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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 19.03.1870
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1870-03-19
- Erscheinungsdatum
- 19.03.1870
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- Deutsch
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JL 64, 19. März. Nichtamtlicher Theil. 935 Allein die Verbesserung ist eben nur scheinbar, wie später nachge wiesen werden soll. Vor allen Dingen ist cs schon im höchsten Grade bedenklich, den sittlichen Standpunkt zu verlassen, auf welchem der Gesetzentwurf beruht. Er allein trägt dem Anspruch Rechnung, daß weder dem Autor noch seinen nächsten Erben zugcmuthct wird, sich gefallen zu lassen, daß dritte, entschieden unberechtigte Personen, welche lediglich vom schnödesten Eigennutz getrieben werden, sich ihrer Werke bemächtigen und den Nutzen von denselben ziehen, auf welchen, sä>on der allernatürlichsten Billigkeit zufolge, doch der Arbeiter und die Seinigen den nächsten Anspruch haben. Für diese Rücksichtnahme spricht außerdem der Umstand, daß diese Schutzfrist auf der Vereinbarung sämmllicher deutschen Negierungen, auch der jenigen beruht, welche außerhalb des Nordbundes stehen. Auch ist. nicht außer Acht zu lassen, daß, seitdem dieser Grundsatz in der deutschen Gesetzgebung Eingang gefunden hat, Schriftsteller und Verleger sich damit einverstanden erklärt haben. Mit wenigen Ausnahmen haben sich alle Stimmen der Presse gegen die Berechnung der Schutzfrist nach dem Erscheinen ausge sprochen. So die Kölnische Zeitung in Nr. 48 und 60, in Nr. 52 der Leipziger Buchhandel, in 53 ein Artikel von O, die Vossische Zeitung in 54, und in voller Uebercinstimmung mit dem Buchhan del die Stimmen der Schriftsteller in Nr. 52. Wir glauben nicht zu irren, wen» wir die nächste Quelle dieser Abneigung im deutschen Gcmüthe suchen, dem cs zuwider ist, für die Ausübung eines in der Sache begründeten Rechtes einen rein äußerlichen Maßstab ange legt zu sehen. Ein weiterer Grund, welcher dagegen spricht, liegt Wohl in dem Widerstreben, vor der ganzen Welt und ohne allen ausreichen den Grund sich als die Affen der Engländer zu bekennen. Englands Recbtsentwicklnng beruht auf ganz andern Grundlagen als die deut sche und sie sind viel später als die Deutschen dazu gelangt, ihren Auto ren einen Schutz zuzugestehcn. Die ersten Anläufe galten nicht dem persönlichen Recht des Autors, sondern der Sicherstellung des Buch händlers. Ein dritter Grund gegen die Annahme des Braun'schen Vor schlags ist in der Furcht vor der Unsicherheit des Rechtes zu suchen, welche dadurch entstände, sowie in der damit verknüpften Störung des Geschäftsbetriebes. Welche Ausgabe soll geschützt werden, wenn die erste Ausgabe bereits 40 Jahre vor dem Tode des Autors, die letzte erst kurz vor dessen Tod erschienen und diese vielleicht wesent lich verbessert und vermehrt worden ist? Das bereits erwähnte Obertribunals-Erkenntniß liefert den Beweis, daß die Ansichten verschieden sein können, und welch geringer Schutz würde nach Be finden sich ergeben, wenn nicht wenigstens gesetzlich festgestellt würde, daß die Frist von der letzten, bei Lebzeiten des Autors erschienenen Ausgabe berechnet werden soll! Weiter steht dem Vorschläge entgegen, daß in allen Fällen, wo in dessen Folge eine Verkürzung der gegenwärtig gültigen Frist ein träte, die Frage entstehen müßte, inwieweit die auswärtigen Staa ten daran gebunden sein würden, die seit 1846 mit Deutschland, meist durch Preußens Vermittlung, Schutzverträge abgeschlossen haben. Selbstverständlich werden dieselben, da, wie bereits in Nr. 53 nachgcwiesen worden ist, diesen Verträgen das Gegenseitigkeits prinzip zu Grunde liegt, gegen eine Verlängerung der Schutzfrist, die auch ihren Autoren und Verlegern zu gute kommt, keine Ein wendung zu machen haben. Eine einseitige Verkürzung dieser Fristen aber, die ihnen zum Nachtheilc gereichte, brauchen sie sich nicht ge fallen zu lassen. Sic würden es aber auch nicht thun; sic würden vielleicht mit Vergnügen die Gelegenheit ergreifen, sich in die innern Angelegenheiten des Nordbundes zu mischen, und noch viel weniger würden sie die Hand zu vertragsmäßiger Ausgleichung bieten, da sie ohne Ausnahme längere Schutzfristen haben. Noch ungleich größere Verwirrung würde jedoch auf deut schem Gebiete angerichtet werden. Ganz abgesehen von der Frage, ob die Staaten, welche heute dem Nordbund angehören, sich einseitig von den Grundsätzen lossagen dürfen, welche nach dem Wortlaut der Verträge von 1832 bis 1857 vereinbart worden sind, und abge sehen davon, ob dieMehrzahl geneigt sein würde, den Vorwurf eines Vertragsbruchs auf sich zu laden, beruht eine Unzahl von Verträgen zwischen den Angehörigen des Nordbundes und der süddeutschen Staaten und Oesterreichs auf den von den Staaten des Deutschen Bundes vereinbarten Grundsätzen. Diese alle würden durch das einseitige Vorgehen des Nordbundes in Frage gestellt, und wer ver möchte die Zahl der Prozesse im voraus zu nennen, die sich daraus entwickeln könnten! Der Wohlstand von Norddeutschland, ohnehin schon dnrch das Uebcrmaß der Steuern ans das äußerste bedroht, würde durch ein solches Vorgehen des Reichstags ungleich schwerer geschädigt werden, als die Herren Abgeordneten sich einbilden. Zu dem allem kommt die neue Scheidewand, die der Reichstag dnrch dieses Gesetz zwischen Nord- und Süddeutschland aufrichten würde. Bayern, Oesterreich und Württemberg haben die bundesge- sctzliche Schutzfrist von 30 Jahren nach dem Tode des Urhebers in ihre besonder,: Gesetzgebungen ausgenommen. Ihr buchhändlerischer Verkehr hat sich in Folge dessen in kaum glaubhafter Weise gehoben- Sie haben demgemäß nicht die mindeste Veranlassung, ihre günstige Lage zum Vortheil des Nordbundes aufzugebcn. Ganz im Gcgen- thcil, sic würden thöricht handeln, wenn sie die Mißgriffe des Reichs tags nicht für sich ausbeuten wollten. In Nr. 54, Se. 759 sind zwar eine Reihe bedeutender Werke namhaft gemacht, die erst kurz vor dem Tode ihrer Verfasser erschie nen sind, und welche also in Süddeutschland und Oesterreich zehn Jahre früher dem Gemeingut verfallen würden, als bei dem erwähn ten 40jährigen Marimalschutz in Norddeutschland. Gleichwohl aber würde dieser Nachthcil den viel größeren nicht aufwiegen, daß im Allgemeinen in ganz Norddeutschland die Erben der Schriftsteller und Künstler um 20 Jahre weniger geschützt sein würden, als jcnseit des Main; und wer wollte cs den dortigen Buchhändlern verargen, wenn sie von dieser Lage, die der Norddeutsche Bund sich muthwillig geschaf fen, den möglichsten Vortheil zu ziehen suchten! Die Schutzlosigkeit der deutschen Literatur hat seiner Zeit den deutschen Buchhandel veranlaßt, sich von Frankfurt a/M. nach Leip zig zu wenden. Was damals unter weit ungünstigeren Umständen möglich war, ist cs heute viel mehr, und Wien und Stuttgart wären vollkommen in der Lage, dem aus seiner Heimath vertriebenen nord deutschen Buchhandel einen willkommenen Zufluchtsort zu bieten. So gewichtig diese Gründe sind, so haben wir den wichtigsten Grund doch bis zum Schluffe aufgespart. Seit länger als einem Jahrhundert hat der deutsche Buchhandel gelernt, sich als den einheit lichen Träger der deutschen Kunst und Wissenschaft zu fühlen. Ihm ist es zu danken, wenn solche auch in jener traurigen Zeit eins und einig blieben, als Deutschlands Fürsten und freie Städte als willen lose Werkzeuge eines fremden Herrschers die Waffen gegen sich selbst kehrten. Die Niederlagen von 1806 und 1809 haben die Einigkeit des deutschen Buchhandels nicht geschmälert und die Siege von 1813 haben nichts zu ihrer Verstärkung beigetragen; er hat den Rheinbund und den Deutschen Bund überdauert und er verzweifelt auch nicht daran, den Mainbund zu überleben, und am gewissesten dann, wenn dieser in seinem Uebermuthc an die heiligsten Güter des Volkes die frevelnde Hand legt und über die berechtigten Wünsche seiner Schrift steller, Künstler und Buchhändler trotzig hinwegschreitet. Wir geben zu, daß der Reichstag zwar heute die Macht dazu hätte; allein wir wagen es vorauszusagen, daß er in diesem Falle doch nur ein vergängliches Werk schafft. Der deutsche Buchhandel kann sich nicht zerreißen lassen, ohne sich selbst aufzngeben. Er kann 132*
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