die Geschich ten von Kobolden und Nixen, von Riesen und Zwergen als wahr hinzunehmen, und Niemeyer hebt mit Recht hervor, daß vor der Aufklärung über die Naturgesetze und ihre Wir kung schon im Knabenalter alle abenteuerlichen Dichtungen wie Nebel vor der Sonne verschwinden. Und zudem dürfen wir nicht vergessen: „Wir Menschen", um mit Herder zu reden, „sind einmal so organisirt, daß wir die Dichtung nicht entbehren können. Unsere Vernunft bildet sich nur durch Fictionen; wir können nie ganz ohne Dichtung sein. Im Dichten der Seele, unterstützt vom Verstände, geordnet von der Vernunft, besteht das Glück unseres Daseins. Ein Kind fühlt sich nie glücklicher, als wenn es imaginirt und sich sogar in fremde Situationen und Personen hinein dichtet." Wo aber in der Jugend die Empfänglichkeit für dichterische Tiefe und Schönheit nicht ge fördert wird, da ist es fraglos, daß das spätere Alter jeden Sinn für Poesie verloren hat. Man räume deshalb dem Märchen die ihm gebührende Stellung ein und erfreue mit dem Vortrag oder der Lectüre desselben die Jugend recht fleißig. Auch der mit dem Märchen verwandten Sage, welche dem Märchen an bildendem Werthe gleichsteht, wende man seine Aufmerksamkeit zu. Grausen er regende Stoffe werden bei beiden Formen der epischen Dichtung auf jeden Fall von der Lectüre ausgeschlossen, und kleinliche und nichtssagende nicht minder. Die sprachliche Darstellung muß voll und wohllautend und im Stande sein, etwaige Eigen- thümlichkeiten eines Gegenstandes ausdrucksvoll zur Anschauung zu bringen. Eine besondere Beachtung widme man den Erzählungen aus der Geschichte. Die geschichtlichen Erzählungen haben den Vorzug, daß in ihnen zumeist die handelnden Charaktere wie die im Verlaufe der Erzählung zur Darstellung gelangen den Verwickelungen und Lösungen wirklich bedeutend sind, wäh rend in frei erfundenen oder dem Tagesleben entnommenen Geschichten die Charaktere oft ebenso kleinlich sind, wie die eigentliche Handlung flach ist und die zu Grunde liegende Idee kindisch und nichtssagend. Ist es jedoch nicht Jedem gegeben, sich in vergangene Zeiten wirklich zu vertiefen und im Geiste gleichsam die großen Begebenheiten derselben nochmals mit- und durchzuleben, so sind diejenigen Schriftsteller, welche die Resul tate angestrengten Denkens und Forschens auch in klarer und übersichtlicher Reproduction vorzuführen wissen, noch viel selte ner, und eine verschwindend kleine Minorität ist es, die im vollen Sinne des Wortes vorurtheilsfrei zu schreiben vermag oder schreibt. Die geschichtlichen Erzählungen sind fast stets Verherr lichungen der vorgeführten Helden und Vorkommnisse; und sind sie es oft mit Recht, so gewiß nicht selten auch mit Unrecht. Am zuverlässigsten sind noch diejenigen Erzählungen, welche Epi soden aus der fremdländischen Geschichte zum Gegenstände haben und so keine Veranlassung geben, eine Verletzung irgend beson derer Parteien bezw. Persönlichkeiten befürchten zu müssen. Die Darstellungen aus der vaterländischen Geschichte leiden jedoch allzuhäufig an Ueberschwenglichkeit und Beschönigung. Sie werden zu Lobreden auf die leitenden Parteien und Persönlich keiten der Gegenwart und legen den jugendlichen Geist gleichzeitig durch Ueberschätzung der Institutionen der Vergangenheit in schäd liche Fesseln. Daß eine Erzählung aus der heimischen Geschichte von warmer Liebe getragen sein muß, ist selbstverständlich. Ein Patriotismus aber, der die Schwächen des Vaterlandes verschwei gen und in elender Schönfärbpfuscherei übertünchen zu müssen glaubt, ist Scribenten-Patriotismus und bleibe denjenigen über lassen, denen er nicht Herzenssache, sondern Sache der Klugheit und Berechnung ist. Wer es wahrhaft wohl meint mit seinem Vaterlande, wird bestrebt sein, die demselben anhaftenden Män gel, statt zu verdecken, zur Besserung und Beseitigung bloszule- gen, und wer eine historische Persönlichkeit in wahrhaft mensch licher Größe zeigen will, der wird auch ihre Schwächen und offenbaren Fehler heranzuziehen haben. — Die Zahl der hier hergehörigen Werke ist eine zu große, als daß wir auf Nam-
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