Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 11.07.1870
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- 11.07.1870
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2324 Nichtamtlicher Thcil. 156, 11. Juli. abzustumpfen. Wer sich das nicht wollte gefallen lassen, wer das Unglück hatte, seinen Kunsttrieb nicht unterdrücken zu können, der mußte mit oder ohne Geld auswandcrn nach jenem Eldorado, Paris, das unersättlich jede Kraft gebrauchen kann, sofern es nur eine Kraft ist, oder nach London. Und gewöhnlich lohnte sich die Auswanderung. Man fand Beschäftigung, und was mehr Werth war als das, man fand für den innersten unwiderstehlichen Erfindungstrieb tagtäglich immer neue nützliche Nahrung und Anregung, Wetteifer und eine Erleichterung zur Anschaffung und Benutzung der Bildungsmittel, welche die heimischen Zustände schwarz und schwärzer erscheinen ließ. Vielen erging cs dann wie den Gefährten des Odysseus bei den Lotophage». Wer von dem Lotos gegessen hatte, der vergaß sein Vaterland! Darf man sie darob tadeln? Seitdem aber selbst in Paris der Deutsche sich wieder als Deutscher fühlen kann, ist bei Vielen der Wunsch rege geworden: könnten wir doch wieder zurück- kehrcn! So bestrafte die unerbittliche Konsequenz dieses Gesetzes Diejenigen, die es wagten, sich auszubilden, mit Verarmung, mit geistigem Ruin oder mit Auswanderung. Von den 100,000 Deut schen, die in Paris leben, sind über 60,000 Handwerker, und was für geschickte, geschätzte Handwerker! Ueberall erkennt man die deutsche Hand. Und wenn ich vorhin behauptete, daß nur die Fran zosen mit ihrem vollen Kunstvermögen arbeiteten, so habe ich zu wenig gesagt, sic nehmen noch dazu einen großen, den besten Theil unserer ausgebildeten Kraft, sowie den anderer Völker, Italiener, Spanier, Schweizer re. Dies alles gibt zusammcngeschweißt die französische Industrie, deren wirkliche Leistungsfähigkeit nicht N von dem beträgt, was sie scheint, '/s gehört anderen Nationen an. Werden diese Verhältnisse sich ändern, wenn es dem Handels ministerium gelingt, den Kunstschatz des deutschen Volkes, diesen Nibelungenhort, durch Unterricht zu heben? Das Uebel wird viel schlimmer werden. Die besser ausge- bildetcn jungen Leute werden deshalb nicht umsonst arbeiten, die Fabrikanten deshalb nicht das thcurcr bezahlen wollen, was sie billiger durch Nachformen haben können. Wandertc man früher mit schwerem Herzen aus, so thut man es jetzt mit leichtem, denn bei den schnellen und billigen Verkehrsmitteln kann man bald wieder heimkchren. Durch den Umschwung, den das Kunstgefühl in ganz Europa erlitten, sind künstlerische Kräfte doppelt geschätzt und gesucht, und schließlich — braucht man gar nicht einmal auszuwandern. Durch die literarische Convention mit Frankreich, welche den deutschen Künstlern dort die Rechte eines Franzosen, den französischen bei uns die Rechte eines Deutschen beilegt, ist ein wunderliches Verhältniß eingetreten. Den angestrebten wahren Nutzen und Austausch hätte dieser Vertrag, wenn die Gesetzgebung beider Länder eine gleiche wäre. Jetzt aber genießen die französischen Werke bei uns sehr wenig Rechte, die unsrigen bei ihnen recht viele, noch dazu, da die Eintra- gungsformalilätenvon hieraus mit wenig Umständen können betrieben werden. Dadurch haben wir uns fremder Hilfe beraubt, können aber selbst dieselbe den Franzosen bringen. Dies geschieht auch schon jetzt. Bei zunehmender Ausbildung der Handwerker wird also beides wachsen, die Modellausführung und die Auswanderung. Der hei mischen Industrie fallen die Abschnitzel zu. Der reiche deutsche Mann beseht seinen Tisch mit den besten Speisen, ladet fremde Gäste ein, seht sich aber nicht mit zu Tisch, sondern begnügt sich mit den Brosamen, die ihm zugcworfen werden. Das schon jetzt so schwer lastende Ucbergewicht des Auslandes wird also mit unseren eigenen Kräften inehr und mehr verstärkt werden, und man will Soldaten drillen, um sie der fremden, mit uns im Kriege begriffenen Armee zuzuführen. Nichts Besseres kann man zur Stärkung Frank reichs ersinnen, als unsere Schulen verbessern und dabei unsere jetzige Gesetzgebung aufrecht zu erhalten. Dagegen wird man die Genugthuung haben, einen neuen Ex portartikel in Schwung gebracht zu haben: den Erport von Mo dellen und kunstgewerblich ausgebildeten Handwerkern. Denkt man dabei nicht unwillkürlich an die Erklärung der Schildbürger, warum bei ihnen die Weisheit fehle? Die Betheiligung wirklich bedeutender Künstler wird aber nicht erreicht werden. Diese werden sich immer nur nebensächlich mit der Industrie beschäftigen können. Trotzdem ist ihre Betheiligung immer von durchschlagendster Wirkung gewesen. Man denke nur z. B. an Mino da Ficsole, Raphael, Michelangelo, Dürer, Holbein, Schlüter u. s. w. Möglich ist dies nur in Zeiten, in denen man die Kunst als nntheilbarcs Ganzes betrachtet. So lange das Gesetz die künstliche Scheidewand aufrecht erhält, wird man darauf verzichten müssen. Ohne Acnderung der Gesetzgebung ist also von keinem Kunstaufschwung zu unserm Nutzen die Rede. Was wird nun aber geschehen, wenn den Wünschen der Künst- lcrNcchnung getragen ist? WelcheBedenkenhatmandennerhobcn? Da ist zuerst gesagt worden, das Interesse der Gesammtheit leide darunter. Nichts ist unrichtiger als dies! Das Experiment, das man seit 1837 gemacht, hat für die Gesammtheit folgendes Re sultat gehabt: Schmälerung des Absatzes, Abhängigkeit von der aus ländischen Production, und Zwang, den eigenen Bedarf im Ausland zu decken und zwar in den Ländern, in welchen sogar Musterschutz besteht; Geringschätzung des eigenen Talents. Nicht schärfer kann das eigene Land vcrurtheilcn, als, indem es sich abwcndet von den heimischen Erzeugnissen, nicht schärfer das Ausland, als indem es eigene Wohl kauft, deutsche aber nicht. Will aber das Publicum trotzdem deutsche Arbeiten haben, dann wird es durch dies Gesetz allgemein beeinträchtigt. Es muß in jedem Falle die ganzen Modellkosten bezahlen, die viel höher bei uns sind als in anderen Ländern, da es weniger Concurrcnz gibt. In Frankreich, England rc. zahlt es dagegen die Modellkosten dividirt durch die Anzahl der Exemplare, die der Fabrikant abzusetzen gedenkt. Jeder, der sich in solchen Fällen befunden, wird davon viel zu erzäh len haben. Oder soll man auf den Fabrikanten Rücksicht nehmen? Für Diejenigen, die nur von Nachdruck leben, wird es materielle Nachtheile haben. Will man das etwa bedauern? Hat man etwa Lust, das Privi legium Denjenigen, die nicht erfinden können oder wollen, also den Unfähigen und Lässigen, gegenüber Denjenigen, die es wollen und können, also den Fähigen und Fleißigen, aufrecht zu erhalten? Oder findet man es etwa in der Ordnung, daß jeder Mensch sein Brot ka ufen muß, diesen Fabrikanten es aber von den Künstlern um sonst soll gebacken werden? Wir wollen sie nicht tadeln, sie machen sich die Folgen eines schlechten Gesetzes zu Nutze, aber sie werden sich entschließen müssen, die Hilfe, die sie bereitwillig der Wissenschaft zahlen, von der Kunst nicht umsonst zu verlangen. Die einsichtigen Gewerbetreibenden dagegen sind ganz damit einverstanden! Wie gern möchten sie künstlerische Kräfte verwenden, wenn sie nicht immer das Damoklesschwert der Nachbildner über sich schweben sähen. Wollen sie durchaus eigenes Neues bringen, so müssen sie sehr behutsam verfahren. Ganz heimlich wird gearbeitet, Niemand darf es wissen. Plötzlich tritt man dann mit einer Masse von Exemplaren auf den Markt, um wenigstens den ersten Reiz der Neuheit für sich auszunutzen. Man muß auf einen starken, einmaligen Absatz spcculiren, und dadurch sind die besten Werke ausgeschlossen, die sich erst allmählich verkaufen lassen. Wozu soll das Alles? In anderen Ländern gibt es einer Firma Ruf und Absatz, wenn man weiß, welcher tüchtige Künstler für sie arbeitet, der Künstler läßt es sich nicht nehmen, seinen Namen neben den des Fabrikanten auf den Gegenstand zu setzen. Das gibt Wetteifer, das gibt Leben! Wenn man erst allgemein weiß, daß der Nachbildncr bestraft wird, so fällt es schließlich Keinem mehr ein, nachzubildcn. Jeder sucht selber zu erfinden, und das gibt die richtige Ausbildung. Es sind ferner Bedenken laut geworden, ob nicht ein Still-
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