Suche löschen...
Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 11.07.1870
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Erscheinungsdatum
- 11.07.1870
- Sprache
- Deutsch
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id39946221X-18700711
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id39946221X-187007116
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-39946221X-18700711
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungBörsenblatt für den deutschen Buchhandel
- Jahr1870
- Monat1870-07
- Tag1870-07-11
- Monat1870-07
- Jahr1870
- Links
-
Downloads
- PDF herunterladen
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Nichtamtlicher Theil Zu dem Gesetzentwurf über den Schuh der bildenden Künste gegen unbefugte Nachbildung. 1. (Schlich aus Nr. >52.) Als man 1637 der Kunst nicht schaden, der Industrie aber nützen wollte, fand sich sehr bald, daß die Künstler diese Ansicht nicht theilten. Sie fanden, daß ihre Modelle wcrthlos waren. Die Fabri kanten wollten sie entweder gar nicht, oder nur zu Spottpreisen kaufen, da jeder sie nachmachcn konnte. Was geschah nun? Da man doch nicht umsonst arbeiten konnte und wollte, so hörte man ganz auf zu arbeiten, machte Figuren, Oelbilder, Kupferstiche re., und legte nur Hand an, wenn ganz besondere Aufträge Vorlagen, die tüchtig bezahlt wurden. Hierbei muß inan aber nicht vergessen, in welcher künstlerischen Schöpfung Deutschland in Folge der politischen Ver hältnisse sich befand. Die Fabrikanten mußten doch aber neue Sachen haben, sie nahmen also fremde Modelle, die sie nachmachen konnten, und standen sich sehr gut dabei. Es wurde wenig Patriotismus, desto mehr aber Geld verdient. Gute Zeichenschulen re. gab es nicht, auch wären sie unnütz gewesen, und so war denn bald genug der Handwerkerstand künstlerisch todt, besonders da in derselben Zeit die wissenschaftliche Entwickelung seine ganze Zeit in Anspruch nahm. Auf die übrigen Zweige der Kunst wirkte dies Verhältniß aber über aus schädlich ein. Was das Gymnasium inmitten der Universität und der Volksschule in der wissenschaftlichen Ausbildung ist, das be deutet die Kunstindustrie, zwischen Handwerk und der sogenannten idealen Kunst stehend, für die künstlerische Bildung. Niemand würde wagen, das Gymnasium schädigen zu wollen, denn heilig ist uns die Wissenschaft. Bei der Kunst aber wagte man es. Die Folgen blieben nicht aus. Da der naturgemäße Uebcrgang vom Handwerker zum Künstler fehlte, so erzeugte sich der Künstlerstand auch nicht mehr aus ihm, sondern mehr und mehr aus dem wohlhabenden Bürger stand und aus dem Adel. Die gesellschaftliche Stellung gewann sehr viel, die Kunst sehr wenig. Anstatt von unten herauf, kam man von oben herein in die Kunst. Hierdurch wurde die Kluft noch größer. Man verstand bald einander nicht mehr. Und wenn ein Handwerker Künstler wurde, so standen ihm oft größere als technische Schwierig keiten im Wege. Der Wirkungskreis der Künstler war ein beschränkter geworden, man mußte bestimmte Fächer treiben, auch wenn es sich fand, daß das Talent hierzu nicht ausreichtc. Schließlich war man cs sich kaum mehr bewußt, daß die Kunst keine Abgrenzungen kenne. So erzog man auf der einen Seite den viel verschrieenen Künstler- hochmuth, auf der andern Seite ein unverschuldetes Künstlcrproletariat. (Letzteres hat durch die Photographie, die viele mittelmäßige Kräfte gebraucht, jetzt abgenommcn.) Man setzte die Kunst auf den Jsolir- schcmel, betete an, opferte aber nicht. Und wie verhielt sich hierzu das Publicum? Es wollte vor allen Dingen das haben, was es brauchte, und es brauchte kunstindustrielle Gegenstände. Die in Deutschland gearbeiteten waren selten, oft genug schlecht erfunden oder schlecht nachgemacht, man wandte sich also dem Lande zu, welches sie geschmackvoll und gewandt genug lieferte. Das Bedürfniß half den letzten Rest der Franzosenfresserei, noch von den Freiheitskriegen her stammend, verdrängen, man erinnerte sich der Zeiten des vorigen Jahrhunderts, wo alles Plumpe deutsch, alles Zierliche französisch hieß, und das Endresultat war folgender Schluß des erbarmungs losen Publicums: Die Franzosen machen hübsche Sachen, folglich haben sie Talent, die Deutschen machen häßliche Sachen oder gar keine, folglich haben sie kein Talent und können nichts. Nach dem Schaden kam der Spott. Dem Publicum sei diese Ansicht erlaubt, die so verbreitet ist, daß sic in allenClassenAnhänger findet, vielleicht auch im Handelsministerium, denn das Publicum beurtheilt und ver urteilt nur die nackte Thatsachc. Dem Gesetzgeber aber ziemt es, die Gründe zu untersuche», welche diese Thatsachcn hcrbcigeführt haben. So kam es, daß die industrielle Wissenschaft, auf das Funda ment planmäßiger Erziehung für die Jünglinge und gesicherten Er werbes für die Männer sich stützend, indem man dieselben Mittel wie das Ausland anwandte, alle, besonders englische Fesseln abwcrfen konnte, die industrielle Kunst aber ganz in französische Hände kam. Nicht mehr auffallend, nur traurig erscheint es, daß, während wir auf den Ausstellungen in Bezug auf Zweckmäßigkeit, So lidität rc. zu den Ersten gehören, wir in Bezug auf Schönheit zu den Letzten gezählt werden. Jeder noch so oberflächliche Besucher mußte dies bemerken, jeder Bericht weiß davon zu erzählen, alle von der Regierung hingesandten Ausstellungscommissäre müssen es eingestchcn. Das Gesetz von 1837 hat diese Niederlagen nicht verhindern können, es hat sie im Gegentheil herbeigeführt. Der nichts weniger als erfreuliche, wahrhaft beschämende Zustand der Dinge ist auch vom Handelsministerium anerkannt worden. Es fühlte, daß cs etwas thun müsse. So hartnäckig es einer Aenderung der Gesetze wider strebte, so bereitwillig zeigte dasselbe sich jetzt, die kunstgewerbliche Bildung des Handwerkerstandes zu betreiben. Mit der liebens würdigsten Freigebigkeit, die man gar nicht genug anerkennen kann, förderte man das mit Unterstützung Ihrer Königlichen Hoheiten, des Kronprinzen und der Frau Kronprinzessin aus Privatmittcln begrün dete deutsche Gewerbcmuseum in Berlin. Ohne diese Hilfe hätte es sich nicht entwickeln können. Jetzt, nach erst zweijährigem Bestehen, zahlt es diese Hilfe heim mit einer Schülerzahl von über 500 Köpfen, ein Beweis, welchem Bedürfniß, welchem Bildungsdrange man ent gegen gekommen war. Und dies trotz der ungünstigsten Lage der Gewerbe gleich nach dem Kriege. Ferner geht man damit um, im ganzen Lande gewerbliche Zeichenschulen zu errichten, das Kultus ministerium thut desgleichen mit löblichem Wetteifer. Endlich hat man die vielbekannte Sammlung des Freiherrn von Minutoli ange kauft. Wie schade, daß diese Anstrengungen ganz vergebliche sind ohne die von uns angcstrebte Gesetzesänderung. In Frankreich hatte man gute Schulen und gute Gesetze mit guten Resultaten. In England schlechte Schulen und gute Gesetze mit mittelmäßigem Erfolg, in Deutschland schlechte Schulen und schlechte Gesetze mit schlechtem Erfolg. Jetzt will man die einzige übrig gebliebene Kombination Prokuren, nämlich: gute Schulen und schlechte Gesetze. Nehmen wir einmal an, cs gelänge, mit stufenweiser Bildung von der Volksschule bis zur Akademie recht viele tüchtige Kräfte heran- zubilhen. Was würde die Folge sein? Dasselbe in verstärktem Maße, was jetzt schon geschieht. Das Bedürfniß nach künstlerischer Gestaltung ist so groß beim deutschen Volke, denn kein anderes ist so reich an Naturtalenten, daß immer und immer wieder von neuem Einzelne den Versuch machten, sich der Kunstindustrie zu widmen. Was war ihr Schicksal? Wenn sie Mittel hatten, so begründeten sie irgend eine Werkstatt. Hierbei gingen sie entweder zu Grunde, gewöhnlich an Modellkosten, wenn sie versuchen wollten, mit selbständigen Werken aufzutreten, oder sie sahen sich genöthigt, trotz ihres Talentes, es genau ebenso zu machen, wie die andern Fabrikanten und das Erfinden aufzu geben, um concurriren zu können. Waren sie mittellos, so suchten sie als Modellmcister, Zeichner, Modelleur rc. eine Stellung zu finden. Selbst bei mäßigen und wenn noch so gerechten Ansprüchen wurden sie oft abgewiesen, bei einer endlichen Annahme fanden sie aber bald, daß ihre Erfindungsgabe sehr wenig anzuwenden war. Man benutzte sie gewöhnlich, um fremde Modelle zurecht zu machen. Ein paar Jahre reichten dann hin, um den talentvollsten Mann 331*
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder