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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 28.02.1870
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- Erscheinungsdatum
- 28.02.1870
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- Deutsch
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48, 28. Februar. 659 Nichtamtlicher Theil. dern auch auf das HonbstuM, und wenn es darauf ankäme, Theorien aufzustcllen, so könnte man sich darauf berufen, daß jeder Kauf eiu freiwilliger Vertrag zwischen Verkäufer und Käufer ist, bei dem der Verkäufer seine Bedingungen stellt. Wenn ich meinem Nachbar ein Stück Land neben meinem Hause verkaufe unter der Bedingung, daß er darauf kein Haus baueu darf, so beschützen mich die Gerichte, wenn der Käufer dennoch zu baueu anfängt. Und wen» ein Autor auf seinem Buche bemerkt, daß er sich alle Rechte vorbehält, d. h. es nur unter der Bedingung verkauft, daß der Käufer cs nicht nach druckt, so läßt sich kein rechtlicher Grund absehen, weshalb der Ver käufer eine solche Bedingung nicht sollte stellen dürfen. Wir sind übrigens nicht diejenigen, welche mit dem Privatrecht Götzendienst treiben, und finden nichts dagegen zu erinnern, daß aus Gründen des öffentlichen Wohles das Gesetz das Autorrecht auf eine bestimmte Anzahl Jahre beschränkt. Das Autorrecht steht, so betrachtet, doch nicht in dem Lichte da, als ob der Gesetzgeber dem Schriftsteller mit seinem Rechte ein bloßes Almosen zuwerfe, das er jeden Augenblick zurücknehme» könne. Im sittlichen Bewußtsein der Nation lebte das Recht des Dichters lange, ehe die Gesetzgebung es anerkannte. Jeder Arbeiter ist seines Lohnes Werth, und der geistige Arbeiter hat keinen anderen als das Honorar. Hr. Braun hat freilich an Nationalbelohnungen gedacht, und das ist immerhin ein guter Ge danke. Denn das Schriftsteller-Honorar ist in vielen Fällen und gerade oft bei den verdientesten Schriftstellern unzulänglich, ihn vor Mangel zu schützen. Aber diese Nationalbelohnung kann sich doch nur auf ganz wenige Auserwählte beschränken; wovon sollen die an deren Tausende leben, bis sich herausstellt, wer von ihnen einer Na- tionalbelvhnung Werth sei? Hr. Braun ist denn selbst zu der Ansicht gelaugt, daß das System der Nationalbelohnungen schwerlich schon als ausreichend betrachtet werden dürfte, und so will er sich denn die Autorrechte für jetzt gefallen lassen, aber nur bis zu einem ge wissen Grade. Die Vorlage des Bundesrathes über den Schutz des geistigen Eigcnthums, der nach der Bundesverfassung ausdrücklich zu den Zwecken gehört, zu denen der Bund gegründet wurde, fußt im We sentlichen auf dem seit einem Vierteljahrhundert nach langem Kampfe errungenen, in Deutschland herrschenden Rechtszustande. Hr. Braun will diesen Rcchtszustand radical verändern. Er will namentlich die Schutzfrist ganz bedeutend herabsetzen; er spricht wiederholt von fünfzehn Jahren, statt sechzig, wie er die jetzige Bestimmung be rechnet. Wir haben gesehen, wie er den Vorwurf der Inhumanität von seinem Vorschläge dadurch abwenden möchte, daß er die Be hauptung aufstellt, ein Buchhändler werde einem Autor für sechzig Jahre Autorrecht nicht mehr geben, als für fünfzehn Jahre; wir haben aber auch gesehen, daß diese Behauptung irrig ist, auf lauter falschen Voraussetzungen beruht. Aber nicht bloß gleichgültig soll die Verkürzung der Zeit, wo der Autor Rechte, d. h. Einnahmen hat, für ihn sein, sondern, so sucht er glaublich zu machen, sogar vortheil- haft! Das ist denn doch zu arg! Natürlich ist, was er vorbringt, nur ein Gewebe von Sophismen, bei dessen Auftrennung wir uns nicht aufhalten wollen. Wir wünschen gegen einen ausgezeichneten Mann gern alle Rücksichten zu beobachten, selbst wenn er stark in der Irre zu gehen scheint, und hier, fürchten wir, könnte unsere Ge duld reißen. Wir wollen beispielsweise nur Einiges anführen. Es ist ja eine leidige, oft besprochene Thatsache, daß in Deutschland vcrhältnißmäßig viel weniger Bücher gekauft werden, als in anderen Ländern. Besonders in den höheren und reicheren Ständen, wo die größten Summen für Luxus jeder Art mit voller Hand ausgegeben werden, fehlt Sinn und Neigung, sich eine Bibliothek anzuschaffen, die in England in jedem anständigen Hause nicht fehlen darf, und die mäßig begüterten, ja, vcrhältnißmäßig armen Classen bilden bei uns das eigentlich kaufende Publicum. Namentlich in der Allgemei nen Zeitung und auch in unserem Blatte sind verschiedentlich die Ur sachen dieser Erscheinung gründlich erörtert worden, aber bis jetzt ist Niemand darauf verfallen, daß unsere Millionäre darum keine Bücher kaufen, weil sie ihnen zu theuer sind. Es ist nicht richtig, daß die Bücher in England, namentlich die jenigen, welche von reichen Leuten gekauft werden, wohlfeiler sind, als bei uns. Im Gegentheil. Es ist nicht richtig, daß bei uns die allgemein ansprechenden Werke durchgehends in hohem Preise stehen; verständige Verleger Pflegen gar bald wohlfeile Volksausgaben zu verbreiten, und alle deutschen Elasstker, die eigentliche geistige Nah rung des Volkes, sind jetzt zu Spottpreisen zu haben. Nock unrick tiger als die angeführten Thatsache» sind, wie uns scheint, die Schlüsse, die der Redner daraus zieht. Doch genug. Herr Braun rügt mit Recht manche Mängel des deutschen Buchhandels und stellt ihm den französischen zum Muster auf; aber die Beseitigung dieser Mängel hängt von ganz anderen Dingen ab, als von einer längeren oder kür zeren Schutzfrist. In Frankreich herrscht genau dieselbe Schutzfrist, wie Gottlob in Deutschland!*) Wir glauben die Behauptung anfstcllen zu dürfen, daß, wenn wir die Schutzfrist um die Hälfte oder gar um drei Viertel verkürzen, auch das Einkommen der Schriftsteller fast um ebensoviel verringert wird, namentlich aller derer, deren Werke einen bleibenden Werth haben, und die Frage ist die, ob die Lage der verdienten deutschen Schriftsteller eine solche ist, welche eine so plötz liche schwere Beeinträchtigung irgend als gerechtfertigt erscheinen läßt. Wir glauben die Frage unbedingt verneinen zu müssen. Die Honorare haben sich für gewisse Erzeugnisse sehr gehoben, und die Vorstellung, daß die Buchhändler immer das Fett von der Suppe schöpften, geht zu weit. Schon die große Concurrenz sorgt dafür, daß die Schriftsteller nicht unbillig übervortheilt werden. Aber es sind nur ganz bestimmte Zweige der Literatur, die in Deutschland ihren Mann im günstigen Falle nähren können. Man muß ent weder Romane schreiben, und zwar Jahr aus Jahr ein, oder Kinder schriften u. s. w. Gerade die edelsten Werke der Dichtung werfen nicht genug ab, um selbst im günstigsten Falle den Dichter von der Sorge des Lebens zu befreien. Die meisten Auflagen haben Uhland und Geibel gehabt, aber von ihrem Honorar allein hätten sie nicht leben können. Wenn das Autorrecht mit fünfzehn Jahren aufgeho ben werden soll, so wären Geibel's Gedichte, die 1840 erschienen, schon 1855 herrenloses Gut für jeden Nachdrucker geworden; er hätte dreißig bis vierzig Mal ein Honorar entbehren müssen, dessen er, um anständig leben zu können, bedurfte. Wenn ein Dichter ein hohes Alter erreichte, so würden ihm nach dieser sauberen Bestim mung, trotz der größten Erfolge, alle Nahrungsquellen völlig versie gen. Welch ein Gedanke überhaupt, einen Autor schon bei Leibes leben geistig zu deposiedircn! Soll er ruhig zusehen, wie seine Werke in den liederlichsten, von Druckfehlern, Auslassungen und Entstellun gen wimmelnden Ausgaben verschleudert werden? Und so hart es sein würde, ihn seines Stabes in seinen alten Tagen zu berauben, so grausam würde es sein, auf seinem Sterbebette, wenn Weib und Kind um ihn weinen, vor seinen brechenden Augen ihm den letzten Trost zu nehmen. Wir hoffen, daß die vereinigten deutschen Regierungen, unter stützt von Allen, welche Sinn und Gefühl haben für die Ehrenpflich ten, welche eine Nation gegen ihre am höchsten verdienten und leider, trotz des Urheberrechtes, oft am kärgsten belohnten Männer zu er füllen hat, auf der wesentlichsten Bestimmung des Gesetzentwurfes fest beharren werden. (Kölnische Zeitung.) *) Nur mit dem Unterschiede, daß in Frankreich die Frist von dreißig Jahren für die Erben des Autors eventuell erst nach dem Tode von dessen Wittwe beginnt! Die Red. d. Börsenbl. 94*
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