Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 03.03.1870
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- 03.03.1870
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704 Nichtamtlicher Theil. 51, 3. März. deutsche Nation nicht allein in dem Norddeutschen Bunde, es gibt auch Deutsche auherhalb des Norddeutschen Bundes, es gibt Deutsche nicht nur in Süddeutschland und Oesterreich, sondern auch in andern europäischen Ländern und in auhcrcuropäischen Welttheilcn; die deutsche Literatur ist ein gemeinsames Eigenthum alter dieser Deutschen; wir, der Norddeutsche Bund, sind nicht berechtigt, allein über sie zu verfügen, und wenn wir eine Grundlage für unser Autorrecht legen wollen, so müssen wir sic meiner Meinung nach so einrichten, daß wir sic auf dem Wege internationaler Verträge ausdehnen können, „so weit die deutsche Zunge klingt". Nun, meine Herren, glauben Sie aber, daß Sie das fertig bringen mit dem ver zopften Zunstsystcm, das in diesem Entwürfe zu Grunde gelegt ist? Glau ben Sic denn, daß die Regierung und Volksvertretung z. B. der amerika nischen Union sich jemals aus dem Wege eines internationalen Vertrages dazu verstehen wird, ihrer deutschen Bevölkerung die geistige Nahrung in dem Maße zu erschweren und zu vertheucrn? Glauben Sie, daß es Ihnen jemals gelingen wird, auf dem Wege der internationalen Verträge die deutschen Schriftsteller zu schützen gegen den Nachdruck des Auslandes, wenn Sie nicht Ihre Anforderungen ermäßigen auf ein Maß, welches allen civilisirtcn Nationen ein gemeinsames zu sein im Stande ist? Bei unserer heutigen verbundenen Welt, bei dieser engen Verbindung zwischen allen Ländern und allen Wclttheilen können wir keinen Schritt auf einem so be deutsamen Gebiete der Gesetzgebung vorwärts thun, ohne uns gleichzeitig die Frage vorzulcgcn: „was wird daraus werden im internationalen Ver kehr?" Dann aber, meine Herren, glaube ich, wird heutzutage doch Niemand bestreiten können, daß das Autorrecht ein Monopol ist, wie jedes andere Monopol auch, und daß es mit den Monopolen soviel gemeinsam hat, daß es das Product vertheuert; es wird es um so weniger vertheucrn, je mäßiger cs geübt wird und je kürzer die Zeit ist, für die man cS er- thcilt, es wird aber um so mehr die Folge der Vertheuerung haben, je länger man die Zeit auSdehnt, und diese lange Ausdehnung der Zeit wird, wie ich Ihnen sväter Nachweisen werde, sür den geistigen Urheber, d. h. für den Schriftsteller, gar keinen Vorthcil bringen. Ich, meine Herren, beschränke — ich muß das hier cinschaltcn — meine Argumentation vorzugsweise auf die Schriftwerke; ich will sic, um Ihre Zeit nicht allzulange in Anspruch zu nehmen, nicht auch ausdehucn auf die Musik, auf die öffentlichen Auf führungen, die bildenden Künste, Photographien u. s. w., offen gestanden, deshalb nicht, weil ich über diese Dinge noch nicht vollständig schlüssig ge worden bin in den wenigen Tagen, seitdem uns der Entwurf vorliegt, während ich in Bctrcss der Frage des sogenannten „geistigen Eigenthums" durch längere Studien wenigstens einigermaßen informirt zu sei» glaube. Nun, meine Herren, wenn wir nun dem Volke so sehr seine geistige Nahrung init Monopolen vertheucrn, ist es dann zu verübeln, wenn Leute, die uns, die dem Norddeutschen Bunde, die dessen gesetzgebenden Factoren, die dessen Reichstage abhold sind, uns eines schönen Mor ens die Frage aufwerscn: „Ja, für die Handwerker, da habt Ihr die Zünfte und Monopole be seitigt, aber für das gelehrte Handwerk, da wolltJhr sic riesengroß wieder anfricbtcn, indem Ihr ein doppeltes Menscheualtcr für das Monopol als Regel und Frist firirt." — Wenn das Monopol so vortrefflich wäre, wie es in diesen Motiven geschildert wird, dann wäre ja die nothwendige Con- scquenz, daß man cs aus ewige Zeiten errichten müßte; warum dann nur aus zwei Menscheualtcr? Ich sage aber, weil wir es noch nicht entbehren können in dem gegenwärtigen Uebergangsstadium unserer Cultur, deswegen wollen wir es zwar noch zulassen; weil es aber, je länger es dauert, desto schädlicher wirkt für die Consumcnten und desto weniger Nutzen für die Produccnten, deswegen wollen wir es auf möglichst kurze Zeit beschränken. Ich bin in der That weit entfernt, irgendwie dem Interesse der Schrift steller abgeneigt zu sein, ich glaube, gerade die Schriftsteller selbst werden aus diesem Wege weit besser fahren, als auf dem gegenwärtigen; und ich erlaube mir gegenüber dem herrschenden Vorurtheilc meine Gründe dafür kurz anzugebcu. Wenn Luc die Lhatsachcn beobachten, verehrte Herren, so werden Sie finden, daß in Frankreich und in England die neuen Auflagen in ebenso viel Wochen emporspricßcn, wie bei uns in Jahren, und daß, wenn z. B. in London ein Buch, insofern cs ein sehr vornehmer und gesuchter Artikel ist, auch zwar vielleicht in der ersten Auflage ein Pfund pro Band und in der zweiten Woche ein halbes Pfund kostet, daß cS aber bei der dritten Auflage schon für einen Schilling und bei der vierten für sechs Pence der Band verkauft wird, so daß das Buch den weitesten Eingang in die größten Kreise findet. Ebenso werden Sic in Frankreich sehen, daß auch dort die Auflagen einander schnell folgen und daß sehr bald solche Bücher, die es in der That verdienen populär zu werden, der Band auf ein Franc im Preise hcruntergehen. Bei uns in Deutschland haben wir bei unseren größten Classikcrn, bei Schiller und Goethe, die ein Gemeingut der Nation sind, wie kein anderer deutscher Schriftsteller, länger als ein halbes Jahrhundert warten müssen, bis es dem geringer Bemittelten möglich war, sich deren Werke anzujchafsen, um sie zu seiner täglichen geistigen Nahrung zu machen. Ich denke, meine Herren, diese Parallele muß für uns in der That etwas Beschämendes haben, denn ich setze voraus, daß wir alle von der Meinung fern sind, daß die elastische Literatur „Kaviar sür das Volk" sei. Was nun den deutschen Buchhandel anlangt, der von dem Herrn BundeScommissar so „bewundernswert!)" be funden worden ist, so mutz ich gestehen, daß ich diese seine Bewunderung nicht ganz thcilcn kann, sondern einige leise Zweifel erheben muß, ob das nichtein höchst einseitiges Urtheil sei. Sehen Sie, meine Herren, wie ist denn der deutsche Buchhandel organisirt? Es gibt unzählige Sortimente, die verbreiten die Bücher für einen Aufschlag, wie er, glaube ich, in keinem andern der Handclsgebiete in Deutschland vorkommt, etwa den Weinhandel ausgenommen (Heiterkeit) oder die Cigarren. Nun, meine Herren, ist der Vertrieb der Art, daß vor der nächsten Messe kein Mensch weiß, was verkauft worden ist, oder was auf dem Wege der Krebse zurückkchrt. Eine neue Auflage ist also, wenn der Verleger nicht ein Risico in den Tag hinein machen will, während der Zeit gar nicht möglich; der ganze Vertrieb wird verzögert und verzottelt ganz gegen das Interesse des geistigen Urhebers. Dergleichen Sie doch ein mal, wie es in England zugcht. Der Mann verlegt sein Buch und bringt seine Auflage auf die öffentliche Versteigerung; versteigert sic in Quoten, in Portionen und bietet sie noch einmal im Ganzen aus, und sagt dem Ver käufer: „Ich verwillige dir eine Frist von so und so viel, binnen deren mußt du deine Sache verkauft haben, sonst mache ich selber eine neue Auf lage." So wird das dann in verschiedenen Portionen zugeschlagen, und die Inhaber dieser verschiedenen Portionen machen sich unter einander oie verzweifeltste Concurrenz, während bei uns in dem Verlagsrecht an sich schon ein Monopol steckt. Auch wenn einer das Ganze kauft, so hat er doch nur eine kurze Vcrtricbsfrist; denn mit Ablauf dieser kurzen Frist erlischt sein Monopol, er muß sich also auch sputen und dahinter her sein, die Bücher schleunigst an den Mann zu bringen Alle diese Hilfsmittel, dem Volke die geistige Nahrung zuzutragcn, haben wir in Deutschland bei dieser Un masse von, thcils auf Gesetz, theils aus Usance beruhenden Monopolen leider nicht. Und was haben wir für einen Vorthcil davon? Wir Consumentcn, will ich einmal sagen. Ich habe bisher von den Urhebern' gesprochen; sprechen wir auch einmal von uns Consumentcn, die wir doch die Masse bilden. Diese Monopole führen dahin, daß in Deutschland aus dem Gebiete der Schriftwerke eine ganz unmäßige Steigerung der Production und eine ganz auffallende Verminderung der Eonsumtion, das heißt des Bücherkaufs eingetrctcn ist. Selbst die bcstsituirten Menschen geniren sich nicht, eben weil die Bücher bei uns zu theuer sind, die Werke, die sic lesen wollen, in solchen schmutzigen und widerwärtigen Exemplaren aus der Leih bibliothek zu beziehen, daß sich in England jeder Kutscher und in Frankreich jede Köchin schämen würoe, ein solches Buch in die Hand zu nehmen. (Heiterkeit) Ich kann Ihnen noch ein Beispiel erzählen. Ein süddeutscher Fürst fühlte sich bewogen, das Buch eines in seinem Lande und in seiner Residenz wohnenden Schriftsteller« zu lesen und gab Befehl, ihm solches zu ver schaffen. Der Hofmarschall wußte, statt in die Buchhandlung zu gehen, nichts Besseres zu thun, als diesen Schriftsteller aufzusuchen und ihn zu bitten, er möge ihm ein Exemplar seines Werkes schenken, weil cs Seine Majestät zu lesen geruhen wolle. (Heiterkeit) Nun meine Herren, was gewinnen wir an der übermäßigen Production der Bücher? Die Verleger würden eine ganze Masse Schund, den sic jetzt drucken, nicht drucken, wenn wir das englische und französische System des Buchhandels hätten. Da entscheidet cs sich auf der ersten Versteigerung oder sonst sehr bald, ob das Buch zieht oder nicht; und man kann sich nicht etwa in phantastischen Illusionen herumwiegcn, daß die Zeit doch noch einmal kommen werde, wo dieses „verkannte Genie" seine Anerkennung finden werde. Nun verdirbt aber diese künstlich gepflegte Ueberprvduction die wirklich berechtigte Production. Sic absorbirt einen Theil der der berechtigten Pro duction zukommenden National-Belohnung, nämlich dadurch, daß sie das Capital, welches dieser Production zur Verfügung steht, auf falsche Wege lockt. Es ist dieselbe Erscheinung, die wir beim Schutzzollsystem beobachten. Ich finde also, wenn ich diese Stellung und Nebung des deutschen Buch handels vergleiche mit den Zuständen benachbarter civilisirter Nationen, die mir bekannt sind — ich bcdaure, dieses sagen zu müssen gegenüber der Aeußcrung des Herrn Regiernngs-Commissarius — in unfern Zuständen aber auch nicht das allergeringste „Bewnndcrnswerthe" und es gehört eine starke Gewöhnung dazu, nach meiner Meinung, wenn man überhaupt etwas Derartiges darin finden will. Vergleichen Sie doch einmal die Hono rare, die ein französischer oder ein englischer Romanschriftsteller bekommt, mit denjenigen, die ein deutscher bezieht! Oder glauben Sie denn etwa, unsere deutschen Romanschriftsteller seien schlechter als die englischen und französischen? Lesen Sic dock einmal einen Roman von Georges Sand und einen Roman von Gustav Frcytag nebeneinander und thun Sie alle natio nale Eitelkeit ab, aber die Antwort, daß Frcytag hoher steht, wird Ihnen doch in der That nicht schwer werden. Legen Sic einen Roman von Victor Hugo und einen solchen von Berthold Auerbach nebeneinander. Wollen Sic be haupten, daß der letztere geringer sei? — und doch ein allen wirthschastlichen.
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