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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 16.06.1873
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- Ausgabe
- Erscheinungsdatum
- 16.06.1873
- Sprache
- Deutsch
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Nichtamtlicher Theil. Das neue Preßgesctz und der deutsche Vrrlagsbuchhandel. Der soeben publicirte Entwurf eines neuen deutschen Paß gesetzes hat unter tz, 30. 2v den Emzelstaaten die unbeschränkte Be- fugniß gelassen, die Abgabe von Freiexemplaren an Bibliotheken und öffentliche Sammlungen beizubehalten, oder wenn jene bereits abge schafft sein sollte, sie im Wege der Specialgesctzgebung wieder einzu führen. Der producirende Verlagsbuchhandel soll also eine Steuer, und zwar eine für den Verleger wissenschaftlicher Literatur vorzugs weise drückende Steuer dauernd behalten, trotzdem auch seinem Ge werbe durch Z. 7. 6. der deutschen Gewerbeordnung ausdrücklich gewährleistet ist, daß spätestens vom 1. Januar 18 73 ab, insofern die Landesgesetze solches nicht schon früher ver fügt haben, aufgehoben sein sollen „alle Abgaben, welche für den Betrieb eines Gewerbes entrichtet werden, sowie die Berechtigung dergleichen aufzuerlegen, vorbehaltlich der an den Staat und die Gemeinde zu entrichtenden Ge werbesteuer". Wie kommt es nun, daß gerade in dem Staate, den man vor zugsweise als Repräsentanten der Intelligenz anzusehen gewohnt ist, gerade das Gewerbe mit einer besonderen Steuer belastet wird, welches seither mehr wie jedes andere mit bewußter Hintansetzung kaufmännischer Erwägungen aus idealem Streben die Wissenschaft da unterstützt und wissenschaftliche Unternehmungen getragen und möglich gemacht hat, wo der Staat selbst und gelehrte Corporationen den Schriftsteller im Stiche ließen? Kennt man in den Kreisen des preußischen Justizministeriums oder des Reichskanzlcramtes, welche den Entwurf bearbeitet haben, die Verhältnisse des deutschen Verlagsbuchhandels so wenig, daß man gerade diejenige Richtung in demselben schädigt, welche man zu unterstützen alle Ursache hätte? Fast überall, wo das Berlagsgeschäft finanzielle Erfolge erzielt, ist es auf Massenproduction basirt, indem es für den eigentlichen Bedarf des Publicums arbeitet, sei es durch den Verlag von Schulbüchern, Compendien und technischen Werken, oder indem es durch populäre Unternehmungen sich dem jeweiligen Geschmack der großen Menge anbequemt, und hierbei die Auflagen nach Tausenden und Hunderttausenden calculirt. Hier wird die Ab gabe eines oder mehrerer Pflichtexemplare für den Producenten stets ohne alles Gewicht sein, aber sie hat ebenso wenig Werth für die Bibliotheken, zu deren Gunsten die Abgabe erfolgt. Völlig anders dagegen stellt sich die Sache bei denjenigen immer spärlicher werdenden Firmen, welche es seither für einen Ehrenpunkt betrachteten, durch Uebcrnahme gelehrter Werke den deutschen Buchhandel nach der Seite hin zu repräsentiren, welche nicht für den Bedarf der Menge, sondern für den Luxus einer unter dem Druck der äußeren Verhältnisse ebenfalls von Jahr zu Jahr zusammenschrumpscnden Gemeinde von gelehrten Bücherfreunden und Forschern arbeitet. Schwere sprachwissenschaftliche, historische Untersuchungen oder juristische Monographien werden nur noch in wenigen hundert Exemplaren abgezogen, und der Verleger wird oft zufrieden sein, wenn er durch den Absatz von 80 bis 100 Exem plaren wenigstens den größeren Theil seiner baaren Auslagen deckt. Wir haben in Deutschland noch keine englischen Verhältnisse, wo der Gentleman als solcher — sei er Landedelmann, Industrieller oder Kaufmann — auf den Besitz eines Bibliothekszimmers Werth legt; unsere reichen Leute kennen diesen Luxus noch nicht, und unsere Ge lehrten sind vom Staate nicht so gestellt, daß sie sich bei den An forderungen, welche das Leben an den Unterhalt der Familie macht, diesen Luxus gestatten dürften. Pfarrer, Gymnasiallehrer, Beamte überhaupt, welche vor Zeiten vorzugsweise die Abnehmer wissen schaftlicher Literatur waren, müssen sich darauf beschränken, wenn sie überhaupt wissenschaftlich fortarbeiten wollen, das Nothwendigste zu kaufen, und das, was sie nicht kaufen können, den öffentlichen Biblio theken zu entlehnen. Der Verleger wissenschaftlicher Literatur ist also für den Absatz seiner Produkte hauptsächlich auf den Ankauf durch Bibliotheken angewiesen. Aber nicht in dieser Beziehung allein haben sich die Verhält nisse im Laufe der letzten Jahrzehende immer mehr zu Ungunsten des wissenschaftlichen Verlagsbuchhandels geändert. Das Ueber- wuchern der periodischen Literatur hat dem größeren Publicum fast die Möglichkeit benommen, sich in die Lectüre gehaltvoller Werke zu vertiefen. Welcher Geschäftsmann — und fast will cs scheinen, als würde bei der materiellen Richtung der Zeit auch der gelehrte Beruf und die Stellung des Beamten zuni Geschäfte — ist noch im Stande, neben seiner Localzeitung und dem größeren poli tischen Blatte seiner Farbe, neben einigen Fach- und politischen Journalen, die ihm, wenn er sie nicht selbst hält, durch einen Lesezirkel zugänglich gemacht werden, noch Bücher zu lesen und durch zuarbeiten? Die leichterworbenen Kenntnisse, welche die periodische Literatur in angenehmer und zerstreuender Abwechselung bietet, ver hindern die Vertiefung in besondere Materien, verringern die Lec türe und dadurch den Absatz ernsterer Bücher. Wenn also letzterer sich immer mehr auf die öffentlichen Bibliotheken beschränkt, sollte der Staat nicht vielmehr die Verpflichtung haben, sic und seine gelehrten Corporationen durch bessere Dotirung ihrer Fonds in den Stand zu setzen, daß sie die selbstlosen und der Wissenschaft dienenden Be strebungen des gelehrten Verlagsbuchhandels durch Ankauf unter stützen, anstatt daß er sie durch die Auflage von sogenannten Pflicht exemplaren doppelt besteuert? Man wende nicht ein, daß die Abgabe einiger Freiexemplare kein Opfer sei. Denn wer die Verhältnisse im Buchhandel kennt, weiß, wie hoch sich für einzelne Verlagsgcschäfte die Abgabe zweier Freiexemplare beziffert. Wir wollen hier nur als Beispiel ein be kanntes Berlagsgeschäft unserer Provinz anführen, welches im Laufe des Jahres 1872 70 verschiedene neue Werke, neue Auflagen und Zeitschriften im Ladenpreise von ca. 66 Thlrn. verlegte, so daß sich die Steuer an die königliche Bibliothek in Berlin und die Univer sitätsbibliothek in der Provinz auf ca. 130 Thlr. beziffert. Wir fragen: ist es billig, einem einzelnen Geschäfte gerade für diejenige Branche, welche schwerlich auch die kühnsten Vertheidiger der Pflichtexemplare rentabel nennen werden, eine solche besondere Steuer auszunöthigen? Würde man nicht mit demselben Rechte dem Maschinenfabrikanten, der eine nach neuem Systeme gebaute Loco- motive oder einen neuen Pflug in den Handel bringt, die Verpflich tung auferlegen können, ein Probeexemplar an das Berliner, und ein zweites an ein Provinzial-Gcwcrbemuseum zu liefern? Wir be absichtigen durch statistische Erhebungen möglichst genau den Werth der Verlagsproduction eines Jahres in Deutschland festzustellcn, und behalten uns vor, s. Zt. das Resultat unserer Erhebungen mit- zutheilen. Zu dem allen kommt noch die enorme Steigerung, welche gerade die Herstellung wissenschaftlicher, niit besonderen Schwierigkeiten zu setzender Werke im Laufe der letzten Jahre betroffen hat. Der Ver fasser des Preßgesctzcntwurfs hätte sich unschwer bei jedem Berliner Buchdrucker informiren können, daß diese Steigerung im Laufe der letzten Jahre nahezu 100 Procent betragen hat, und mit Recht. Denn während früher der Setzer schwieriger Werke durch einen mög lichst ungünstigen Tarif im Gegensatz zu dem bei glatten Werken und gar bei Zeitungen beschäftigten Arbeiter so schlecht gestellt war, daß er für seine mühevolle Arbeit weniger verdiente, als ein halbwegs
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