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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 09.03.1870
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- Erscheinungsdatum
- 09.03.1870
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- Deutsch
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794 Nichtamtlicher Theil. -N 56, 9. März. Nichtamtlicher Theil Der Reichstag und das Gesetz über das literarische Eigenthum.*) Der Gesetzentwurf, welcher die Urheberrechte an Werken der Wissenschaft und Knnst sichern und begrenzen soll, hat an dem Tage, an welchem er dem Reichstag vorgelegt wurde, nicht die freudige Auf nahme gefunden, die er zu beanspruchen hat. Denn wir dürfen ohne Uebcrtreibung sagen, daß keine nnter allen Vorlagen, welche bis jetzt der Vertretung unserer Ration gemacht wurden, so vielseitig und gründlich erwogen und verhandelt worden ist, als diese. Sie ist das Resultat eines 30jährigen Kampfes, welchen die Schriftsteller und Buchhändler Deutschlands geführt haben für gesunde national-öko nomische Verhältnisse ihres Verkehrs; für Ehre und Unabhängigkeit des schriftstellerischen Berufes, für alle geschäftlichen Grundlagen unserer Volksbildung und nationalen Cultur. Dieser lange Kampf Wurde geführt gegen den Egoismus der Buchhändler, gegen die un berechtigten Ansprüche der Schriftsteller, vor allem gegen die Recht losigkeit, die Kleinstaaterei, die verschiedenen Gesetzgebungen der ein zelnen Bundesstaaten, den Mangel an gutem Willen und an Ver- ständniß bei den einzelnen Regierungen. Die Bundesactc vom Jahre 1815 hatte der Bundesversamm lung die Verpflichtung auferlegt, sich bei ihrer ersten Zusammen kunft mit Abfassung gleichförmiger Verfügungen über Preßfreiheit, Autorrechte und Nachdruck zu beschäftigen, Der Bund war nach mehr als fünfzig Jahren dieser Verpflichtung bei seiner letzten Zusammen kunft noch nicht nachgckommen. Die Anläufe, welche er ab und zu gemacht, waren immerhin eine Wohlthat; leider wurde die zweideu tige Fassung seiner Beschlüsse in der Regel Quelle neuer Verwir rungen. — Im Jahre 1657 hatte die sächsische Regierung einen Gesetzentwurf zu Stande gebracht, der auf die preußischen und säch sischen Gesetze begründet war, aber es gelang ihr nicht, den Entwurf in Frankfurt zum Gesetz machen zu lassen. Endlich erfüllte der Norddeutsche Bund Forderung und Wunsch, die durch ein Menschenaltcr vergeblich gearbeitet hatten. Ein Jahr nach Gründung des Bundes war auf Grundlage des sächsischen Ent wurfes von 1857 das neue Gesetz ausgearbeitet. Darauf wurden die Gutachten der Sachverständigen und Interessenten cingeholt, dazu im vergangenen Jahre eine Anzahl derselben als bcrathende Com mission nach Berlin cinbcrufcn. Die Ausstellungen und Vorschläge derselben haben vielfache Berücksichtigung gefunden. Nirgend viel leicht war die Beschäftigung mit dem neuen Gesetz so angelegentlich als in Leipzig, und wir dürfen wohl sagen, daß bei den Privat besprechungen und Verhandlungen darüber in unseren Kreisen das Interesse der Schriftsteller und die Culturintcresscn des Volkes nicht weniger gewürdigt wurden, als die Verkchrsinteresscn der Buchhändler. Die Uebcrzeugung, daß der Urheber einer Schrift oder eines Kunstwerks ein Eigenthumsrccht an seinem geistigen Funde auch dann noch behalte, wenn er denselben auf mechanische Weise vervielfältigen läßt, hat sich seit dcrErfindung des Bücherdrucks sehr allmählich ent wickelt. Seit Gutcnberg zürnten der Schrifstcllcr und der Verleger dem frechen Nachdrucker, der ihnen Werth und Lohn ihrer Arbeit ver ringerte, schon im 16. Jahrhundert suchten sie sich durch Privilegien zu schützen, welche sie erflehten oder erkauften. Und lange, bevor die Gesetzgebung der einzelnen Staaten ihre Zugehörigen im Inland gegen Nachdruck zu schützen suchte, wurde der Nachdruck durch die sitt liche Empfindung der Besseren als ein Unrecht und Diebstahl ver- urtheilt. Mit jeder Zunahme der literarischen Sicherheit nahm auch die Solidität und der Anstand des buchhändlerischen Verkehrs zu, stieg Unabhängigkeit und Ansehen der Volkslehrer, welche durch ihre ') Aus dm Grmzbotm. geistige Production auf weite Kreise wirkten. Erst die Anerkennung der Autorrechte durch das Gesetz gab dem Schriftsteller seine volle Ehre, weil sie ihm die gesunden ökonomischen Grundlagen für seine Existenz zutheilte, welche der Arbeiter für kräftiges Schaffen nöthig hat. So lange das Autorrecht nicht anerkannt war, mußte der Ver fasser, wenn er nicht zufällig im armen Lande ein reicher Mann war, seine Eristenzmittel auf einem Seitenwege von seinem Buche holen. Da ihn der Verleger und das Publicum nicht bezahlen konnten, suchte er sich vornehme Gönner, denen er sein Werk widmete oder in ge schriebenen Briefen zu Füßen legte. Wer ein Buch so empfing, für den war es Anstandspflicht, dem Autor ein — immerhin ansehnliches — Geschenk zu machen. Der Knechtssinn und die Speichelleckerei, welche in den Druckwerken vom 16. bis in das 18. Jahrhundert sich so widerlich breit machen, und welche ihre entsittlichende Einwirkung auf das lesende Publicum zur Schande Deutschlands so lange aus- geübt haben, kamen zum großen Theil daher, daß der Autor ge- nöthigt war, ein Schmarotzer zu sein, und für einige Goldstücke sein Lebelang reichen Gönnern Weihrauch zu streuen. Der höfische Ver derb der protestantischen Kirche nach Luther, die Charakterschwäche der Dichter von Opitz bis auf Geliert mit ihren unheilvollen Wir kungen auf das Volk wird nur richtig gewürdigt, wenn man einen Hauptgrund derselben, die Rechtlosigkeit des Autors , beachtet. Der deutsche Buchhandel mit seinen eigenthümlichen Vorzügen und Leiden ist in besonders charakteristischer Weise ein Product unserer Culturverhältnisse. Aus den Jahrhunderten gehemmter Reisen und des Meßverkehrs stammen die langen Credite, welche er be willigt und beansprucht (vom I.Jan. eines laufenden Jahres bis zur Ostermessc des folgenden). Die Vieltheiligkeit Deutschlands und der Mangel an einem Centralpunkt haben die Zahl der Verlagshand lungen zu sehr gesteigert, die meisten müssen ihre Existenz aus einer mäßigen Anzahl vcrhältnißmäßig kleiner Unternehmungen suchen, dadurch werden die Procente, welche sie auf die einzelnen Bücher für Betriebskosten rechnen müssen, zu sehr gesteigert, dadurch unter Um ständen dem Schriftsteller das Honorar vermindert. Da ferner die geistige Productivität der Nation sich nicht im Verhältniß zu der wachsenden Zahl unserer Verlagshandlungen vermehren läßt, kommen diese in übergroße Versuchung, unnütze und schlechte Bücher machen zu lassen und kleinliche Vortheile zu suchen Während also bei uns zu viel gedruckt wird, werden Bücher verhältnißmäßig wenig und langsam verkauft. Der wohlhabende Gutsbesitzer, der reiche Kauf mann haben in Deutschland selten den Stolz einer guten Hausbibli othek. Dagegen machen zahlreiche Leihbibliotheken und Lesezirkel leichtere Unterhaltungslectüre dem Unbemittelten zugänglich. Aber diese Uebelstände, welche sich aus unserer Geschichte leicht erklären, werden reichlich durch die entsprechenden Vorzüge aufge hoben. In keiner Nation hat der Buchhandel eine so bewunderns- werthe einheitliche Organisation, welche sicher in wenigen Tagen jedes Buch, das in dem letzten Menschenalter erschienen und noch nicht völlig aus dem Handel geschwunden ist, der entferntesten Landschaft zusendet. Nirgend wird die geistige Productivität der Nation so voll ständig durch die Presse ausgenutzt als bei uns. Den größten Vor theil davon hat die wissenschaftliche Literatur; die Mehrzahl der ge lehrten Bücher, welche bei uns auf Risico der Verleger gedruckt wer den, müßte in England und Frankreich, vom Buchhandel verschmäht, die Kosten ihrer Herstellung und ihres Vertriebes in anderweitigen Zuschüssen suchen. Wir verdanken den Reichthum an wissenschaftlichem Material vor allem der Concurrenz, welche unsere Verlagsgeschäfte einander machen. Auch die Preise der Bücher sind bei uns im Ganzen beträchtlich geringer als in England, etwas billiger als in Frankreich. Dies gilt
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