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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 31.03.1920
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1920-03-31
- Erscheinungsdatum
- 31.03.1920
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- Deutsch
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Meine Damen und Herren! Diese Ausführungen unterschreibe ich voll ständig, und nachdem ich die Rede des Herrn Vorredners gehört habe, unterschreibe ich den Satz, daß wir leine Geschichtsbücher im Sinne der Sozialdemokratie wünschen, noch dicker. (Sehr gut! im Zentrum) Wenn der Herr Vorredner über dicke Bücher geklagt hat. möchte lch Las Geschichtsbuch sehen, in das alles das, was er will, hineingeschrie ben worden ist. (Zuruf bei der Sozialdemokratischen Partei) — Sie haben eben von den Geschichtsbüchern in der Schule gesprochen. (Erneuter Zuruf bei der Sozialdemokratischen Partei) — Sie haben angeführt, was nach Ihrer Meinung in ein Geschichtsbuch hineingehörte. (Zuruf) Daun haben Sie bas wohl noch sagen wollen, haben es aber vergessen. (Zuruf bei der Sozialdemokratischen Partei) — Ich wüßte wirtlich nicht, was darin unhöflich ist. Ich habe aus drücklich gesagt, daß der Vorredner es hat sagen wollen, aber ver gessen hat. (Zuruf bei der Sozialdemokratischen Partei) — Hat er es gesagt- Ich habe es anders verstanden, aber nichts hat mir ferner gelegen, als irgendeine Beleidigung oder Kränkung. Ich betone aber ausdrücklich, daß, wenn wir keine Lehrbücher im Sinne eines sozialistischen Ministeriums haben wollen, wir ebensowenig Lehr bücher im Sinne einer dcutschnationalen oder ähnlichen Richtung haben wollen. Das mochte ich gern scharf betonen. Herr Boelitz hat neulich ge sagt, daß ihm nichts ferner liege, und auch wohl seinen Fraktionsgenos sen, als Knltnrkampfgelüste, und ich glaube das dem Herrn Kollegen Boelitz für seine Person und für viele andere aufs Wort. Aber, meine verehrten Herren, wir erleben es heute schon, daß in der Presse, die der Deutschnationalen Partei nahestcht oder sich deutschnational nennt, und in deutschnationalen Versammlungen die katholische Kirche und die Katholiken Deutschlands für den Ausbruch des Krieges und seinen traurigen Ausgang verantwortlich gemacht werden. (Hört, hört! im Zentrum) Der evangelische Pfarrer Marschall hat am 1. November 1919 im »Evangelischen Gesellenfrennd«, dem Organ des Verbandes evangeli scher Gesellenvereine Deutschlands, einen Aufsatz veröffentlicht, in wel chem es heißt: Der große Krieg brach aus. Hinter England, dem eigentlichen Urheber, dem neiüvollcn Kaufmann, stand nicht nur Frankreich, Rußland, Italien, Amerika, sondern vor allem auch Nom, das seine Stunde kommen sah. (Hört, hört! im Zentrum) Weiter schreibt dann der Pfarrer: Organisiert, wenn cs sein muß, eine große evangelische Partei! In der deutschnationalen Volkspartei ist eine solche fast schon in die Erscheinung getreten. Doch soll gegen die Deutsche Volks partei damit nichts gesagt sein, doch tritt bei der erstercn der protestantische Standpunkt stärker hervor. In einer Versammlung in Altona hat der deutschnationale Abgeord nete v. Gräfe geäußert, das Judentum und der im Zentrum verkörperte Katholizismus ständen im Dienst der Entente, welche die religiösen Ele mente in unserem deutschen Vaterland gegeneinander ausspielte. (Hört, hört!) Am 2. Februar d. I. hielt Oberst Bauer, Mitarbeiter des Generals Ludendorff, in einer Versammlung der Deutschnationalen in Altona einen Vortrag, in welchem er die Behauptung aufstellte, daß katholische Einflüsse die Friedcnsmöglichkeit, die 1916 mit dem russischen Zaren bestanden habe, beseitigten, indem die Katholiken auf Einrichtung eines katholischen Königreichs Polen bestanden hätten. (Hört, hört! im Zentrum — Zurufe) — Meine Damen und Herren, Sie werden verstehen, wenn wir uns gegen Geschichtsbücher wehren, die in diesem Sinne abgefaßt sind. (Zuruf rechts: Das sind vereinzelte Äußerungen!) — Wollen Sie noch mehr haben? Ich bin gern bereit, Ihnen noch weitere zu nennen, ich habe noch verschiedene Zeitungen hier. Ver einzelt ist die Sache leider nicht. (Wiederholte Zurufe rechts) — Ich freue mich, daß Sie Herrn v. Gräfe ablehnen — dafür bin ich Ihnen sehr dankbar — nnd daß Sie auch Oberst Bauer ablehnen. (Zuruf: Wir sprechen über Geschichtsbücher! Glocke des Präsidenten) Vizepräsident vr. v. Kries (den Redner unterbrechend): Ich bitte, den Herrn Redner nicht immer zu unterbrechen. Wildermann, Abaeordneter (Zentr.) (fortfahrcnd): Wir wol len also kein Geschichtsbuchmonopol und überhaupt keine Geschichts bücher, die von einem Parteistandpunkt aus abgefaßt sind. (Sehr richtig! rechts) Ich betone, daß wir der Gefahr nicht so ganz fern sind. Ich unter schreibe aber auch die Äußerung des Herrn Kollegen Boelitz, die ich schon vorgelesen habe: wir wollen überhaupt leine dicken Geschichts bücher; sie sind viel zu dick geworden. Wir meinen, wie auch der Herr Vorredner, daß es sehr wohl möglich ist, eine Arr Leitfaden zu schaf fen, oder, wie Thiele in der Monatsschrift für die höheren Schulen aus führt, Lehrbücher herzustellen, die unter Verzicht auf eine ausführliche pragmatische Erzählung eine Art Mischung von Text, Tabellen und eventuell Quellenbuch darstellen. Aber daß cs nicht möglich ist, solche Bücher von heute auf morgen herzustellen, darüber werden wir einig sein. Vor allem betone ich, daß, solange die Neichsschulkonserenz nicht stattgefunden hat und man sich noch nicht über die ganze Gestaltung des Schulwesens in der näch sten Zeit klar geworden ist, niemand an die Gestaltung der Geschichts bücher Herangehen kann, weil er sich sagen muß: vielleicht ist die ganze Arbeit umsonst. Deswegen sage ich, es muß für die Übergangszeit Rat geschasst werden, und da meine ich, daß sich kein anderer Rat finden lassen wird, als daß man lediglich verfügt, daß die Schüler nicht mehr gezwungen werden, bestimmte Bücher anzuschaffen und sie im Unterricht zu gebrauchen. Daneben kann der Lehrer selbstver ständlich sein Buch gebrauchen. Es ist aber nach meiner Meinung und nach Meinung vieler Fachgenosscu noch viel besser, der Lehrer unter richtet ohne Buch, als daß aus dem Buche vorgelcsen wird, was leider vielfach geschieht. Es ist das sicher kein allgemeiner Vorwurf, den ich erheben will, das weiß ich wohl. Man soll bis dahin die Sache ruhen lassen und keinen Zwang ans die Schüler ausüben. Mit dieser Bestimmung sind wir durchaus einverstanden. Ich glaube, dem Buchhandel wird dadurch auch keiu großer Schaden entstehen, weil die Schüler sich doch Geschichtsbücher anschasfen werden, und weil zweitens, wie ich hoffe, der Lehrer den Schülern mehr Geschichtslescbücher empfehlen und dabei unparteiisch genug sein wird, den Schülern zu sagen: es gibt Geschichtslesebllcher, die vom evange lischen Standpunkt, oder solche, die vom katholischen Standpunkt oder noch von einem anderen Standpunkt aus geschrieben sind, das sind die und die, die schaffen Sie sich an. Das wird dem Geschichtsunter richt nur dienen. Jedenfalls sind wir für die Übergangszeit mit der Verfügung des Herrn Ministers einverstanden. (Bravo! im Zentrum) Vizepräsident Or. v. Kries: Das Wort hat der Abge ordnete Sommer. Sommer, Abgeordneter (D. Dem.): Meine Damen und Her ren, meine politischen Parteifreunde bedauern den Ministerialerlaß vom 6. Dezember des Vorjahres deswegen insbesondere, weil er sich doch in einen gar zu krassen Widerspruch stellt zu der Äußerung desselben Ministeriums vom Januar des Vorjahres dem Verlegervcrbande gegenüber. ^)iese Erscheinung gibt wieder das Bild einer vollständigen klnsicherheik^iiid llnstetigkeit in dem Ministerium. Es ist, als ob ge rade das Schiff, das Herr Minister Haenisch zu leiten berufen ist, sich eines besonders unsicheren Kurses erfreue; des Schlingerns will gar kein Ende werden, nnd darin sehen wir einen sehr großen Fehler. Denn gerade wo wir jetzt in der Wiederaufbauarbeit stehen und die ersten F-uudamentsteine und Fundamentlinien legen wollen, ist Stetig keit, ist Planmäßigkeit entschiedenes und erstes Gebot. Das vermissen wir. Wir verkennen gar nicht die Fülle von ungemein schwierigen und wichtigen Aufgaben, die dem Ministerium obliegen; aber vergessen wir nicht, es sind dankbare Aufgaben, und die müssen nach jeder Seite hin auch bis ins Kleinste sorgfältig vorbereitet werden. Der Herr Ministerialdirektor sagte heute, daß er zugebe, daß vor dem Erlaß eine Fühlungnahme mit den Verlegern hätte stattfinden müssen. Ja, das würde doch nicht allein genügt haben; denn die Frage ist doch schließlich nicht allein bloß eine Verlcgcrfrage, eine rein buchhänülerischc Geschäftslage, sondern eine Frage von einem eminent pädagogischen Interesse, und wir unsererseits hätten gewünscht, daß der Herr Minister vor Abfassung dieses Erlasses erst die pädagogischen Berufsorganisationen auch zu Rate gezogen hätte. Ich bin fest über zeugt, man hätte ihm einen anderen Weg gewiesen, und wir hätten uns heute diese Debatte ersparen können. Wenn gesagt wird, daß man im Kultusministerium — so ist mir erzählt worden, und das wäre inter essant — die Antwort ans die Anfrage des Verlcgerbnndes vom 2. Januar 1918 vergessen hätte, (hört, hört!) so muß ich daraufhin sagen: Professorales, allzu Profcssorales! Ich glaube, die holde Tugend der Vergeßlichkeit dürfte sich im Kultusmini sterium nicht in dieser Weise brcitmachcn. Wir bedauern diesen Erlaß, weil durch ihn — ob dem widersprochen wird oder nicht, so steht die Tatsache doch fest nnd wird in den be treffenden Kreisen immer wieder hervorgehoben — der Buchhandel um etwa eine Million geschädigt worden ist. Wenn man bedenkt, daß gerade der deutsche Buchhandel eine derjenigen Erscheinungen ist, auf welche wir mit Recht stolz sein durften — die meisten der Herren wer den ja wohl Gelegenheit genommen haben, die sogenannte Bngra in ; Leipzig vor Ausbruch des Weltkrieges zu besuchen, nnd werden wohl 291
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