6782 Börsenblatt l d. Dijchn. Buchhanvel Künftig erscheinende Bücher. 240. 14. Oktober 1016. In einigen Wochen erscheint: (D l Warum schwieg sie nicht? I Geheftet Mark 4 — Roman von Ottomar Enking OKO 20 Bogen Gebunden Mark 5.- ^rr^ohl wurzeln Enkings Gestalten nach wie vor in seiner niederdeutschen Heimat, an der er mit der zähen Liebe der Leute von der Wasserkante hängt, aber die Gedanken und die Probleme, woraus seine Bücher jetzt erwachsen, heben sich schon ins allgemein Menschliche hinauf. Der bekannte Literar historiker vr. O. Hachlmann hat ihn einmal einen Moralisten genannt, und im besten Sinne des Wortes trifft diese Bezeichnung für den Verfasser in Hinsicht aus sein neuestes Buch „Warum schwieg sie nicht?" zu. Es ist ein Eheroman von großem Ernste, eine Mahnung besonders an unsere Frauen. Aslaug, die Heldin des Buches, ersährt eine völlige Auflösung ihrer Persönlichkeit und endet tragisch, weil sie das Geheimnis ihrer nicht glücklichen Ehe in einer unbeherrschten Stunde einem Freunde preisgegeben hat. Die Ehe ist heilig, unantastbar und vor den Blicken aller andern Menschen zu bewahren, das ist die eindringliche und mit durch und durch künstlerischen Mitteln gepredigte Lehre, die Enking warm vertritt. Die Handlung ist ungemein geschlossen, einfach und doch von innerlichem Reichtum, dis Menschen, die wir kennen lernen, stehen in all ihren Zügen greifbar vor uns da, die Sprache ist auf das Feinste durchgefeilt. So haben wir in dem reichen Schaffenskranze, den Enking jetzt um sich ausbreitet, hier sein bisher reifstes Werk vor uns, das jeden angeht und das niemand, es sei Mann oder Weib, ohne großen geistigen und seelischen Gewinn aus der Hand legen wird. Gleichzeitig versende ich: Dämon Mutter Roman (Neubearbeitung von „Nts Nielsen") Geheftet Mark 3.— KOO 15 Bogen KOK Gebunden Mark 4.— /Lin Werk aus der Jugendzeit des Dichters, dar wir nunmehr in durchgearbeiteter Fassung kennen ^2- lernen und das für Enkings ganze Art außerordentlich charakteristisch ist. Als es erschien, schrieb Max Beyer im Neuen Parnaß: „Man muß den Roman lesen, um einen Begriff davon zu bekommen, mit welcher unendlich feinen Beobachtungsgabe und welchem ausgebildeten Seelentiesblick Enking das Werden eines Charakters von Jugend auf, sein Verhalten in den verschiedensten Lebenslagen verfolgt hat. Alle Vorgänge im Innern des Helden werden durch äußere Ereignisse illustriert, überall bietet der Roman Handlung, statt des seitenlangen theoretischen Geredes, wodurch andere diese vergebens zu ersetzen suchen. Bisweilen ist die Handlung auch dramatisch zugespitzt. Der Stil ist knapp, kräftig, natürlich, manchmal humoristisch, urwüchsig, wie überhaupt der ganze Roman das Zeugnis eines gesunden, kräftigen Geistes ist, der das Leben wohl kennt in allen seinen Tiefen, der auch in seine Untiefen geblickt hat, der aber trotzdem nicht angekränkelt ist von schwächlichem Dekadententum, sondern ruhig und kraftvoll seine eigenen Wege wandelt." — Das Mutterproblem, das Enking ja auch später noch mehrfach be handelt hat, erfährt in diesem Buche eine ganz eigenartige Beleuchtung: die Mutter beherrscht übers Grab hinaus den Sohn und trägt so die Schuld an seinem tragischen Untergang. Der Roman ist von erschütternder Wirkung. Dresden-Blasewitz, Lerbst 1916 Carl Rechner ^