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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 02.04.1870
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- Ausgabe
- Erscheinungsdatum
- 02.04.1870
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- Deutsch
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.n 75, 2. April. Nichtamtlicher Theil. 1133 Ausnahmen, denn sonst kann ich Ihnen noch ganz andere Beispiele an- sühren. Ich führe Ihnen William Shakespeare an. Er war in seinem Lande vergessen und auf dem europäischen Continent kaum bekannt gewor den, und erst am Ende des vorigen Jahrhunderts erwachte das Anoenkcn an seinen grossen Genius und das Wicderlesen seiner Werke in England; und erst in diesem Jahrhundert auf dem Continent; und jetzt würde Shake speare, wenn er noch lebte und das Autorrecht noch hätte, allerdings daraus eine schöne Revenue ziehen. Wenn Sie nun das Gesetz machen wollten nach diesem Beispiel, dann müßten Sie sagen: Die Schutzfrist fängt an 150—200 Jahre nach dem Tode des Autors und dann läuft sie 200 Jahre und dann erlischt sie wieder; dann hätten Sie den Casus Shakespeare getroffen. Also Sie dürfen die Gesetze nicht nach den einzelnen Beispielen machen. Herr Duncker, mit dem ich in vielen seiner Ausführungen vollständig einverstanden bin, hat Ihnen aber nachgewicsen, daß die Schutzfristen des Entwurfs allerdings an die Ewigkeit streifen, daß sie sich auf zwei und drei Menschcnaltcr erstrecken können. Das hat er Ihnen an einzelnen, nicht zu bestreitenden Beispielen dargethan, und nun frage ich Sie, was bat inan denn an diesen Schutzfristen? Schiller und Goethe hgben sie ja genossen. Was haben wir dafür gehabt? Cotta bat uns einen ganz cor- rumpirtcn Text für ein schweres Geld osscrirt und es hat erst des Ablaufs dieser Schutzfristen bedurft, bis wir billige Ausgaben und was noch viel wichtiger ist, bis wir richtige Ausgaben bekamen, denn die Tertcskritik hat erst jetzt begonnen, sic ist durch die allzu lange Schutzfrist behindert gewesen. Und nun, meine Herren, bedenken Sic doch einmal, wenn der Grund satz der Tantieme für den Autor und dessen Erben gegolten hätte, dieser Grundsatz der Tantieme, auf den alles hinarbeitct in der Literatur der civilisirtcn Länder, dieser Grundsatz, den ich selber später noch etwas näher erläutern werde? Wenn statt der ewigen Schutzfrist Schiller und Goethe nnd deren Erben eine Tantieme gehabt hätten, dann würden sie sich doch ohne Zweifel in ganz anderen Verhältnissen befinden, als es dermalen der Hall ist. ES würde ihnen das Hundertfache von dem zugeflossen sein, was fic erhalten habe» nach den Prinzipien des gegenwärtigen Gesetzentwurfs. Und dann, meine Herren, Sic haben mir gesagt: „ja, das ist ja alles recht gut, in Deutschland kann der Büchermarkt nicht so flott gehen, wir können nicht so hohe Auflagen, wir können nicht so niedrige Preise machen, warum? — der deutsche Büchermarkt ist beschränkt; ja, Frankreich, das verkauft seine Bücher an alle Welt, cs ist nicht beschränkt ans den geographischen Umfang des Mutterlandes." Sic haben mir gesagt: „die englischen Bücher sind "nicht beschränkt aus die vereinigten Königreiche von Großbritannien nnd Irland, die haben Colonicn n. s. w." Ich" sage Ihnen aber, meine Herren, haben wir denn keine Colonicn? Politische Colonicn haben wir freilich nicht, aber geistige Colonicn, die haben wjr überall aus dem weiten Erdenrund; wenigstens, wo ich noch meinen Fuß hingesetzt habe in weiter Ferne, da habe ich Deutsche gefunden, nnd ich crinncrcSie nuran unsere Deutschen in Rußland, an unsereDcutjchcn in dcrSchweiz, an nnsereDcutschcn in Nordamerika. Glauben Sic denn nicht, daß wir Alle erobern könnten für unsere Literatur und auch für unsere VcrlagSwcrke, wenn wir es richtig ansangen wollten? Auch wir könnten ein Reich haben, worin die Sonne nicht untergcht! Sehen Sic doch z. B., was jetzt schon einige geschickte Verleger in der Richtung gcthan haben. Sehen Sie doch einmal, welche Verbreitung genießt die Gartenlaube des Herrn Keil, welche Verbreitung genießt die Roman- zcitung des Herrn Zanke, welche Verbreitung genießt der Bazar des Herrn Schäfer! Die gehen alle in die fernsten Weltthcile z. B. bis in den fernen Westen von Amerika in die einsamsten Blockhäuser. Wenn man solchen Zeitschriften die Thorc dort öffnen kann, warum kann man es denn nicht auch für andere Schriften, die dort ebenso gerne gelesen werden würden? Man kann mir auch nicht nachsagen, "daß ich lediglich den einseitigen Standpunkt der Consumcntcn vertrete. Ich, meine Herren, suche den harmonischen Punkt, in welchem die Interessen der verschiedenen be- thciligtcn BcrufSclassen sich decken und mit einander übcreinstimmen; ich suche denjenigen Punkt, wv man sagen kann: hier ist das Interesse des Autors, das Interesse des Verlegers, das Interesse des bücherkaufcnden Pnblicnms der Art das nämliche, daß dadurch gleichzeitig die Production gefördert nnd möglichst reichlich belohnt und die Consumtion ausgedehnt und das Werk möglichst billig gemacht wird, so daß also das Interesse Aller sich vereinigt in Herstellung einer guten und billigen Waarc und in Eroberung eines möglichst großen nnd ausgiebigen Marktes für diese Waare. Das aber, meine Herren, will ich nicht allein für die Schriftsteller, von denen wir jetzt sprechen, ich will cS in gleichem Maße auch für alle übrigen geistigen Urheber — wenn ich diesen Ausdruck, der ja in Betreff seines Wortlautes und seines juristischen Wcrthcs bestritten werden kann, — gebrauchen darf. Ich will dasselbe Recht auch für den Maler nnd für den Bildhauer, für den Dramatiker, für den Musiker und für den Kom ponisten und, soweit er berechtigt ist, auch für den Photographen. Wir können die Schriftsteller nicht privilegircn; wir können z. B. den Architekten nicht hinter alle übrigen geistigen Urheber zurücksetzen, wie es der Entwurf thut; wir dürfen uns nicht daraus beschränken zu hören, was die Presse sagt, — die Schriftsteller haben ja die Gewalt der Presse und die übrigen'Künstler haben sie in weit geringerem Maße; aber wir dürfen deshalb unfern Schutz nicht Denjenigen ausdrängen, die ihn nicht wollen, und die Zeitungen z. B., namentlich die größeren Zeitungen, ver langen gar nicht dasjenige Maß des Schutzes, das ihnen der Entwurf cnt- gcgcnträgt, und wir dürfen deshalb auch nicht die anderen Interessenten überhören und vernachlässigen, weil sic nicht schreien; begriffen haben sie ihre Interessen recht gut. Ich bekomme täglich Schreiben von Componisten, von Musikern, von Bildhauern, von Malern u. s. w., worin sie sagen: der Schutz, den uns dieser Entwurf gewährt, ist nur ein scheinbarer, wir gestatten das Vcrviel- sältigungs- und Darstcllungsrccht, aber wir verlangen Tantieme, — und das ist ein viel directcrer und besserer Weg, daß der Arbeiter zu dem Lohne gelangt, den er verdient hat, als der Weg dieses Entwurfs, der uns vorerst einmal dem Verleger zur Disposition stellt und dann dem Verleger überläßt, was er nns davon geben will. Ich sage, meine Herren, wir wollen die übrigen Classcn von geistigen Urhebern nicht deshalb ver nachlässigen, weil sie in ihrem Ausdruck etwas bescheidener sind als die Schriftsteller zum Theil, die, wenn sie den Gegner bekämpfen, von weiter nichts sprechen als von Raub und Diebstahl und Tempelschändnng und Barbarei, und wie die schönen Dinge heißen, auf welche man beinah in jedem Blatt stößt, welches man zur Hand nimmt, so daß cs wirklich scheint, man darf in unserem lieben deutschen Vaterlande alle hohen und himm lischen Dinge in Zweifel ziehen mit alleiniger Ausnahme des Dogmas des BundeöbcschlusseS von 1845 über die langen Schutzfristen. Ich habe wenig stens noch nie einen solchen Sturm von Ketzcrrichtereicn über irgend Jemand hcrcinbrechen hören, als er über mich hercingebrochen ist, weil ich in diesem Punkte an der Weisheit des Bundestages gezweifelt habe. Es schien wirklich, daß man das Dogma des bnndeStäglichen Autorrechts oder vielmehr das Dogma dieser Schutzfristen — denn das Autorrecht bestreite ich durchaus nicht — nicht in Zweifel ziehen dürfe, ohne sich der Gefahr aus zusetzen, zerrissen zu werden von Roman-Strümpfe strickenden Mänaden. (Heiterkeit.) Wir, meine Herren, der Reichstag, wollen unö wenigstens nicht ängst lich machen, nicht terrorisircn lassen durch dergleichen Drohungen; wir wollen ganz ruhig unserer Aufgabe nachgehcn und wollen uns dessen er innern, daß die Fragen ans den übrigen Gebieten des geistigen EigenthumS, z. B. die Fragen des Musterschutzes, des Markenschutzes, des Patentschutzes za schon seit Jahrzehcnden auch in Deutschland ganz ruhig und unbefangen und ohne alle Leidenschaft debattirt werden. Ist denn das nicht auch geistiges Eigenthum? Ich habe darüber jedoch nicht sülche Schreie der Entrüstung gcbört. Und, meine Herren, ich kann für das, was ich gesagt habe und heute sage, noch nicht einmal das Verdienst der Neuheit in An spruch nehmen. Diese Gedanken sind alt, sic sind in England, in Frank reich, in Amerika, sic sind überall in der Literatur pro nnd contra, auf das ausführlichste erörtert worden, ohne daß man sich dort irgendwie zu cchausfiren für nöthig gehalten hätte, also wollen wir das doch hier auch thun. Nun habe ich Ihnen bereits auseinandergcsctzt, daß selbst begeisterte Anhänger des Prinzips des Entwurfs, begeisterte Anhänger der bundes- täglichen Schutzfristen darüber einig sind, daß der Entwurf in der Rcdaction sehr viel zu wünschen übrig läßt, daß man an ihm einen anfsallcndcn Mangel an juristischer Construction bemerke, daß er sich zuviel in Casuistik vertiefe, und dadurch, daß er alte kontroversen schlichten-will, eine weit größere Anzahl neuer Controversen Hervorrufe; daß er von dem Verlags recht gar nichts enthalte, daß er das Strafrecht zu weit ausdehne, und daß er in eine Frage, wo cs sich doch eigentlich nur um einen privat- rechtlichen Streit bandelt, den Staatsanwalt mit einmische; kurz, alle diese Vorwürfe, die wirklich auf dem Wege der Amendements sehr schwer zu heilen sind, werden selbst von den Anhängern des Entwurfs zugestanden, und ich glaube nicht, daß wir im Stande sein werden, diese Mängel durch eine Plenarberathung zu heben. Ich, meine Herren, suche nicht, alte Controversen durch neue zu er setzen; und wenn Sie mir sagen, durch die Verweisung des Entwurfes an die Commission werde ich das Gesetz zu Fall bringen, so sage ich Ihnen, das ist nicht meine Absicht, ich wünsche aufrichtig, daß wir ein einheitliches Bundcsgesetz über das geistige Eigcnthum — nennen wir das einmal so — und über alle die Fragen, die mit demselben im Zusammenhang stehen, zu Stande bringen. Aber, meine Herren, wir befinden uns gegenwärtig nicht aus dem Wege dazu. Wir wollen ein Gesetz machen, das lediglich das bis her bestehende Recht codificirt, und einige Controversen entscheidet. Das ist nicht die Art, wie wir bisher Gesetze gemacht haben. Bisher ist jeder Schritt, den wir in der Gesetzgebung vorwärts gethan haben, auch ein Schritt der Reform gewesen; das hier aber würde ein Schritt der Ver steinerung sein. Also überlegen wir uns doch einmal die Sache ganz gründlich, überlegen wir uns doch, was weiter geschehen muß. Wir stehen nicht bloß vor der Frage des Civilrcchts, wir stehen auch vor der Frage
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