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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 06.07.1870
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- Erscheinungsdatum
- 06.07.1870
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- Deutsch
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152, 6. Juli. Nichtamtlicher Theil. 2271 -stellt rc. Wes strebt dem einen Ziele bewußt oder unbewußt zu. Was früher gar nicht vervielfältigt werden konnte, wird jetzt in tausenden von Exemplaren vervielfältigt. Hierdurch ist der Be griff des Originals und der Copie ein ganz anderer geworden, denn das Original spielt naturgemäß eine ganz andere, viel wichtigere Rolle, je mehr es vervielfältigt wird. Die Stellung, welche die Schöpfer der Originale einnahmen, ist aber ganz verschoben worden. Bei diesen Vorgängen ist die Künstler schaft auf das lebhafteste betheiligt. Es ist noch gar nicht so lange her, da war der Künstler fast allein nur im Stande, Copien seiner Werke zu liefern; er schuf seine Werke als Unica, und die Copie herzustcllen, war oft ebenso schwer, als ein ganz neues Werk zu machen. Bei diesem Zustand der Dinge brauchte man keine Gesetze gegen unbefugte Nachbildner. Sowie aber mit Ausbreitung neuer Verviclfältigungsmethoden der Künstler nicht mehr Schriftsteller und Buchdrucker in einer Person war, sondern das Buchdrucken, ja sogar den Verlag Anderen über lassen mußte, da änderte sich die Sache, und fast mathematisch genau treten mit den Fortschritten der Vervielfältigung die Bestrebungen auf, sich durch Gesetze gegen den Mißbrauch der Vervielfältigungen zu schützen. Seit 1837 hat man aber eine solche Reihe der bedeu tendsten Erfindungen auf diesem Gebiete gemacht, wie vorher nicht in vielen Jahrhunderten. Bisher waren der Holzschnitt, die Kupfer- stichkuust in ihren verschiedenen Abstufungen, der Stahlstich und die Lithographie, deren größere Ausbildung in die letzten 30 Jahre fällt, die Hanptvcrviclfältigungsmittel für einen großen Theil der bildenden Künste. Durch die Daguerreotypie und die Photographie sind sie indcß so überflügelt worden, daß einzelne Zweige, z. B. die Schwarz kunst, mehr und mehr eingehen. Hierin ist die Wirkung, welche die Photographie ausübt, eine ungeheure. Sie bringt, wie nie zuvor, die Werke der Kunst in die Masse des Volkes und übt zu gleicher Zeit, da sie jeden Gegenstand der Natur zum unmittelbaren Bewußt sein bringt, auf eine nie dagewescne Weise das Auge eines jeden Menschen. Die Künstler sind gezwungen, die wirkliche Gestalt der Dinge ganz scharf aufzufassen und was früher oft Zweck war, z. B. richtige Zeichnung und Wiedergabe von Licht und Schatten, ist jetzt das erste Abc geworden, da Jeder von der Kunst Anderes und Höheres verlangen muß als die Photographie leistet. Dabei liegt diese Erfindung erst in der Kindheit, die Ueber- tragung der Photographie durch den Druck, jetzt thcilwcise schon ausgcübt, wird erst ihre Wirkung auf die Massen vervollständigen Ferner hat seit der Zeit der Farbendruck, das Oelbild der Unbe mittelten, die größte Ausdehnung gewonnen. Die nach vielen ver geblichen Versuchen gewonnenen Resultate sind so bedeutend, daß die Künstlerschaft sich gezwungen sicht, ihnen die größte Aufmerk samkeit zuzuwenden, und der Zeitpunkt schon jetzt gekommen ist, wo man für die Mittel des Farbendrucks arbeitet, der täglich an Voll kommenheit gewinnt. In der Bildhauerkunst sind gleichfalls die einschneidendsten Er findungen gemacht worden. Die Galvanoplastik hat eine totale Umwälzung hervorgerufen. Man schlägt jetzt in Kupfer, Silber, Gold, Eisen, Bronze rc. massiv nieder, kein Ciscliren ist mehr noth- wcndig. Dadurch hat das Treiben in Gold, Silber, Kupfer und Eisen fast ganz aufgchört, der Bronzeguß ist in die zweite Linie ge drängt worden. Es ist Handwerkersachc, was früher zur besonderen, ehrenden Eigenschaft des Bildhauers gehörte. Kein noch so com- plicirtes Bildhauerwerk gibt es mehr, welches nicht mit Leichtigkeit in irgend einem Metalle hcrgcstellt werden könnte. Auch ist es gleichgültig, ob man cs größer oder kleiner haben will, ob ein Relief in ein flacheres oder höher hervorstchendes verwandelt werden soll. Die Erfindung der Vcrklcinerungs- und Vergrößerungs glas ch inen löst diese Aufgaben in großer Vollkommenheit. Auf der richtigen Anwendung dieser Maschine beruht das Uebergewicht der französischen Metallindustrie (in Guß und Galvanoplastik). Stahlstempel zu Medaillen, Siegel rc. werden nach Gypsmodellen von Maschinen gefertigt, man bohrt in Holz, Elfenbein, Knochen, Alabaster rc. nach jedem beliebigen Modell, wie Holz wird der Mar mor gehobelt, gedrechselt, geschliffen. Der Metallguß hat sich sehr verändert durch das Gießen leichtflüssiger Metalle in Stückmetall- formen, ebenso dieTerracottcn durchverbesscrteOefenzumBrennen derselben. Endlich ist das gewöhnlichste VervielfLltigungsmittel, das Abgießen der Bildhauerwerke in Gyps aus Stückformen überboten worden durch den Guß in Formen aus elastischen Massen, welche die kostspieligen Stückformen verdrängen. Die ausgebreitete Stuckindustrie in der Architektur ist hierdurch erst möglich geworden. Geringfügigere Erfindungen sollen gar nicht erwähnt werden. Dies alles sind wissenschaftliche Erfindungen, welche die Kunst als solche nicht berühren. Die Wissenschaft hat gewissermaßen ihr Eigenthum von der Kunst zurückgefordert, und drängt sie immer mehr und mehr in ihr eigenes Gebiet zurück, in das der künstlerischen Erfindung. Mehr und mehr liefert der Künstler nur noch das Manuscript, wie der Schriftsteller, die Vervielfältigung nehmen ihm Andere ab. So hat seit 1837 der Begriff der „Fabriken, Handwerke und Manufacturen" auch in Bezug auf Kunst eine Ausdehnung erhalten, die sich der damalige Gesetzgeber schwerlich gedacht hat. — Aber auch in anderer Beziehung hat sich seit 1837 eine große bedeutungsvolle Umwälzung vollzogen. Der Grund sowohl wie die Folge der Anwendung der Wissenschaft zur Massenproduction war das Hereintreten vieler Millionen Menschen in ein neues Be- dürfniß, ein neues Culturstadium. Wie weit hierauf politische Um wälzungen eingewirkt haben, gehört nicht hierher. Sowie es früher ,häufig heißen konnte: Alles für Einen, wenn er nur ordentlich Geld chatte, so könnte cs jetzt heißen: Alles für Alle, auch wenn sie kein Geld haben. Man vergleiche nur den Hausstand eines kleinen Hand werkers vor 50 Jahren und jetzt in Bezug auf die Anzahl und Art der Gegenstände und auf das häufige Wechseln derselben. Da kam 1851 die erste große Weltausstellung in London, auf der man die Erzeugnisse der ganzen Erde, aller Völker, cultivirter und nicht cultivirter, au einander gereiht sah. Das ganze gebildete Europa strömte dort zusammen, man sah und staunte, überlegte, ver glich, man schwieg und schämte sich. Was war das Resultat dieser Ausstellung? So viel man auch in wissenschaftlicher Beziehung ge wonnen hatte, in künstlerischer stand man früheren Zeiten nicht gleich, von Enropa war Frankreich unstreitig am weitesten voraus. Alle aber waren gänzlich geschlagen durch die „sogenannten Bar baren", durch die Indier, Perser, Marokkaner, Japanesen rc. Wie eine buntscheckige Narrcnjacke nahm sich die Kunst-Industrie Euro pas gegenüber der schönen ebenmäßigen Weisheit des Orients aus. Und doch war dieser Unterschied ebenso nothwendig wie erklärlich. Im Orient mußten sich ja die typischen Formen der Gebrauchs gegenstände schön entwickeln, deren Zahl und Gestalt seit Jahrhun derten sich kaum verändert hatten. Wie die griechischen Götterge stalten sich erst allmählich gebildet, ein Künstler das Werk des andern nahm, um cs zu verbessern, so hat auch der persische Teppich, der Turbanshawl der Marrokkaner lange Zeit gebraucht, ehe er seine unerreichbare Farbenpracht empfing. Nachdem er lange Zeit schon gut und zweckmäßig gewesen, hatte die Kunst noch Zeit genug, ihn auch schön zu machen. Denn zur Kunst gehört Besinnung, Zeit, ja Müßiggang. Deshalb hat Amerika noch keine eigene Kunst. Europa stand ja aber noch inmitten eines großen gewerblichen Wirbelwindes, jeder Tag brachte neue Erfindungen, die erprobt, jeder Tag neue Stoffe, die verarbeitet werden sollten. In dem Vorwärts der Wissenschaft mußte ja die Kunst über den Haufen geworfen werden, da sic nicht 323*
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