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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 01.10.1855
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- Ausgabe
- Erscheinungsdatum
- 01.10.1855
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- Deutsch
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1704 sM 124 Es liegt nicht drinn, so wie der deutsche Buchhandel jetzt da- steht mit seinem Markte, oder mit anderen Worten: Die Production steht nicht im Verhältnisse zur Consumtion- Das ist der Krebsschaden unseres Geschäftes, man mag die Sache hinten oder vorne und von allen Seiten hin und her bcsehn. Wir haben aber viele Idealisten, Theoretiker, Phantasten unter uns, die suchen stets den Grund in anderen Sachen, in un serer Organisation, in unseren Usancen sogar, dann auch Viele wie der, die schieben cs der Trägheit, der Ungeschicklichkeit, der Unbe- bolfenheit der einen Mitglieder unseres Standes (den Herren Sortimentern) in die Schuhe*); Andere wieder dem Mangel an Betriebs-Capitalien — den Zeitverhältnissen — den Antiquaren — den Veclagsuntcrnehmungen der Sortimenter **) — und wer weiß wem noch — und doch ist und bleibt das einzige wahre und große Uebcl die Production über das Bcdürfniß hinaus, die schon seit Jahren, seit vielen Jahren bestanden hat, und sie erst hat alle anderen genannten Uebel, die secundairer, abstammender Natur sind, hervorgebracht. Wir produciren zu viel, das ist das Uebel in seiner ganzen Nacktheit! Und sind wir nicht Thoren, daß wir es thun, immerfort thun, bevor noch die Absatzquellcn sich vermehrt haben ? Sind wir nicht Thoren alle Jahr, eine übergroße Zahl Nummern zu spielen in der großen deutschen literarischen Lotterie, von der wir wissen, baß unter 100 Loosen etwa nur 10 den Einsatz wieder bekommen und unter dieser kleinen Summe 10 nur auf das eine oder andere ein erklecklicher Gewinn fällt? Sind wir nicht Thoren, mit übermäßiger Nummernbetheiligung dem Glücksrade uns anzuvertrauen, das in seinem Innern 9/10tel Nieten hat? Vom Standpunkte unserer Productions fähigkeit aus betrach tet, dürfen wir wohl mit einem gewissen Stolze auf unsere Tausende jährlich erzeugter Artikel Hinweisen, denn keine Nation macht's uns hierin nach, aber als Kaufleute, als gewinnen wollende Speculanten dürfen wir nur mit Beschämung auf die Dickleibigkeit unserer Ka taloge sehen, denn sie sind Zeugniß unserer Armuth in richtiger An schauung und Würdigung der einmal doch nur vorhandenen Be dürfnisse. Wie sollen wir dieses ändern? Dadurch: Daß namentlich wir Verleger uns mäßigen im Verlegen***), daß wir aufhbrcn, Jahr aus Jahr ein an Illusionen uns *) Aber mit Unrecht, denn die Sortimenter, in ihrer Gesammtheit natürlich genommen, sind nicht faul — sie senden fleißig zur Ansicht aus, lassen annonciren, colportiren, lassen kein Mittel zum Absätze un benutzt. — Intelligenz ist genug dafür bei ihnen vorhanden, um Bücher 'abzusetzen, aber sie können es nicht zwingen. Wenn Auerbach's Keller -in Leipzig nur einmal ,,frische Austern so eben eingetroffen" kurz an zeigt, schnell ist Appetit da, sehr bald ist's Lager geräumt — wir kön nen aber noch so oft ankündigen „so eben ist erschienen" rc. in ellen langer Weise — kein Appetit zeigt sich, unser Lager wird nicht ge räumt. Die Ansprüche der Zunge und des Magens vertreten den An sprüchen des Geistes stets den Weg. Ein neuer Häring hat mehr In teresse als ein neues Buch. Das bessere, wer es kann, ich glaube an Besserung nicht, denn der Magen wird stets bei Conflicten der Herrscher bleiben und es gehört zu größerer Kauflust eine ganz neue, eigens dafür erzogene Generation. **) Die Sortimenter haben von jeher mit in die Wette verlegt, früher waren diese Branchen ja gar nicht einmal so getrennt wie jetzt, und ein netter, solider Orts- oder Provinzial-Verlag ist dem Sorti menter von großer Bedeutung. Wer will's den Sortimentern verargen, daß auch sie ihr Glück versuchen? sind sie doch berechtigt dazu, ***) Dann wird auch das wieder peu a p«u eintreten, was Herr vr. Romberg so sehr wünscht, daß nämlich nach älteren Büchern Nach frage kommt, daß die Herren Sortimenter auch ältere Werke fest auf's Lager legen. Aber so, wie es jetzt steht: wenn heute der Sortimenter Alles remittirt hat, nach kaum vier Wochen hat er seinen Laden wieder mager zu essen, dadurch, daß wir überhaupt praktischer werden und nicht viele goldene Früchte von einem Baume zu ernten verlangen, der solche nur unter ganz besonders günstigen Witterungsverhältniffcn, deren einige im Jahre tragen kann. Dadurch ferner: Daß wir, Verleger wie Sortimenter, zu der Uebervdlkerung in unserm Geschäfte nicht beitragen durch Heranbildung von Zöglingen in Masse. Dienen uns diese zwei Punkte fortan zur Richtschnur, dann werden wir zur Verbesserung unserer Lage nach und nach beitragen — langsam wird's freilich gehen, aber anders gcht's eben nicht. Alle Uebel dann, die etwa aus tadclnswerthen Usancen bestehen, oder die in der cigenthümlichen Organisation unseres Geschäftes ihre Begründung haben können und mögen, werden dann leichter zu ertragen sein und ihren Druck verlieren. So lange indeß unser Markt kein größerer ist, hüten wir uns vor Ueberführung desselben. Herr Ur. Romberg freilich giebt uns im ersten Bogen seiner Eircularschrift einen derben Vorwurf in dieser Beziehung, er meint, wir müßten die Sache selbst in die Hand nehmen und einen größern Markt schaffen durch Gründung neuer Sortimentshandlun gen in Deutschland*) und Amerika. So schön und verführerisch das gedruckt aussieht, so streift es doch zu sehr an dasjenige Reich, wofür Hr. Ur. Rombcrg uns an anderer Stelle warnt, es streift an das Reich der Illusionen, ja ich meine sogar, es gehöre diese schöne Ansicht so ganz und gar in das Reich der Illusionen. Ein Bedürfniß, wo cs wirklich vorhanden, sucht Mittel und Wege auf, damit cs Befriedigung finde in der einen oder andern Weise. Der Hungrige sucht Arbeit, um vermittelst der Arbeit Geld zu erlangen, wofür er Speise eintauschen kann; findet er keine Arbeit, so wird er sich das Brod erbetteln, oder auch das Geld zum Brode zu entleihen suchen; schlägt ihm auch dieses fehl, nun so wird cr's stehlen, wenn's ihm möglich. Dabei braucht aber nicht in Abrede gestellt zu werden, daß man lit. Bedürfnisse durch geschickte Manö ver Hervorrufen oder vermehren kann- Zum Schluß könnte ich nun noch Mancherlei anführen, was außer der Ueberpro d uction und Ucbervölkerung aus unser Geschäft nachtheilig wirkt, bereits lange Zeit hindurch eingewirkt hat, z. B. unsere Armuth an gediegenen Autoren, resp. Manuskripten, — die erhöhten Productionskostcn durch elegantere Ausstattung, durch höhere Druck- und Papierpreise, durch höhere Honorare bei nicht mit zugleich höher gewordenen Verkaufspreisen — die anhaltend thcuren Zeiten und in Folge derselben die Unlust des Publikums zum Kauf von Büchern — die bereits erfolgte Ausbeutung fast aller guten voll von neuen Werken aus fast allen Branchen. Wir vertreiben ja selbst immer wieder unsere neuen Artikel durch neuere, cs ist eine wahre Hetz- und Parforcejagd! *) In Deutschland? Ich meine, es wären genug Sortiments- Händler drinnen, und dann ist wohl die Ansicht nicht die richtige, daß man glaubt, diejenigen Städte, worin noch keine Sortimcntshandlung bestehe, seien bar allen lit. Verkehrs. O nein! Diese Städte wer den wieder durch Nachbarstädte versorgt; gründen wir aber in jeder Stadt eine Handlung, so verlieren ja wieder andere Handlungen dabei, welche jene Städte bis jetzt mit Literatur versahen und der Ver lagshandel würde, so glaube ich, nicht besser dran sein, denn in kleinen Städten giebt's einmal nicht genug Literaturfreunde, um ein eigenes Geschäft zu erhalten. Herr vr. Romberg meint auch, daß man da, wo faule Handlungen vorhanden, fleißige daneben setzen, oder man zu rückgegangene durch Unterstützungen wieder heben sollte. Ich frage: wann und wo hieranfangen, wieweit darin gehen, w ann aufhdren, wie überhaupt cs können und dürfen? Mir reiner Rebus.
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