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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 23.11.1916
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1916-11-23
- Erscheinungsdatum
- 23.11.1916
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- Deutsch
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Redaktioneller Teil. /ir 272, 23. November 1916. Nirgends ist eine Stellung zu erkennen, überall stößt das Auge auf Tiichterkämme; es ist das Bild der See bei schwarzem Wetter. Wir haben einen Riegel zu schanzen, schrägweg nach links. Vor uns liegen Posten in Granatlöchern, links davon hat sich der Engländer eingenistet. Ich hole meinen Leuchtkonipaß aus der Tasche, klettere auf den Grabenrand und folge der Nadelrichtung, während der Feldwebel G. die Pioniere hinter mir herzieht und aufstellt. Fortwährend müssen Trichter der 38er Granaten durch quert werden, die übermannstief sind und uns gegenseitig Ver schwinden lassen. Die stecken unten voll Morast, und ihre Kegel- Wände sind so schlüpfrig, daß wir sie oft nur auf Händen und Füßen wieder erklimmen können und, wenn wir obenstehen, schon wieder in den nächsten Herunterrutschen. Es ist ein Gelände zum verirren! Meine Augen heften sich fest auf die Magnetnadel, deren Ge häuse die hohle linke Hand vor Regen schützt, während mein Stock in der Rechten die Richtung zeigt. Mit jedem Schritt, den wir weiter Vorkommen, wird das Feuer mörderischer, Schrapnells von Riesenkalibern klirren über die Erde, Zentner von Sprengladungen kommen in gewaltigen Projektilen durch die Luft herangefahren und explodieren. Eine Wortverständigung ist nicht mehr möglich, wir müssen uns Zei chen geben, wenn Leuchtkugeln hell über uns dahinstreichen. In diesem Wirrwarr der Stellungen, wo Freund und Feind durch- einanderliegl, müssen wir uns auch vor der eigenen Artillerie ducke». Meie Leichen liegen umher. An einer Stelle stoße ich auf eine tote englische Patrouille. Es sind fünf Mann. Ein Maschinen gewehr wird sie niedergemäht haben, als es mit seinen tausend Spitzkugeln das Vorfeld bestrich. Nun liegen sie da, alle auf dem Rücken, den Stahlhelm auf Schädeln mit fäulnisgeweiteten Augen, die wie ein furchtbares Grauen in den erbarmungslosen Himmel starren, liegen da, die Knochenfinger um geladene Ge wehre, deren Bajonette rosttot sind, in Uniformen, die vom Regen seidig schimmern . . . Die letzten Pioniere sind aufgestellt. Wir reichen nicht aus, wir werden den Graben heute nicht bis zur Stellung vor stoßen können. Aber stimmt die Richtung? Ich laufe zurück, und wir studieren wieder die Karte, mes sen, schätzen, berechnen im Winkelmaß zu den Baumstümpfen des Gehöftes. Inzwischen schanzen die Pioniere in diesem fürchterlichen Feuer mit unerhörter Anstrengung. Als ich nach einer Viertel stunde durchgehe, stehen sie schon alle in Deckung. Oft brauchen sie ja nur die Trichter durchzustoßen, aber der Boden ist unter dem wochenlangen Trommeln kaum mehr noch als grobkörniger Staub, es gibt keine Stelle, die nicht von Granaten durchpflügt wäre, und unter dem Beben der neuen Einschläge rieselt der Graben wieder zu, wenn sein Gefälle nicht richtig berechnet, die Absteifung nicht genau geprüft ist. Stimmt die Richtung? Wir müssen Gewißheit haben I Wir legen uns mit der Karte in den Grabenkops und be obachten die Leuchtkugeln vor uns. Jetzt ist es 4 Uhr. Nun muß es kommen. Schwere Minuten rinnen. Da eine rote Leuchtkugel . . . noch eine . > eine. . . und noch Die Richtung stimmt I Die Infanterie hat uns das verabredete Zeichen gegeben; die Längsachse des Riegels stößt darauf zu. Um 5 Uhr brechen wir auf. Verlusttos. In den neuen Graben rückt Infanterie mit Handgranaten. — 1438 Wieder beginnt für uns das teuflische Gleiten durch das Stellungslabyrinth. Der Morgen graut. Die Geschütze sind ruhiger geworden, nur die Maschinengewehre klappern nervös, so seltsam nervös. Glücklich kommen wir durch die Schrapnellbrllcke, jene vier oder fünf Balken, die über dem Graben hinwegliegen und diesen Namen tragen, weil hier die Eisenbrausen nie versiegen. Aber die Maschinengewehre klappern so seltsam nervös . . . Und am Tunnel packt es uns . . . Wie wir hineingehen, ahnen wir noch nichts. Aber da als wir nach Sekundenzeit wieder herauskommen, ist der wütende Orkan entfesselt. Wir hören nichts, als ein ungeheures Brausen, langsam erst unterscheiden unsere Ohren den höllischen Lärm der Lust und das Krachen der explodierenden Erde. »Der Engländer trommelt!« ruft uns ein Posten zu. Schnell steige ich aus eine Sturmleiter und sehe über den Graben hinweg: Das Gelände, auf dem wir geschanzt haben, gleicht einem Hochofen riesiger Dimensionen, schwarzer Staub deckt den Himmel ab, über die Erde kriecht ein feuriger Rachen . . . näher . . . und näher — zu uns!! Wir müssen aus der Stellung, wir haben hier keine Unter stände . . . und das Trommelfeuer kann lange andauern, stun- dcnlang, tagelang . . . Und so laufen wir . . . Noch sind es nur IVO Meter, dann sind wir aus der Stellung — da trommelt es um uns. Ich blicke mich um: blatzrote Leuchtsignale steigen vom Feinde hoch. Was ist das? Sperrfeuer!? Fünfzig Meter von uns ist die Zone — da mutz der Eisen hagel sperren, wenn er kommt! Halten!! Wir brüllen es denen nach, die vor uns laufen. Halten!! Halten!!! Aber keiner hört mehr. Schon heult die Luft, und donnernd, klirrend, krachend fällt die Sperre vor uns nieder. Wir drücken uns in den Chausseegraben und Pressen uns in Erdlöcher. Eine Granate fährt auf di« Straße und zerreißt die Gruppe, die vor uns lief; ein Wirrwarr von Körpem; ein Ge prassel von Eisen, Steinen und Schmutz. Wir stürzen vor, Tote . . . Verwundete! Wir lassen die Toten und ziehen die Verwundeten aus rinnenden Blutlachen in unsere Löcher. Furchtbar stöhnen die Schwerverletzten. Sie lassen sich nicht trösten von der schwachen Hoffnung, die wir ihnen geben können. Unsere Verbandspäckchen sind alle, und immer noch rinnt das Blut. »Sanitäter!! Sanitäter!!!« Unaufhörlich rieselt der Regen; ohne Pause krachen die Ge schosse. Einer mutz zur Sanitätskompagnie, melden! Durch, durch dieses Sperrfeuer — durch . . . und schon läuft der Wackere . . . ganz . . . hinten . . . Ärzte kommen, das Feuer läßt nach. Noch Minuten, dann hebt sich die Sperre. Aber das Don- nern und Krachen wird teuflischer: aus allen Erdfallen trom meln unsere Batterien los! Das Land ertrinkt im Pulver dampf, den die Tollwut der Geschütze ausstötzt, bäumt sich schwarz auf die Front in tausend Feuerbissen. Wir nehmen die Papiere der gefallenen Kameraden, die Wertsachen und die Erkennungsmarken und bringen sie zur Kom pagnie. Die Ärzte nehmen die Verwundeten mit sich. Heute nacht wird ein Wagen die Toten holen. Der Regen rieselt; der Regen rieselt. Er füllt alle Granatlöcher und alle Mulden; er weicht die Gräben zu Schlammrinnen und treibt gelb in die Unterstände. Der Regen rieselt, rieselt. Und die ungeheure Schlacht geht weiter. Sie schüttet ihr glühendes Eisen krachend über die Stellung, sie peitscht die nasse Luft und heult ... heult .. .
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