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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 03.03.1870
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- 03.03.1870
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- Deutsch
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706 Nichtamtlicher Thcil. 51, 3. März. «ntspringcn und wenigstens einer Erwägung bedürftig und Werth sind, und deshalb, so hosse ich, dem Anträge seine Zustimmung nicht versagen. (Lebhaftes Bravo!) Präsident: Der Abgeordnete Duncker hat das Wort. Abgeordneter Duncker: Meine Herren! Ich theilc zum Theil die Be denken des Herrn Vorredners, aber säst in keinem Punkte seine Begrün dung, welche fast überall, wie ich Ihnen nachher Nachweisen zu können glaube, nur eine halbrichtigc ist. In seiner Schlußfolgerung stimme ich ihm auch nicht bei, denn ich glaube, wir würden einfach Zeit verlieren, und wenn er selber andcutet, daß die Arbeit doch nur füglich durch eine frei willige Commission gemacht werden könnte, so sehe ich nicht ein, warum sich der Reichstag seiner officicllcn Organe cntäußcrn und nicht viel mehr zu dem Ende eine eigene Commission niedersetzcn soll, die ja diejenigen Mitglieder des Hauses in sich fassen kann, die theils Sachkenntnis), theils Interesse für die Sache haben, der cS aber außerdem unbenommen ist, auch noch Personen von außerhalb des Hauses zu hören. Denn wenn ich auch vollständig zugebc, daß die Meinung eines sogenannten Sachverständigen meist auch die Meinung eines Interessenten ist, so sind doch gewisse Ver hältnisse und die Folgen gewisser Maßregeln eben nur von Denjenigen völlig klar zu legen, die die Verhältnisse kennen, und daß diese Kegntniß der Verhältnisse beispielsweise bei dem Herrn Vorredner nicht überall vor handen gewesen ist, das will ich ihm doch im Einzelnen Nachweisen. Meine Herren, er ist hinaufgcsticgcn bis in daS graue Altcrthum und hat aus die GeisteSproductc eines Homer, eines Plato, eines Sokrates hingcwicsen, die doch große, unsterbliche Werke geschaffen hätten, ohne daß je ihr Autorrecht anerlännt wäre. Ja, meine Herren, er hat dabei die ganze sociale Grundlage dieser geistigen Heroen des Alterthums verschwie gen, daß solche Sonderstellung, die >cdc Befassung mit den elenden Sorben des täglichen Lebens, mit der wirtschaftlichen Eristcnz als etwas schmäh liches fast von sich abstieß, daß eine solche bevorrechtigte Existenz eben nur aus der vcrabscheuungSwürdigcu Grundlage des Sclaventhums möglich war. Heute, meine Herren, ist die ganze moderne Gesellschaft eine arbeitende und der Schriftsteller daher auch auf den Ertrag seiner Arbeit hingewiesen, und er wird daher auch zu diesem wirthschaftlichcn Ertrag seiner Arbeiten nur gelangen können, wenn durch die Gesetzgebung eben diese Möglichkeit gege ben ist. ES wäre doch sehr mißlich, den Schriftsteller an Stelle dieser freien wirthschaftlichcn Thätigkeit zu verweisen, wie cö der Herr Vorredner anzu- deutcn schien, aus das Lottericspiel einer Nationalbelohnung, oder auf die Gunst dieses oder jenes hervorragenden Mannes, dann möchten doch gerade sehr viele und energische Genies, die nun einmal gegen die herrschende .Zcitrichtung angehcn, ebenso vcrnrthcilt sein, in dem Dachkämmcrleiu zu wohnen, welches der Herr Vorredner sehr mit Unrecht als eine Illustration für seine Ansicht in Bezug auf Schiller angeführt hat. Denn, meine Herren, warum befanden sich unsere großen Heroen gerade in einer so materiell gedrückten Eristcnz? Unzweifelhaft gerade deshalb, weil ihre wirth- fchaftlichc Existenz nicht gesichert war, weil cS ihnen nicht möglich war, durch die Verwerthung ihrer Schriftwerke sich eine solche zu gründen, und der Grund, warum cs nicht möglich war, lag eben an dem Nachdruckun- wcscn, was damals den Standpunkt seiner höchsten Blüthe erreicht hatte. Und wenn der Herr Vorredner uns dann auf andere Länder, auf andere Culturnativnen hin cremplificirt hat, wenn er uns den dortigen Buchhan del und die dortigen literarischen Verhältnisse als Muster den unsrigen «ntgegengcstcllt hat, ja, meine Herren, dann hat er ganz vergessen, daß dort die Dinge sich gerade entwickelt haben auf Grundlage einer Gesetzgebung, die mindestens ganz analog derjenigen ist, zu welcher uns jetzt die Bun desregierungen cinladcn den entscheidenden Lchritt zu thun. Denn, meine Herren, sowohl in England, Frankreich und Italien wie in Amerika cri- stirt die Anerkennung des Rechts des Autors, sein Product ausschließlich veröffentlichen zu dürfen, und es enthalten alle jene Gesetzgebungen auch sehr erhebliche Schutzfristen, — so das Gesetz in Frankreich eine 30jährige Schutzfrist, vom Tode des Autors an gerechnet, für dessen Wittwe, für an dere Erben allerdings nur von 10 Jahren. In England ist die Schutz frist, wenn daS Werk bei Lebenszeit des Autors publicirt worden ist, zu nächst für die Lebenszeit des Autors und sodann zu Gunsten seiner Erben vdcr anderer Rechtsnachfolger noch 7 Jahre lang nach seinem Tode, oder im Ganzen 42 Jahre von der ersten Veröffentlichung an gewährt. Die selbe Schutzfrist gilt auch für posthume Werke. Also, meine Herren, die gepriesenen Verhältnisse der Literatur und des Buchhandels haben sich in all' jenen Ländern überall erst entwickelt auf der Grundlage der anerkann ten Autorenrechte, und wenn wir in Deutschland über so viele Mißstände zu klagen haben, und wenn ich allerdings zugebe, daß der Preis unserer literarischen Erzeugnisse im Ganzen noch zu hoch steht, ja, meine Herren, fo suche ich umgekehrt den Grund darin, daß wir mit unserer Gesetzgebung so lange im Rückstände geblieben sind, und insofern habe ich allerdings mit Dank die Anerkennung deö Herrn Bundescommissars vernommen, es sei vorzugsweise den Bemühungen des deutschen Buchhandels, der sich aller dings in der politischen Zerrissenheit Deutschlands früh als eine Ein heit gefühlt und constituirt bat, gelungen, theils durch die Gesinnungen, welche er innerhalb seiner Corvoration anrcgte, theils durch seine Ein wirkung auf die particularen Gesetzgebungen, das Nackwruckwescn mehr und mehr zu beschränken. Und je mehr es beschränkt worden ist, meine Herren, um so mehr sind auch die Autoren besser gestellt worden und um so er heblicher sind die Autorenhonorare gewachsen. Und seit wir endlich — Dank dem politischen Aufschwung — eine wirkliche öffentliche Presse mehr und mehr gewonnen und dadurch Zeitschriften geschaffen worden sind, welche für einen in der That billigen Preis in die Massen dringen können, da sind seit den letzten Jahren die Autorenhonorare, namentlich für belletristische Schriftsteller, rapide und in einer Weise gestiegen, daß diese Honorare wohl einen Vergleich mit denen des Auslandes nach und nach werden aushalten können. Ich glaube daher, daß wesentlich die Annahme eines solchen Ge setzentwurfs nicht den Industriellen, nicht den Buchhändlern bloß zum Vor theil gereichen wird. Meine Herren, ein gewandter Bllchhänoler wird aller dings — darin gebe ich dem Vorredner Recht — sehr gut auch bei voller Freiheit des Verkehrs, bei voller Abschaffung der Autorenrechte seine Rech nung find u, und vielleicht noch besser, wenn er überall dasjenige auswäh len kann, was er gerade für den Augenblick iür den Markt am passendsten findet. Aber, meine Herren, die Autoren selbst, die können doch nur dann aus ihren geistigen Werken die Grundlage einer wirthschaftlichcn Existenz gewinnen, wenn eben ihnen ein Schutz durch das Gesetz gewährt wird. Wenn in einzelnen Fällen — wie der Herr Vorredner bemerkt hat — die Erben der Autoren oder einzelne Autoren selbst nicht die nöthigen Vor theile daraus gezogen haben — ja meine Herren, so ist das wahrlich nicht Schuld der Gesetzgebung, daS ist die Schuld der Herren selbst; warum schließen sie schlechte Contracte ab? Wenn hier der erste Paragraph unseres Gesetzes sagt, das Recht, eine Schrift herauszugeben, stehe ausschließlich dem Autor zu, und ein folgender Paragraph ihm die Befugnis) gibt, über dieses Recht ganz oder theilweise zu disponiren, so wird es ja lediglich von ihm abhängen, unter welchen Bedingungen er seine Schriften dem Ver leger verkauft, und je länger je mehr 'macht sich heutzutage schon die Praxis geltend, daß die Schriftsteller bald alle mehr und mehr ihren Vor theil erkennen und nur für kurze Zeit und für einzelne Auflagen contrahiren; sie haben cs also in der Hand, während der ganzen Dauer der Schutzfrist ihr Eigenthumsrecht geltend zu machen. Meine Herren, es läßt sich ja, das erkenne ich gern an, sehr über die Ausdehnung der Schutzfristen streiten. Die Frage beantwortet sich meiner Ansicht nach dahin: — ich erkenne auch kein körperliches Eigenthum an geistigen Erzeugnissen an und der Entwurf hat sich ja auch davon fern gehalten — aber jedenfalls, meine Herren, steht doch die Sache so: unser Schriftenthum, unsere Literatur, unsere Dichtkunst gehen hervor aus zwei Factorcn: es ist einmal die gestimmte geistige Arbeit der Nation selbst der Boden, aus dem der Einzelne, auch das bedeutendste Genie seine Ideen schöpft und producirt; aber die Gestalt, wie er die Idee verkörpert, ist dann doch seine eigenste Zuthat, zu der er nicht gelangen kann ohne eine sehr ernste Arbeit, und insofern, glaube ich, muß man ihm das Recht, diese Arbeit zu verwerthen, gönnen^ Aber weil er eben in dieser ganzen geistigen Production zugleich auf den Schultern seiner Vorgänger steht, weil er der Erbe von Jahrhunderten ist, so ist cs auf der andern Seite auch billig und recht, daß dies sein Recht nur ein begrenztes ist, daß es wieder uutergcht in dem Rechte der Gesammthcit. Und da finde ich denn auch allerdings, daß vielleicht die Schutzfristen unseres Gesetzentwurfes zu lang bemessen sind, (Hört!) daß sie jedenfalls anders abgegrenzt werden müssen; denn wir kommen durch dasselbe in der That zu sonderbaren Unzuträglichkcitcn. Denken wir uns z. B., das Gesetz hätte schon Anwendung finden können auf unsere beiden hervorragendsten Dichter, auf Schiller und Goethe — wir haben zu fällig hier ein ichlagcndeö Beispiel, wo der Eine in der Blüthe seiner Jahre svrtgerissen wurde und der Andere erst nach einem langen glücklichen Leben. Während Schiller's Werke, gerade seine vorzüglichsten Dramen, die er an sei nem Lebensende geschaffen hat, dreißig Jahre nach seinem Tode, also im Jahre 1835, schon Gemeingut der Nation geworden wären, würde bei Goethe der Fall sich ganz ander« gestellt haben; Goethe's Werther, der in den 70er Jahren erschienen ist, würde danach erst nach neunzig Jahren Gemeingut der Nation geworden sein. Das sind allerdings Widersprüche in sich und ich glaube, man müßte da zu einer besseren Bestimmung in der Weise ge langen, daß man die Dauer der Schutzfristen abhängig macht von dem Er scheinen des Werkes. Es lassen sich dagegen freilich auch gewisse Bedenken erheben; denn allerdings tritt dann der Uebelstand ein, daß dem Autor noch während seiner Lebenszeit gewissermaßen die Disposition über sein Werk entzogen wird. Ein Dichter wird überhaupt immer fortarbeitcn in seinen Producsionen, er wird sich nie zufrieden geben mit der ersten Gestaltung, die sein Werk gefunden hat, und so würde er es erleben, daß, während er selbst sein Werk in einer anderen Form noch herausgibt, die er als die endgültige betrachtet, inzwischen schon die erste Auslage seines Werkes, die eine andere Form gehabt hat, frei geworden ist und nun gleichsam seiner neueren, die er für die richtige hält, Concurrenz wacht. Ich glaube, gegen
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