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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 03.03.1870
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- Ausgabe
- Erscheinungsdatum
- 03.03.1870
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- Deutsch
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.N 51, 3. März. Nichtamtlicher Theil. 705 Interessen hohnsprechendcr proportioncll geringerer Lohn seitens unserer Nation! Glauben Sie nicht, das sollte uns zu der Frage veranlassen, ob hier nicht etwa« „faul" sei im Staate Deutschland? Nun noch 60 Jahre! eine enorme Frist von 60 Jahren! wer soll denn den Vortheil davon ziehen ? Die deutschen Schriftsteller sind bekanntlich keine Speculanten, sie sind, wie schon Schiller in seiner „Theilung der Erde" constatirt hat, diejenigen, die immer zuletzt und zu kurz kommen. Glauben Sie, ein deutscher Schriftsteller sei im Stande, die 60 Jahre im voraus zu diöcontiren und glauben Sic, daß er für ein Autorrecht von 60 Jahren auch nur einen Pfennig mehr vom Verleger bekommt als sür ein solches von 15 oder 20 Jahren? ganz gewiß nicht! Was ist also der Erfolg von einem solchen Gesetze? Sic besteuern die geistige Nahrung des Volkes nicht zu Gunsten des Urhebers der geistigen Nahrung, sondern zu Gunsten einer dritten mir völlig gleichgültigen Person! (Sehr richtig!) Ich finde, daß die geistige Nahrung schon ohnedies mehr als gut be steuert ist; wir haben ja den Zcitungsstcmpel, den wir wegschafscn wollen und — so hoffe ich — bald wcgschafsen werden, nachdem nun endlich dieses im vorigen Jahre so viel besungene Deficit beseitigt ist. Wir haben in andern Ländern sogar eine Stempelsteuer auf Broschüren. Hüten wir unö diesen Belastungen eine neue von erorbitantem Umfange beizufügcn! Nun sagen Sie freilich: „Ja, aber die Erben des Schriftstellers. Be denken Sic, daß die Erben Milton'S im Elende gelebt haben und daß der Schauspieler Garrick sic aus dem Elende hcrauörcißcu mußte, dadurch, daß er Bencfizvorstellungcn für sie gab." Ja dieses Argument ist schon im Jahre 1842 im englischen Unterhaus? geltend gemacht worden, als ein wohl meinendes aber schlecht unterrichtetes Mitglied des Parlamentes ein ähnliches Gesetz vorschlug, wie das hier, waS aber auf den Antrag Macaulay's zu- rückgeschoben wurde, um cS nach 6 Monaten, wo das Parlament nicht mehr saß, zum zweiten Male zu lesen. Thatsache ist aber, daß zu der Zeit, als Milton'S Erben im Elende waren, ein Londoner Buchhändler, Namens Tonson, ein aus ewige Zeilen bestehendes Privileg auf Milton'S Werke hatte; und da« war gerade der Grund, weshalb Milton'S Erben im Elende lebten, und das war gleichzeitig der Grund, warum diese unsterblichen Werke dem englischen Vol(c immer unzugänglicher wurden durch Steigerung der Preise, und daß Jeder, der diesem nationalen Elende abhelfcn und eine billigere Ausgabe machen wollte, seitens dieses Mr. Tonson mit Prozessen verfolgt wurde, die ihm unerträgliche Strafen an den Hals hänatcn. Ich will hier beiläufig bemerken: ich glaube, wir können in dieser ganzen Materie überhaupt das criminalrechtliche Gebiet, welches in diesem Ent wurf eine jo große Rolle spielt, vollständig entbehren, wir reichen mit ein facher Negnlirung des civilrcchtlichcn Schadenersatzanspruches vollkommen ans. Fort mit dem Criminalrccht, wo cS nicht unentbehrlich ist! Nun, meine Herren, in Deutschland haben wir ja dieses vortreffliche Gesetz auch schon seit langer Zeit, dieses Gesetz, das die Erben der Schrift steiler schützen soll. Ich habe daö Glück, Enkel unserer berühmtesten deutschen Schriftsteller zu kennen, ich habe namentlich die Ehrc,?zwci Enkel Gocthc's zu kennen. Ich babc nicht gehört, daß sie durch die unsterblichen Werke ihres Großvaters Millionäre geworden sind, wohl aber ist cs der Verleger geworden. Wollen Sie nun ein Gesetz, das den Schriftsteller und seine Erben zum Darben verurthcilt, und das die Verleger zu Millionären macht, dann nclimen Sic den gegenwärtigen Gesetzentwurf au. Wollen Sie für die Erben sorgen, nun, daun wollen wir recht conservativ sein, dann wollen wir sagen: das Autorrecht ist ein unveränderliches, unveräußerliches Majorat oder Fidcicommiß und erbt in der Familie des Schriftstellers auf den Erst geborenen; so sorgt man für die Erben. Aber mit diesem Privileg zu Gunsten der Verleger, damit sorgt man in der That nicht für sie, auch nicht einmal bei ihren Lebzeiten, und wenn Sic daran Zweifel haben, so gehen Sie doch einmal nach Weimar und betrachten Sic sich daö elende Dach- kämnicrlcin, worin Schiller gearbeitet hat, das wackelige Stehpult, an dem er sich selber mit eigenen Händen eine Vorrichtung zum Auf- und Nieder schrauben hat machen müssen, das schmale Brett, aus dem er geschlafen, und worauf unser einer sür seine ausgedehnte Figur keinen Platz findet. (Heiterkeit) Ich sage also, meine Herren, wenn Sie so diese Steuer auf die geistige Nahrung vervierfachen, so vervierfacheil Sic damit nicht den Antheil des Schriftstellers an der Nationalbclohnung, sondern im Gegeuthcil, Sic drücken denselben herunter; denn „die Nachwelt flicht dem Mimen keine Kränze", aber oft auch nicht für die Schriftsteller; die meisten sind Geschöpfe des Tages und gehen mit dem Tage vorüber, und wenn sic nicht, dem Rathschlagc ,,carpe stiem" entsprechend, durch raschen Umschlag ihres Pro- ductcS, wie jeder andere Producent und Kaufmann'auch thut, zu Gelbe kommen — die Nachwelt wird den Wechsel, den sic auf sic ziehen, schwerlich häufig honoriren. Ich erinnere Sie an daö, was wir erlebt haben, an die vielen verschollenen Schriftsteller der Zwanziger Jahre, die sich damals um die Dresdner Abend-Zeitung versammelten, Heinrich Clauren, Theodor Hell, Friedrich Kind, der sogar mit dem Freischütz in einer gewissen Verbindung gestanden hat, wo sind sie hingckommcn? Es weiß kein Mensch mehr etwas von ihnen. Das Verweisen auf die Nachwelt, auf die Zukunft führt nur dazu, daß in der Gegenwart die Leser geplündert und die Dichter nicht be-' reichert werden. Dann aber, meine Herren, wissen Sie gar nicht, an wen das Vcrlegerrecht im Verlauf solcher zweier Mcnschenalter kommt. Denken Sie z. B. das Vcrlegerrecht an einer Schrift, die einer bestimmten politischen, religiösen oder sonstigen Richtung angehört, die aber gleichwohl einem großen Theil der Nation lieb geworden ist. Ein solches Verlagswerk kommt auf dem Wege des Erbgangs, Verkaufs oder wie irgend sonst in die Hände eines Verlegers, der der entgegengesetzten Partei angehört, der aus Ueberzeugung oder im Interesse seines Geschäftes seiner Partei gehorcht und dessen sociale Stellung und sonstige Einrichtungen ihm verbieten, ein solches Werk neu aufzunehmen, daun verschwindet diese der Nation theurc Schrift spurlos vom Markte des deutschen Buchhandels. Gibt cö dawider etwa in diesem Gesetz entwurf ein Schutzmittel? Ich habe bis jetzt kcins darin gefunden. Der Verleger, als souveräner Herr über Leben und Tod dieses geistigen Products, chicanirt den Autor und das Publicum, macht kein Inserat mehr, keinen Abdruck, aus reiner Malice, aus Bosheit, aus Fancy, Muthwillcn, aus phantastischen Gelüsten, oder sonst irgend einem Grunde diese ganze geistige Arbeit völlig lahm auf so lange Zeit, bis sie vergessen wird bei den kommen den Geschlechtern. Dann aber provociren sic mit solchen drakonischen Ge setzen geradezu den Nachdruck und die Piraterie, wie sie mit dem übermäßigen Schutzzoll den Schmuggel provociren. Ich muß anerkennen, daß die Motive dieses Gesetzes mit großer Aufrichtigkeit und Deutlichkeit die Quelle bezeichnen, aus welcher der Entwurf entsprungen ist. Es werden nämlich als Quellen citirt die beiden Entwürfe des Börsenvcreins der deutschen Buchhändler. (Hört!) Ja, meine Herren, wenn wir nur (nicht das wirkliche, sondern) das vermeintliche Interesse der dcutschcn Verleger, d. h. was sie in irrtümlicher Weise im gegenwärtigen Augenblick für ihr Interesse halten — denn es ist in der That nicht ihr Interesse; ihr Interesse ist der rasche Umschlag und der massenhafte Absatz, — wenn wir dieses vermeintliche Interesse der dcutschcn Verleger, wie sie cs im gegenwärtigen Augenblicke auffasscn, berücksichtigen wollten, dann hätte man allerdings keinen besseren Entwurf, als den vor liegenden machen können. Als Quelle wird weiter citirt die Arbeit der Commission des vormaligen alten Deutschen Bundes. Es ist bekannt, daß sic lediglich auch auf solchen Grundlagen ausgcbaut ist.. Dann sind citirt die Gutachtcndes Berliner königlichen literarischen Sach- vcrständigen-Vereins, herausgegcbcu von Dambach undHcydcmann, unter dem Titel „die preußische Nachdrucks-Gesetzgebung". Bezüglich dieser Schrift glaube ich constatircn zu müssen, daß die Consumentcn, d. h. Diejenigen, die nach geistiger Nahrung rufen und deren Mittel gegenwärtig nicht aus- > eichen, um sich dieselbe zu verschaffen, bei dieser Schrift, meines Wissens, ebenfalls nicht mitgewirkt haben. Nun, meine Herren, komme ich zum Schluß. Ich concludirc so: wir wollen nicht codificiren, sondern, wenn wir diese zu unserer Compctcnz gehörigen Gegenstände angrcifcn, so wollen wir als wirkliche und wahre Gesetzgeber fungiren und au die gegenwärtig bestehende Gesetzgebung, statt sic zu versteinern, den Maßstab der Kritik anlcgen, ob sie denn auch wirklich was taugt, ob sie dem Interesse unserer großen Nation entspricht und namentlich, ob sie geeignet ist, dem deutschen Volke geistige Nahrung in hin reichendem Maße und in hinreichender Güte zuzuführen zu einem Preise, den cö dafür zu bezahlen im Stande ist. Ich sage weiter, meine Herren, wir wollen keine kleinliche Kasuistik machen; auch der Form nach geht mir dieser Gesetzentwurf viel zu sehr in's kleinliche Detail ein, (Sehr wahr!) woran wohl hier und da ein Interessent ein Interesse hat, was aber durch aus nicht geeignet ist, eine rationelle Rechtsprechung zu befördern, weil cs dem Richter seiner unwürdige Fessel» ankegt. lSehr wahr!) Dann will ich vor allen Dinge» das ganze crinüualrcchtlichc Element aiis dem Entwürfe beseitigt haben. Vielleicht wird inan nun von Seiten eines oder des andern Mitgliedes nach dieser Auseinandersetzung zu der Couclnsion kommen, cs sei besser, den Gesetzentwurf an eine Commission zu verweisen. Ich habe die Gründe bereits angegeben, warum ich einen solchen Vorschlag nicht mache, sondern mich daraus beschränke, die Auf schiebung der Berathung, der Specialbcrathung wenigstens, auf 14 Tage vorzuschlagen. Ich hoffe, daß es zwischenzeitlich möglich sein wird, daß sich etwa eine Commision von Freiwilligen bildet aus den verschiedenen Fraktionen dieses Hauses, uni diejenige Arbeit zu verrichten, welche sonst einer Commission anhcimgestcllt werden würde. Macaulay hat, wie gesagt, die Vertagung auf 6 Monate beantragt, also aus eine Zeit, wo das Haus nicht mehr tagte, ich bin kein Macaulay und beschränke mich in meiner Bescheidenheit darauf, eine Vertagung aus 14 Tage zu beantragen; und ich hoffe, das Haus wird, wenn cs auch nicht allen meinen Ausführungen zustimml, doch wenigstens anerkennen müssen, daß sic aus guten Absichten
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