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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 06.07.1870
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- 06.07.1870
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- Deutsch
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2272 Nichtamtlicher Theil. JL 152, 6. Juli. folgen konnte. Aber man schämte sich doch. Und seit 1851 datirt das allmählich unwiderstehlich anwachsende allgemeine Be wußtsein, daß es nicht genug mit der wissenschaftlichen Leistung sei, sondern daß die künstlerische nicht hinter der wissenschaftlichen Zurück bleiben dürfe. Das Gefühl, welches den Indianer zwingt, sein Thicrfell auf der Rückseite bunt zu malen, seine Matte in schönen Mustern zu flechten, das überall vorliegende unabweisbare Bedürfniß nach Schön heit machte sich von neuem geltend im alten Europa. Aber was für eine gewaltige Ausgabe hatte man zu lösen! Jeder Zweig der Industrie hatte ein neues Berfahrungswescn, jeder derselben neue Stoffe zu verarbeiten. Und nicht nur dies, noch durch früher gänzlich unbekannte Gebrauchsgegeustände war der zu bearbeitende Stoff außerordentlich angcwachsen, und nicht allmählich, nein, so plötzlich wie nie zuvor. Man bedenke nur, was z. B- allein Eisenbahn und Tclcgraphenwesen für Massen von neuen Gegen ständen geschaffen haben, welche Revolution die Anwendung von Eisen und Glas in der Architektur jetzt verursacht. Alles das mußte künst lerisch verarbeitet werden. Wir können immer noch nicht fassen, daß, allen unser» statischen Gefühlen zum Trotz, dünne Säulen und Pfeiler große Steinmasscn wirklich tragen können, das Glas fest genug sei, um darauf gehen zu können re. Die erste eiserne Nöhrenbrücke war künstlerisch nicht mehr Werth, als der Baumstamm, den der Indianer als Brücke über den Fluß warf, welch ein Fortschritt aber schon bis zur Coblcnzcr Rheinbrücke! Während also die Blüthenepochen der Kunst es fast nur mit be kannten Stoffen und Gegenständen zu thun hatten, ist jetzt diese Fluth zu überwältigen. Das Tollste ist aber der Wechsel der Mode! Früher und gerade in den besten Kunstcpochen wechselte die Mode in größeren Zeiträumen. Jetzt verlangt jedes Jahr, jede Jahreszeit in bedeuten-, den Industriezweigen eine neue Mode. Man mag nun neue Moden schön oder häßlich finde», eins ist immer sicher, daß sie Neues bringen muß, und das besteht stets entweder in der neuen Anwendung eines alten, oder der Anwendung eines neuen künstlerischen Gedankens. Will ein Volk dem gerecht werden, so verlangt die Lösung dieser Auf gabe die ganze ungeschmälerte Entwickelung des ganzen Kunstver- mögcns des ganzen Volkes. 1851 zeigte cs sich, daß in Europa nur ein Volk dieser Auf gabe einigermaßen gewachsen war, und das waren die Franzosen. Die Summe künstlerischer Kraft, welche Frankreich nach den Kriegen bis jetzt angcwendet hat, ist kolossal, unglaublich, und ehrlich verdient war die Herrschaft des Geschmackes, und mit demselben die der Mode, welche das Land gebieterisch über alle andern ausübte. Man hatte aber auch seit langer Zeit die beiden Mittel angewendet, die einzig und allein hierzu befähigen. Kein gesetzliches Hinderniß stand in Frankreich der Ausübung der Kunst in alle» ihren Zweigen im Wege, jede Kraft fand ihren Platz, jedes Talent seinen eigenen Wirkungs kreis, nicht ein Titclchen von Kuustvermögen ging verloren. Erst durch die Zunftchre zur eigenen Schöpfung gezwungen, dann durch Privilegien schon 1737 anerkannt, 1793 endlich durch Gesetz be stätigt, hat sich die Erfindung in den Werken der Kunst in allen denkbaren Zweigen fort und fort gesteigert. Während so der Tätig keit der schon ausgcbildcten Künstler nichts im Wege stand, that der Staat wie die Stadt alles, um die Ausbildung selbst zu befördern durch guten Zeichen- und Modelliruntcrricht, durch Verbreitung mustergültiger Beispiele re. Waren diese beiden Grundbedingungen künstlerischen Gedeihens erfüllt, so konnten die guten Resultate nicht ausbleiben, und so waren 1851 die Franzosen die einzigen, die weit überlegen waren, wie sie auch die einzigen waren, deren Kunstkönnen Hanz zur Erscheinung kam. Sie konnten sich ganz geben und sie Haben sich ganz. Diese Lection nabm man sich zu Herzen, und die Engländer waren die ersten, die mit größter Energie an eine Besse rung ihrer Kunstzustände gingen. Die Gesetze standen ihnen nicht entgegen, denn sie haben gesetzliche Bestimmungen über Muster und Formen von 1787 an gehabt. Desto mehr lag aber die Ausbildung der Künstler im Argen. Und hier änderten sie den Unterricht im Zeichnen, Mobelliren re. von Grund aus und errichteten das South- Kensington Museum, eine Anstalt, welche, zugleich mustergültiges Museum und Unterrichtsanstalt, Unglaubliches in dieser Zeit geleistet hat. Im letzten Jahre hatte es mit seinen Zweigvereinen 80,000 Schüler. Auf der zweiten Londoner Ausstellung, endlich aber aus der letzten Pariser Weltausstellung waren die Leistungen der früher als ganz unkünstlerisch verschrieenen Engländer derartig fortgeschritten,, daß sie nach einstimmigem Urtheil die Franzosen in vielen Gegen ständen erreicht oder übcrtroffen hatten, und das geschah in dem kurzen Zeitraum von 16 Jahren. Ein warnendes Beispiel für Die jenigen, welche vermeinen, den künstlerischen Geist einer Nation bc- urtheilcn zu können, ohne die Gründe zu untersuchen, welche die augenblickliche Kunsterscheinung Hervorrufen. Von South-Kcnfington ging ein reger Wetteifer in Errichtung ähnlicher Anstalten aus. Die Franzosen, sehr besorgt geworden um ihreObcrhcrrschaft, die ihnen zu entschlüpfen drohte, machten Separat- ausstcllungcn, ältere und permanente von neueren Kunstgegenständen, in allen Reden der Minister des Handels und der schönen Künste ist die Nothwendigkcit verbesserten Unterrichts anerkannt, und sie haben seither hierin viel geleistet und besonders dem Unterricht der Frauen in diesenZweigen große Aufmerksamkeit gewidmet. Die dortigeRegie- rung ist sich wohlbewußt, wie viel vonderFörderungderKunstabhängt. Deutschland folgte langsam, aber es folgte doch; zuerst Süd-, dann Norddeutschland, und jetzt bestehen zu denselben Zwecken er richtet, wie in England, Gewerbcmuseen und Untcrrichtsanstalten in Wien, Stuttgart, Karlsruhe, München, Nürnberg, Berlin, in Italien in Florenz und Venedig, in Belgien in Brüssel, in Rußland in Petersburg und in vielen anderen Orten noch. Von allen diesen Museen war vor 1851 gar nicht die Rede, und um sic zu füllen, durchstöberte man alle Länder, insbesondere Süddeutschland und Italien, um kunstiudustrielle Erzeugnisse älterer Zeiten aufzufinden, so daß diese Gegenstände eine niemals dagewcscnc Preissteigerung erfahren haben. Und trotzdem diese erwähnten gewaltigen Aende- rungen seit 1837 vorgegangcn, die also 1) die Stellung der Künstler zur Industrie total verändert, 2) die Aufgabe der Künstlerschaft zu einer fast nicht zu bewältigenden gemacht, 3) die Gewerbe selbst durch das mächtig sich erhebende Kunstgcfühl der Völker auf die Künstler mehr als je angewiesen haben, bcharrt das preußische Handelsmini sterium nach wie vor dabei, daß der gesetzliche Zustand von 18Z7 aus reiche. Wie hat denn nun das Gesetz von 1837 gewirkt? Welcher ist der kunstgewerbliche Zustand im Lande? (Schluß folgt in Nr. 156.) Miscellen. Die kostbare Sammlung der griechischen und römischen Kriegs- schriftstellcr, die der verstorbene Professor Haase in Breslau während eines Zeitraumes von mehr als 30 Jahren mit großer Mühe und Umsicht zusammengebracht hat, ist sammt dem dazu gehörigen, reichhaltigen handschriftlichen Apparat in den Besitz der hiesigen Firma SimmelLCo. übergegangen. Wer noch Fünf- und Zehnthalcrnotcn der Landständischen Bank zu Bautzen von 1861 im Besitze hat, mag sie bald gegen neue Umtauschen, da sie nur noch kurze Zeit Gültigkeit haben. Die erste Frist ist schon am 30. Juni abgelaufen, die zweite und letzte ist. noch nicht festgesetzt.
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