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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 07.03.1870
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- 07.03.1870
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- Deutsch
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760 Nichtamtlicher Theil. JZ 54, 7. März. Es ist sogar im Reichstage die Rede davon gewesen, die Schutzfrist vom Erscheinen des Werkes ab auf eine gewisse, nicht allzulange Reihe von Jahren zu bemessen. Ein solcher Vorschlag würde entschieden die Autoren schwer verletzen, nicht nur in Be zug auf die Honorarverhältnisse, sondern noch viel mehr in der freien Disposition über ihre Geistcsproducte, und es ist wohl nur eine Forderung des Anstandes, die nicht erst betont zu werden braucht, daß man jedem Autor unter allen Umständen bis an sein Lebescndc vollständig freie Hand über die Vervielfältigung seiner Gcistesproducte lasse. Aber auch nach dem Tode darf die Frist nicht allzu knapp bemessen werden, da sonst dem Verleger leicht alle Aussicht auf einen Ertrag genommen ist. Wir erin nern hier an die leider sehr häufigen Fälle, daß literarische oder künstlerische Autoren mitten in ihrer Arbeit ihrem Wirkungskreise durch den Tod entrissen werden. Noch in diesen Tagen starb 4>r. Oppermann in demselben Moment, wo der erste Band seines neuesten Werkes (Hundert Jahre) im Buchhandel zur Versendung kam. Assessor Fischcl starb eines jähen Todes, als er eben sein Werk über die englische Verfassung publicirt hatte. Nicht minder zahlreich sind ähnliche Beispiele aus der musikali schen Welt. Otto Nicolai starb kurz nach Vollendung seiner berühmtesten Oper: Die lustigen Weiber; Albert Lortzing hat sein bestes Werk „Czar und Zimmcrmann" nur kurze Zeit über lebt; Carl Maria von Weber starb nach den ersten Auffüh rungen seines Oberon; Lanner und Strauß, zwei in Bezie hung auf die überaus glänzenden geschäftlichen Erfolge ihrer Werke wahrlich nicht zu unterschätzende Komponisten, sind mitten in ihrer glücklichsten Lebcnsperiode gestorben. Und in allen diesen Fällen sollte mit dem Tode des Autors oder sehr bald danach jedes Anrecht der Erben auf Honorargenuß erlöschen? Man muß sich wahrlich die rechtlichen Folgen eines solchen Gesetzesvor? schlagcs nicht klar gemacht haben, um ernstlich dafür sprechen zu können. Im Gcgcntheil, wenn die Erben noch ein volles Mcn- schcnalter — 30 Jahre — nach dem Tode ihres Autors Anspruch auf den etwaigen Honorargenuß haben, so ist mit diesem Maße eben nur ein vollberechtigter Anspruch dargcboten, wie er auch in den Gesetzen fast aller Culturstaaten zum gerechten Ausdruck gekommen ist. In ganz besonders übler Lage würden sich aber bei sehr kurzer Schutzfrist die berühmten Gelehrten befinden, welche — wie das gar nicht so selten vorkommt — noch in hohem Alter größere Arbeiten erscheinen lassen. Wer soll Wohl einem 75jäh- rigen Ale ran der v. Humboldt den Kosmos honoriren (der erste Band erschien bekanntlich 1845), wenn eine kurze Schutz frist den Verleger bedroht? Wer soll dem 82jährigen Auber seine Opern abnehmcn, die er noch mit voller Geistesfrische schreibt? Es darf Wohl nur auf so schlagende Beispiele hinge wiesen werden, um die wahrlich mehr als reiflich erwogene Schutzfrist von 30 Jahren nach dem Tode als unbedenklich hin zustellen. Und dieser Schutzfrist gegenüber ruft Or. Braun dem Reichstage zu: „Wollen Sic ein Gesetz, das den Schriftsteller und seine Erben zum Darbe» verurtheilt und das die Verleger zu Millionären (!!!) macht, dann nehmen Sie den gegenwär tigen Gesetzentwurf an." Als ob nicht jeder Autor lediglich über die Bedingungen zu verfügen hätte, unter denen er seine Gcistes producte dem Verleger überläßt!j Aber freilich, nach Or. Braun sind die deutschen Schriftsteller keine Spcculanten. Nun, im vergangenen Jahre haben wir erst den Fall erlebt, daß ein namhafter deutscher Romanschriftsteller sein jüngstes Product fast gleichzeitig an vier Zeitungen und einen Buchverlegcr um recht ansprechende Summen verkauft hat. Vcrmuthlich dachte jener Autor mir Goethe: Du mußt herrschen und gewinnen, Oder dienen und verlieren, Leiden oder triumphiren, Amboß oder Hammer sein! Statt an dieser Frist so viel zu mäkeln und mit so vagen Argumenten dagegen anzukämpfen (Homer und Plato, Schillcr's Armuth und Goethe's Enkel wurden in dem bunten Kaleidoskop der Braun'schen Rede durcheinander geworfen), hätte der Reichstag lieber den Werth des Gesetzentwurfes im Ganzen erwägen sollen, und er wäre dabei sicher zu dein Resultate gelangt, daß dieser Entwurf ein ganz wesentlicher Fortschritt gegen das bestehende Gesetz von 1837 zu nennen ist. Man tadelt die sehr in's Detail gehende Eremplifieirung. Sie ist aber nicht zu tadeln, wenn man erwägt, welche sehr ver schiedenartige Kategorien von Geistesthätigkeit auf diesem so viel seitigen Gebiete in Betracht kommen. Freilich, ein so dürftiges Gesetz, wie die Franzosen es haben, wo eine Reihe zusammen hangloser Decretc seit der großen Revolution all diese Verhält nisse zu ordnen gesucht hat, oder ein solches Conglomerat von gesetzlichen Bestimmungen, wie die Engländer es haben, mag verworrenen Gemüthern heimischer erscheinen, als ein planvoll angelegtes, mit logischer Conscguenz durchgearbcitetes Gesetz, welches wie der vorliegende Entwurf alles an der rechten Stelle behandelt und so es auch dem Laien möglich macht, sich mit halb wegs gutem Willen bald zu orientiren. Diese sehr eingehende Eremplifieirung ist aber nothwendig, wenn man bedenkt, wie wenig Geläufigkeit unsere Richter gerade in dieser Materie haben. Und woher soll auch die praktische Erfahrung bei den einzelnen Richtern kommen? Sind doch in den 32 Jahren seit Bestehen des Gesetzes von 1837 im ganzen preußischen Staate nur 137 Fälle zur Kcnntniß des literarischen Sachverständigen-Vereins gekommen, also jährlich nur 4th Fall, welche geringe Zahl sich auf die sämmtlichen Gerichte im preußischen Staate vertheilt. Soll daher der Richter nicht ganz im Unklaren tappen, so muß ihm das Gesetz hierin hilfreich zur Hand gehen. Endlich sind auch die Criminal-Strafen mißfällig aufgefaßt worden. Unsers Erachtens wäre der Fortfall der Criminal- Strafen nichts anderes, als die lebhafteste Herausforderung be sitzloser Nachdrucker zu ihrer verderblichen Thätigkeit. Da sie durch Criminalstrafen (eventuell Gefängniß) nicht bestraft wer den könnten, so bliebe ja dem beschädigten Verleger nur die in ihrem Erfolge sehr zweifelhafte Klage auf Civilentschädigung übrig, die den Besitzlosen nicht wesentlich beunruhigen kann. Glaube man ja nicht, daß mit diesen Bemerkungen über die Verhandlungen vom 21. Februar dem Gesetzentwürfe in allen Stücken unbedingt beigestimmt werden soll, vielmehr sind Einzel heiten, so namentlich in Betreff der Zeitungspresse, in Betreff des Verhältnisses der Kunst zur Industrie und ähnliche Fragen sehr zu erwägen. Einige sehr ernste Bedenken werden selbst die Freunde des vorliegenden Gesetzentwurfes nicht unterdrücken kön nen. So fehlen z. B. in den §§. 34. 35. die sehr wichtigen (in den früheren Entwürfen enthaltenen) Zusätze: „Der Lauf der Verjährung beginnt mit dem Tage, an welchem die Verbrei tung der Nachdruckseremplare zuerst stattgefunden hat." Wenn dieser Zusatz fortbleibt, so würde die Strafbarkeit eines nicht verbreiteten Nachdrucks in 3 Jahren verjähren. Man hätte also nur nöthig, Hei ne's oder Uhland's Gedichte jetzt drucken zu lassen, dann auf 3 Jahre zu verschließen, um sie nach Ablauf dieser Frist völlig straffrei verbreiten zu dürfen. Derlei Anoma lien dürfen Wohl nur angedeutet werden, um solche Bestimmungen auch dem weniger Eingeweihten als völlig unhaltbar aufzudecken. Desgleichen ist im §. 38. (Angabe der Quelle bei Anthologien, beim Abdruck von Zeitungsartikeln re.) ebenfalls der frühere Zu-
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