Suche löschen...
Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 09.03.1870
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Erscheinungsdatum
- 09.03.1870
- Sprache
- Deutsch
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id39946221X-18700309
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id39946221X-187003091
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-39946221X-18700309
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungBörsenblatt für den deutschen Buchhandel
- Jahr1870
- Monat1870-03
- Tag1870-03-09
- Monat1870-03
- Jahr1870
- Links
-
Downloads
- PDF herunterladen
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
796 Nichtamtlicher Theil. -s« 56, 9. März. Die Photographie und ihr gesetzlicher Schuh.*) Die Lehre vom sogenannten geistigen Eigenthum, welche in unserem Nachdrucksgcsetz vom 11. Juni 1837 wurzelt, ist durch die zeitgemäßen Erwägungen unserer bedeutenderen Rechtslehrer wohl als beseitigt anzuschcn; an deren Stelle ist die notwendige Aner kennung der durch geistige oder technische Arbeit erworbenen Ver mögensrechte getreten. Je mehr gerade diese Anschauung Platz greift und je mehr man die außer den eben erwähnten Einlagen von Arbeitskraft, die auf ein Unternehmen verwendeten Capitalien in Rechnung zieht, desto mehr wird man geneigt sein, die Worte „Monopol" oder „Privilegien" als haltlos fallen zu lassen, und auf- hvrcn, sie als Schiboleth zur vermeintlichen Wahrung von Freiheits oder Interessen der Volksbildung zu benutzen. Wer geistig arbeitet, soll die Früchte seiner Arbeit genießen, gleichermaßen Derjenige, der dafür ein Capital einlegt, daß diese Arbeit zur körperlichen Er scheinung komme. Das ist in kurzen Worten das Wesen und Ver- hältniß des Autors zum Verleger, des Künstlers zum berechtigten Vervielfältiger seiner Kunstidee. Wer hiergegen noch mit den Wor ten „Privilegien" und „Monopol" auftretcn wollte, bewiese nur, daß er Schlagworte früherer Zeiten unentwickelten Rechtsbewußtseins nicht besonders gedankenvoll im Munde führt, daß er mit seinem Wirken nicht der Partei ersprießlicher Thätigkcit (Action), sondern der Reaction dient. Die literarischen Vermögensrechte haben gegenüber mißver ständlichen Bcurtheilungcn seitens einiger Mitglieder des hohen Reichstages in diesem Organe eine Entgegnung bereits gefunden; es erübrigt also noch, die technischen Vervielfältigungsarten, welche sich neben den rein künstlerischen Darstellungsweisen seit den letzten 20 Jahren herausgcbildet haben, in ihrem gerechten Ansprüche auf den der Arbeit gebührenden Lohn hier etwas näher zu beleuchten. Die Photographie nimmt unter diesen wohl die erste Stelle ein. Sic wird entweder wie Kupfer- oder Stahlstich und die Lithographie, als Vcrvielfältigungsmodus für rein künstlerische Darstellungen an- gcwendct, und vertritt hier unmittelbar das in seinem Rechtsbestande geschützte Original — oder — sie beansprucht den Rechtsschutz für sich selbst unmittelbar, als darstellende Kraft, resp. Kunsttech nik. Den ersten Fall haben wir hier nicht näher in Betracht zu > ziehen, weil er unter das vorhandene Schutzgesetz zu rubriciren ist. Uns interessirt im Augenblick nur der Schutz der Photogra phien an sich, der Fall nämlich, wo der Photograph an ein für jede Vervielfältigung freies Object herantritt. Es werden öffentliche Baudenkmäler und Sculpturen, Ansichten der fernsten Gegenden, Menschen und Gegenstände aller Art photographirt. Der Photograph macht größere Reisen, verwendet erhebliche Capitalien, Schönheitssinn, technische Mittel und Fähigkeiten auf Herstellung seines Bildes, — er ersteigt hohe Berge und erträgt die Veränderung des Wetters, wartet Tage und Wochen lang, um den Lichteindruck zu gewinnen, welcher seinem Bilde den höchsten Grad der Vollkommen heit verleihen soll. Er hat bei der Aufnahme von Kunst-Denkmälern der Malerei und Sculptur in den Museen mit den größten Schwie rigkeiten, persönlichen und sachlichen, zu kämpfen. Die Stereoskopen- Photographen d'Andrieu und E. Lamy in Paris, W. England in London verwenden jährlich große Capitalien für ihre reisenden Tech niker zur Herstellung von Landschaften aus Italien, der Schweiz, Aegypten, Palästina — ebenso die Hersteller guter Landschaften, wie Brockmann in Dresden, Friedrich in Prag, Albert in München, Baldi in Salzburg, Röhring in Lübeck, Suck und Schwach in Berlin, Braun in Dörnach. — Die Kosten, mit denen Braun in Dörnach, die Photographische Gesellschaft Hierselbst, de Laurent in Madrid, C Röttger in Petersburg und Andere die Fresken und Gemälde ') Aus der Vossischen Zeitung. der größten Meister aus den Galerien von Berlin, Paris, London, Rom, Florenz, Madrid, Petersburg der Kunstwissenschaft zu fast unmittelbarer Anschauung gebracht haben, sind außerordentlich be deutend; dem Kunsthändler C. Röttger haben beispielsweise die circa 70 Aufnahmen in der Petersburger K. Eremitage (Gemäldegalerie) einen Aufwand von nahe an 10,000 Rubel verursacht. Von welcher Wichtigkeit ist die Photographie für die Objecte der physiologischen Anatomie der Thier- und Pflanzenwelt geworden; welchen Dienst erweist sie gegenwärtig sckon bei militärischen Projectionen. Wie verhalten sich gegenüber solchem immer reicher und mannigfaltiger sich gestaltenden Thätigkcitsprozcsse, dem die verschiedensten Wissen schaften ein unentbehrliches Material verdanken, die seitens des Abgeordneten Hrn. von Hcnnig im Reichstage ausgesprochenen Worte: „Die Photographie ist nur Modesache"!? Wir fühlen uns verpflichtet, dem gegenüber hcrvorzuheben, daß die Pho tographie die rascheste, bis dato zuverlässigste Aufzeichnerin von den jenigen Gegenständen und Thalsachen ist, welche das menschliche Auge sich entweder zum persönlichen Genuß, zu eigener Bildung oder wissenschaftlicher Verwerthung so gern aneignct, und vergleichen die damit gewonnenen und durch sie noch zu hoffenden Resultate wahl berechtigt mit der Arbeitverkürzung, welche die in dieses Jahrhundert eintretende Erfindung der Maschine für alle Culturstaaten mit sich führt. Diejenigen Sachverständigen und Rechtslehrer, welche in ge rechter Würdigung dieser Fülle von Thatsachen den photographischen Producten in dem vorliegenden Gesetzentwurf eine Schutzfrist von nur 5 Jahren zuerkanntcn, haben kein widerrechtliches Monopol, keine die Interessen des Volkes schädigenden Privilegien geschaffen, vielmehr nur eine nothwendigc Frist gegeben, um von den Ein lagen an Arbeit und Capital auch die gebührende Rente zu ziehen. — Die Freiheit ist Jedem gegeben, das selbständig und neu zu unternehmen, was ihm an der Arbeit seines Vorgängers ausbeu tungsfähig und nachahmenswerth erscheint; aber auch nur eine solche Ausübung dieser Freiheit ist berechtigt; denn wer Re sultate genießen will, mag auch seine Arbeit dafür einlegen; — widerrechtlich und ein Mißbrauch des Wortes Freiheit ist es aber, die Form sich nur aneignen, in welcher der Vorgänger sein Ideal an der Sache durch Arbeit und Capital zur körperlichen Erscheinung ge bracht hat, und diese Form für sich auszunützen. Es ist schließlich nur noch dem Gefühle Rechnung zu tragen, mit welchem manche Schutzredner der Volksbildung die in solcher Weise berechtigten Zugeständnisse der Vermögensnützung als hem mende Privilegien betrachten. Die Intentionen dieser Herren sind gewiß edel, aber der Weg, auf dem sie ihnen Ausdruck zu geben hoffen, muß als verfehlt bezeichnet werden. Der wahren Volksbil dung ist gemeiniglich nur das zuträglich, was hinter dem „uonuru prsruatui- in annuru" weit zurückliegt. Die Schuhredner der Volks bildung würden sich bei häufigerem Verkehr mit dem Publicum davon überzeugen, wie die pccuniäre Entwertung des Bildungsmaterials, namentlich in der Kunst, der größeren Verbreitung wenig oder gar keinen Vorschub leistxt; sie würden die schmerzliche Erfahrung machen, daß ganz ephemere Erscheinungen auch von Unbemittelten weit über den Werth bezahlt, Gediegenes aber, auch wenn es wohlfeil, am Wege liegen gelassen wird. Die Erzeugnisse unserer größten Geister auf dem Gebiete der Kunst sind Jedem zugänglich; Raphael, Michel angelo, Murillo sind auch in edlerer Form, als man sie heute mit unter darbietct, dem dafür empfänglichen Theile des Publicums dem Preise nach erreichbar, und zur Klärung der praktischen Begriffe mancher Humanisten sei es erwähnt, daß gerade der verständigere Theil dieses unbemittelten Publicums die edlere, wenn auch etwas thcurere Form begehrt. Somit ist also die wahre Volksbildung von der Billigkeit der Kunstproducte durchaus unabhängig.
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder