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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 04.04.1870
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- 04.04.1870
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- Deutsch
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1152 Nichtamtlicher Theil. JL 76, 4. April. bandeln sollte »m einige Tausend Personen, ich sollte meinen, diese Tau sende sind es doch wohl Werth, daß wir unS die Gründe wohl überlegen, warum wir übergehen wollen aus unserem deutschen System in ein ganz fremdartiges System. Meine Herren, der Gedanke, der meine verehrten Freunde Bahr und Duncker geleitet hat, Ihne» den Vorschlag zu machen, daß Sic ein doppeltes Prinzip sür die Schutzfrist fortan hinstellcn moch ten: erstens nämlich eine 40jährige Frist, gerechnet vom Erscheinen des Buches, zweitens aber eine Frist von 10 Jahre» nach dem Ableben des Au tors, — cm System, was mit einigen Unterschieden, und nicht geringen Unterschieden, in England bekanntlich aus Macaulay's Antrag eingeführt ist — meine Herren, das Motiv, wodurch meine genannten Freunde geleitet waren, ist ein solches, was ich u priori völlig anerkenne; cS ist daS Prinzip der Gcrcchli gkcit und der Gleichmäßigkeit. Ich kann freilich die Frage aufwcrsen, ist cS denn die Ausgabe der Gesetzgebung, die Zufälligkei ten des Lebens auSzugleichcn? Können wir denn hier vom grünen Tische aus die Schicksale der Menschen egalisircu wolle»? Können wir denn in andern Fälle» der Familie, deren Ernährer in ein paar Jahren stirbt, das ersetzen, was die andere Familie hat, deren Ernährer lange Zeit sür sic sor gen kann? Ich kann gar nicht anerkennen, daß das die Aufgabe einer Ge- jetzgebung sei. Aber gesetzt, meine Herren, sie wäre eS, dann bitte ich Sie, sich einmal an ein paar Beispielen klar zu machen, ob der Zweck, den dieser Antrag erfüllen will, irgendwie erreicht wird? Ich wähle zu dem Ende Beispiele, die jedem von de» Herren bekannt sind; ich nehme die frühesten Dramen unserer beide» größten Dichter. Meine Herren, der „Götz von Berlichingcn" erschien im Jahre 1773. Wenn die Bähr-Duncker'sche Schntz- srist Gesetz gewesen wäre, so würde dieser „Götz von Berlichingcn" geschützt gewesen sein bis 10 Jahre nach dem Tode des Autors, das heißt bis zum Jahre 1842; das ergibt eine Schutzfrist von 70 Jahren. Nehmen Sie da gegen einen kurzlebigen Autor; nehmen Sie Schiller. Sein jüngstes dra matisches Werk sind bekanntlich „die Räuber;" cs erschien 1777. (Stimmen links: das älteste!) Ich meine das jüngste, so weit es sein, des Autors, Alter betrisst: eines seiner frühesten Werke also. Darauf angcwcndet die Duncker-Bähr- schc Schutzfrist, so würden „die Räuber" geschützt gewesen sein bis zum Jahre 1817, nämlich 40 Jahre. Nun, meine Herren, Sie werfen das ganze System unserer deutsche» NachdrnckSgcsctzgebnng um, und zu welchem Zweck? Um schließlich in Differenzen zu kommen wie die, daß das früheste WcrkGocthc's 70 Jahre und da« früheste Werk Schillcr'S 40 Jabrc geschützt ist. Wo bleibt da die Gleichmäßigkeit und Gerechtigkeit? Ich gebe ja zu, kleine Ausschweifungen in der Zufälligkeit des Lebens schneiden Sic daniit ab, der Herr Abgeordnete Duncker hat uns ja vorgestern in dieser Beziehung mchierc Beispiele ge nannt; Sic kürzen etwas an denjenigen Dichtern, die so glücklich gewesen sind, ein hohes Alter zu erreichen, aber eine irgend auch nur annähernde Gleichmäßigkeit können Sic gar nicht erreichen; Sie können es um so weniger, als die deutsche Gewohnheit ihnen unbewußt einen Streich gespielt hat. Sie haben nämlich die Macaulay'schcn 42 Jahre gestrichen und gejagt: aber niemals länger als 30 Jahre nach dem Tode deö Autors! Sic haben damit den einzigen festen Punkt, den Sic hinstellcn wollten, wieder zu einem nnscstcn und unsicher» gemacht. Meine Herren, noch ein Beispiel — ein Beispiel sür die Zwecklosig keit Ihres Vorschlags! und da nehme ich nicht ein einzelnes Buch, sondern ich nehme die gcsammtc wissenschaftliche Literatur. In einer Zeit von der raschen Bewegung unserer heutigen kann in kaum einem Zweige der Wissenschaft ein Buch sich auch nur zwanzig Jahre erhalten, wenn es nicht sich entwickelt, wenn der Verfasser nicht fortgeschritten ist, wenn er nicht neue Auf lagen gemacht hat mit neuem veränderten Inhalt. Meine Herren, die Häusser'- schc deutsche Geschichte erschien 1857; schon in den 60cr Jahren war Häusler jedoch gcnöthigt, eine Umarbeitung seines Werkes mit Hilfe der preußischen Archive vorznnchmen. Meine Herren, in der empirischen Naturwissenschaft ver steht sich ja das ganz von selbst; von Jahr zu Jahr schreiten die Entdeckungen fort. Aber es ist in jeder anderen Wissenschaft, in der historischen und in der philologischen ebenso, höchstens vielleicht in der philosophischen ist cS etwas anderes. WaS will ich nun damit sagen? Ich will sagen, der kurz lebende Autor kann seine Werke nicht neu ediren, wie es die Forderung der Gegen wart verlangt, der lang lebende Autor kann es neu ediren und bekommt bei jeder neuen Auslage nach unserer deutschen Gesetzgebung und nach Ihrem eigenen Willen, meine Herren, eine neue Schutzfrist. Also ans diesem ganzen Gebiete können Sie die Gleichmäßigkeit nicht Herstellen; Sie können nicht verhindern, daß der, dem Gott ein längeres Leben gibt, glück licher daran ist, als der, dem ein kürzeres Leben beschicden ist. Es ist auch nicht die Aufgabe des Reichstags, das allgemeine Schicksal der Menschen zu verändern. Meine Herren, nun noch Eins. Der Vorschlag meiner Freunde hat einen doppelten Zweck, erstens die Gleichmäßigkeit, darüber habe ich gespro chen; zweitens aber hat er den Zweck, eine Verkürzung cinzuführcn. In dieser Beziehung hege ich die erheblichsten Zweifel, und da ich nicht Anspruch darauf machen kann, daß Sie mir das persönlich glauben, so haben Sie bie Freundlichkeit, doch einer so großen Autorität wie Macaulay zu glau ben, der im Jahre 18t2 behauptete, daß seine Schutzfrist für den größeren und ocn reiferen Theil der Werke oer Schriftsteller länger sei als die Schutz frist von 25 Jahren nach dem Tode, welche dan als vorgcschlagen war. Meine Herren, cS ist hier vielfach von Macaulay die Rede gewesen, nur gewöhnlich in anderer Weise, als die Sache factisch lag. Es waren zwei Verhandlungen über den Autorschutz im englischen Parlament, und sie fanden statt unter voller Thcilnahme der Versammjung, weil diese Ver sammlung von dem Gesühl ergriffen war, daß cS sich handelte um die In teressen der geistigen Aristokratie ihres Volkes. Im Jahre 1841 war es, wo ein Parlamentsmitglied den Vorschlag machte, daß die Schutzfrist, die damals 28 Jahre und bis zu dem Tode des Autors dauerte, verlängert werden sollte auf 60 Jahre, nach dem Tode des Autors — 60 Jahre, meine Herren, also der doppelte Zopf, nicht 30 Jahre, wie wir ihn haben! Die sem Vorschläge trat Macaulay entgegen, und trat ihm mit vollem Rechte entgegen, so gut wie er cntgegentrat der Theorie von dem ewigen Autor recht, die der Abgeordnete Köster uns neulich hier vortrug, der Theorie, die schließlich die geistigen Güter der Nation in der Weise, wie heute die Eisen bahnen in die Hände mächtiger Gesellschaften oder einzelner Spcculanten gebracht werden, bringen würde in die Hände von Gejellschaften oder In dustriellen, von denen es daun abhinge, was sic uns geben wollen und zu welchem Preise. Aber als im nächsten Jahre nun eine Schutzfrist von 25 Jahren nach dem Tode des Autors vorgcschlagen wurde, da sagte Ma caulay nicht wie der Abgeordnete Braun: „das ist zu viel", sondern er sagte: „das ist zu ungünstig für die Schriftsteller, denn die meisten, >°/zo sämmtlichcr Werke, behauptete er, werden nach dem vierzigsten Lebensjahr geschrieben; wenn Ihr also meinen Vorschlag annehmt, jedes Werk 42 Jahre unbedingt — nicht wie der Abgeordnete Duncker will, nur bedingter Weise — zu schützen, so werdet Ihr den Schriftstellern besser dienen, als mit 25 Jahren nach dem Tode." Nun, meine Herren, wenn Sie also kürzen wollen, daun bitte ich Sic, meinen Vorschlag zu acccplircn; ich setze aber gleich hinzu, daß ich Sie später bitten werde, cs aus anderen Gründen nicht zu thun. Meine Herren, die Nation hat nicht bloß das Interesse, daß ein ein zelnes Buch endlich frei werde, in den freien Gebrauch und Genuß komme, sondern sie hat vor allen Dingen das Interesse, daß die Heroen des Geistes, die sic besitzt, in ihrer Totalität, in ihrem ganzen idealen Wesen ihr vor Augen treten. Es kommt nicht darauf an, daß irgend ein Fetzen von Goethe oder von Schiller unserm Volke übergeben werde, sondern daß die eitzigcrmaßen Empfänglicheren und Gebildeteren inr Volke sich bei dem Namen Goethe und bei dem Namen Schiller eine geistige Gestalt denken und sie in ihrem Herzen haben. Wenn Sic aber diese tiefste Durchdringung der Nation durch dcu Genius ihrer Dichter haben wollen, daun müssen Sic Ihr Hauptaugenmerk ans die Gesa mm tausgaben richten. Wir haben ja in unseren Bibliotheken nicht etwa ein paar Bände von Lessing, Goethe, Schiller n. s. w., sonder», wenn wir überhaupt noch eine Bibliothek haben, was ja bei unS allen wohl der Fall sein wird, so haben wir die gesammel ten Werke aller dieser Männer. Nun vergleichen Sic meinen "Vorschlag hinsichtlich der 20 Jahre nach dem Tode mit dem Vorschläge meiner Freunde, und ich wähle wieder die allcrlcichtcstcu und Jedem bekanntesten Beispiele. Schiller starb bekanntlich 1805. Nach meinem Vorschläge würden seine sämmtlichcn Werke 1825 frei werden und besonders würden frei sein die Werke der reifsten Periode seines Lebens, des letzten DccenninmS; nach dem Vorschläge meiner Freunde würden dagegen 1825 zwar die Jugcndwcrke, die Werke der ersten Hälfte seiner Productivität frei sein, aber gerade die köstlichsten Schätze, die er uns hiuterlasscu hat, Wallcnstcin, Maria Stuart, Wilhelm Teil, dann solche Gedichte wie die Glocke und einige seiner schön sten Balladen und idealen Dichtungen würden >825 noch nicht frei sein. Eö würde also nicht möglich sein, dann eine Gesammtausgabc von dem Dichter zu machen, ja cö würden nicht einmal ausgewähltc Werke erscheinen können — denn man kann doch nicht so auswählen, daß man das Schönste wegläßt. Nur das Unreifere würde frei, während das Reife denr öffent lichen Nutzen nicht übergeben werden könnte, wie cs nach meinem Vorschläge der Fall ist. Roch ein anderes Beispiel kürzerer Art. Lcssing starb >781, sein letztes Werk war Nathan, eines der letzten und tiefsten: die Erziehung des Men schengeschlechts. Meine Herren, nach dem Duncker'schen Vorschläge würden 20 Jahre »ach dem Tode Lcjsiug'S diese köstlichen Gaben seines Geistes der Nation noch nicht übergeben werden können. Noch mehr. Der Goethe'sche Faust besteht ans zwei Theilcn; der erste Theil erschien 1790, der zweite Theil erst 1832, im Todesjahre des Dichters. Nach der Dunckcr-Bähr'schcn Vorschläge würden Sie nicht im Stande sein, diese beiden Thcilc vor dem Jahre 1862 zusammen für das Volk frei werden zu lassen. Ich beschränke mich auf diese Nachweffungen und behaupte, daß ein Vorschlag, der bei manchen Vorzügen, die ich ja nicht verkenne, doch so wesentliche Mängel hat, nicht acccptirt werden kann, zumal er das Opfer eines Wechsels unsrer ganzen EeschäftSgcbräuchc verlangt. Meine Herren, Sie können sagen: es ist doch nichts einfacher, als daß ein Buchhändler sich merkt, ein Buch ist dann und bann erschienen, die 40 Jahre sind vorüber,.
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