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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 21.03.1870
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- Erscheinungsdatum
- 21.03.1870
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- Deutsch
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65, 21. März. 953 Nichtamtlicher Theil. 10 Jahre 20 Jahre nach dem Tode des Verfassers gewährt wissen. Die Ansicht der Minderheit gewinnt dadurch besondere praktische Bedeutung, daß die nalionalliberale Fraction des Reichstags sic zu der ihrigen zu machen beschlossen hat. Bei der numerischen Stärke dieser Fraction, die nicht selten die Entscheidung im Reichstage selbst in ihre Hand gibt, wäre die hier obschwebende Frage somit im Sinne der Minderheit bereits so gut wie entschieden, wenn nicht in zwölfter Stunde noch ein Umschlag erfolgt. Die im Entwürfe aufgenommenen Fristen entsprechen allent halben den dermalen gesetzlich und thatsächlich in den verschiedenen Ländern deutscher Zunge bestehenden Bestimmungen. Die Schutz frist auf Lebenszeit und dreißig Jahre nach dem Tode ist mit der deutschen Nachdrucksgesctzgcbung aufs innigste verwachsen. Sie findet sich in allen deutschen Particulargesctzen, sie lag den Beschlüs sen des ehemaligen Deutschen Bundes zumGrunde, sie ist in sämmt- lichen Vorarbeiten, welche dem norddeutschen Gesetzentwurf vorausgegangen sind, gleichmäßig adoptirt. Börsenvereins-Entwurf, oesterreichischer Entwurf, Bundcscommissions-Entwurf, erster nord deutscher Entwurf — so mannigfach sie in ihrem sonstigen Inhalt auseinandcrgehen, darin stimmen sie überein, daß in ihnen allen der Rechtsschutz auf Lebensdauer und dreißig Jahre nach dem Tode ge währt wird. Auch unter den nichtdeutschen Staaten herrscht für diese Schutzdaucr Vorliebe, einzelne, so Frankreich, das 50 Jahre nach dem Tode schützt, gehen noch weiter. Ist diese Uebereinstimmung ein bloß äußerliches, rein zufälliges Zusammentreffen? Mit nichten. Der Schutzfrist auf Lebenszeit und 30 Jahre nach dem Tode liegt, wenn auch unausgesprochen, ein ge wichtiges, inneres Moment zum Grunde. Mit 30 Jahren berechnet sich nach allgemeinem Usus die Wahrscheinlichkeitsdauer eines Men schenalters. Indem das Gesetz 30 Jahre nach dem Tode des Ur hebers dessen Werk noch fortschützt, will es seinen unmittelbaren Leibeserbcn die Vergünstigung gewähren, die materiellen Früchte Ver geistigen Thätigkcit ihres Erblassers auf die Dauer ihrer präsum tiven Lebenszeit, zum mindesten auf so lange, als sie noch im Alter der Unselbständigkeit und Hilfsbcdürftigkcit stehen, noch zu genießen. Es soll verhütet werden, daß die mittellos Hinterbliebenen Kinder eines deutschen Schriftstellers noch bei Lebzeiten fremde Leute diese Früchte pflücken sehen, während sie selbst in Kümmerniß und Dürf tigkeit leben, die zu heben ihnen leicht sei» würde, wenn sie die Er zeugnisse der geistigen Thätigkcit ihres Vaters materiell selbst vcr- werthen könnten. Glaube man nicht, daß es sich hier um eine Sen timentalität am Unrechten Orte handelt — die Lage des deutschen Schriftstellers ist nicht selten so beschaffen, daß seine Werke und seine Manuscriptc das einzige Erbe sind, das er seinen Hinterbliebenen zurückläßt. Vergegenwärtigt man sich alle diese Momente, so muß der Vor schlag der Eommissionsmindcrheit aufs höchste befremden. Er steht im Widerspruch mit der seit dreißig und mehr Jahren in Deutsch land eingebürgerten und bewußten Auffassung, im Widerspruch mit der Gesetzgebung aller übrigen deutschen Länder, im Gegensatz zu allen realen Verhältnissen. Was dafür spricht, sind lediglich gewisse doctrinäre Liebhabereien, die noch dazu fast durchgehends auf einer Verkennung der rechtlichen Beschaffenheit der hier in Frage kommen den Verhältnisse beruhen. Hat man wirklich den Muth, um solcher Liebhabereien willen eine Ansicht zum Gesetz zu erheben, welche dem Norddeutschen Bund unter den Staaten, wo bisher das geistige Urheberrecht Gegenstand legislatorischer Rcgulirung gewesen ist, eine nichts weniger als be- neidenswcithe Singularität verschaffen würden? Ein namhafter Schriftsteller, der besten einer unter den lebenden, schrieb dem Ver fasser des gegenwärtigen Aufsatzes dieser Tage: „Was hilft dieser Schutz! Sein Bestes schreibt ein Autor manchmal in seiner Jugend, seinem ersten Mannesaller. Meine Dramen fingen 1840 zu erschei nen an. Sterbe ich morgen, so sind sie 1880, also 10 Jahre nach meinem Tode, wo ich doch Frau und unmündige Kinder hinterlasse, vogelfrei." So denkt man in den Kreisen der Schriftsteller, denen in einer Angelegenheit, wo es sich für sie um wahre Lebensfragen handelt, zum mindesten doch eine gleiche Berufenheit des Urthcils wird zugcsprochen werden müssen, als den Herren, welche die Minder heit der Commission bilden. Ueber die praktischen Consequenzen eines solchen Schrittes wird sich der Sachkundige keine Illusionen machen. Daß die süddeutschen Staaten, daß Oesterreich dem Norddeutschen Bunde zu Liebe ihre dermaligcn Schutzfristen nach Maßgabe der im neuen Gesetz zur An wendung gelangenden Grundsätze schleunigst abändern werden, glau ben die Wortführer der letzteren wohl selbst nicht. Wir gehen somit der Erneuerung eines Zustandes entgegen, dessen glückliche Beseiti gung durch die Gesetzgebung des vormaligen Deutschen Bundes als eine der größten Wohlthalcu für Literatur und Wissenschaft, wie für den deutschen Buchhandel gepriesen und empfunden wird. Schutz fristen verschiedener Dauer werden gelten im Norddeutschen Bunde, in Süddcutschland und Oesterreich. In praktischer Anwen dung heißt das: im Norddeutschen Bunde werden die Werke verstor bener Schriftsteller durchschnittlich 20 Jahre früher Gemeingut wer den als in Süddeutschland und Oesterreich; man wird also in diesen letzteren das erbauliche Schauspiel erleben, daß zwanzig Jahre lang daselbst dieselben Schriften als Nachdrücke confiscirt werden, die im Norddeutschen Bunde berechtigt vertrieben werden können! Ob solche Mißverhältnisse, die den deutschen Buchhandel in seiner Geschäfts führung mit wahrhaft unerträglichen Zuständen bedrohen, dazu bei tragen können, im deutschen Süden Sympathien für den Norddeut schen Bund zu erwecken und zu fördern, wie wir, denen Deutschlands Bestes am Herzen liegt, doch alle inbrünstig wünschen müssen, diese Frage möge ein Jeder nach Gefallen sich selbst beantworten. IX. §. 10. enthält, insofern danach dem Urheber verboten wird, Aufsätze, die er in Zeitschriften hat erscheinen lassen, innerhalb zweier Jahre, vom Abläufe des Jahres des Erscheinens an gerechnet, ohne Einwilligung des Herausgebers oder Verlegers des Werkes, in welches dieselben ausgenommen sind, anderweit abzudrucken, eine auffällige Anomalie in Hinblick auf die Bestimmungen in §. 6 b. wegen des Zeitungsnachdrucks. Der Urheber ist hiernach nämlich schlechter gestellt, als der Nachdrucker! Dieser darf auf Grund der letztangezogcnen Bestimmung, wie oben eingehend gezeigt worden ist, jeden in einer Zeitschrift enthaltenen beliebigen Aufsatz, sofern der Abdruck nicht an der Spitze des Artikels untersagt ist, sofort abdrucken, der Verfasser selbst soll dies erst aber nach zwei Jahren dürfen! X. Eine wesentliche Abweichung von dem Entwürfe enthält auch §. 12. insofern, als der Entwurf das Jahr der Veröffentlichung, die Commission den Tod des Urhebers als tarminun n guo für die Berechnung der dreißigjährigen Schutzfrist festsetzt. Ist sich die Commission schlüssig geworden über die praktischen Folgen ihrer Bercchnungsmodalität? Nach ihr würde jedes erst dreißig Jahre nach dem Tode des Urhebers veröffentlichte Werk sofort nach seinem Erscheinen Gemeingut werden! Die Fälle aber, daß Werke, und zwar von sehr bedeutender literarischer Qua- lification erst dreißig und mehr Jahre nach dem Tode des Urhebers veröffentlicht werden, sind erfahrungsmäßig gar nicht so selten. Sie kommen namentlich in der Memoirenliteratur häufig vor. Talley- rand's Papiere durften letztwilliger Verfügung gemäß erst dreißig Jahre nach seinem Tode der Oeffeutlichkeit übergeben werden und Fürst Metternich soll dem Vernehmen nach eine ähnliche Bestimmung getroffen haben. Von dieser Erwägung ausgehend, sind wir auch gegen dieBe»
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