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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 28.02.1870
- Strukturtyp
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- 1870-02-28
- Erscheinungsdatum
- 28.02.1870
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- Deutsch
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658 Nichtamtlicher Theil. 48, 28. Februar. Nichtamtlicher Theil. Deutschlands Ehrenpflicht gegen seine Schriftsteller. Eöln, 23. Febr. Als der Abgeordnete Braun in der vor gestrigen Sitzung des norddeutschen Reichstages gesagt hatte: „Die deutschen Schriftsteller sind bekanntlich keine Spekulanten. Sie kommen immer zuletzt und zu kurz und werden für ein sechzigjähri- gcs Verlagsrecht nicht mehr vom Verleger bekommen als für ein fünfzehnjähriges. Sie besteuern also die geistige Nahrung des Vol kes nicht zu Gunsten des Urhebers, sondern zu Gunsten einer drillen, mir völlig gleichgültigen Person!" so rief Jemand: „Sehr richtig!" Aber er hätte rufen sollen: „Sehr unrichtig!" Wenn ein Schrift steller einem Buchhändler sein Werk zum Verlage übergibt, so schließt er in der Regel einen Vertrag mit ihm ab, worin bestimmt wird, wieviel Honorar der Verfasser erhalten soll und wieviele Eremplare der Verleger dafür von dem Werke abziehen darf. Wenn die Auf lage vergriffen ist, muß ein neuer Vertrag geschlossen werden, und der Schriftsteller erhält ein neues Honorar. Es kommt zuweilen vor, daß ein Schriftsteller, der vielleicht in Noth ist, das Verlags recht auf immer verkauft, das ist aber kein cmpfehlenswerther Ge brauch und bildet glücklicher Weise eine Ausnahme. Und selbst in diesem Falle pflegt ein edeldenkender Verleger dem armen Schrift steller oder dessen Wittwe bei jeder neuen Auflage eine kleine Summe als Erkenntlichkeit zu senden. Natürlich nur so lange sein eigenes Verlagsrecht irgend einen Werth hat, vor Nachdruck geschützt ist, wie das glücklicher Weise in Deutschland, nach dem Vorgänge anderer gebildeter Nationen, nach den Bundesbeschlüsscn von 1837 und 1845 der Fall ist. Hat der Autor nicht auf die angegebene Weise auf sein geistiges Eigenlhum Verzicht geleistet, so haben kraft des Bundes- beschlnsses vom 19. Juni 1845 seine Wittwe und seine Kinder von selbst auf 30 Jahre nach seinem Tode Autorrechte, mit anderen Worten, bei jeder neuen Auflage ein Honorar. Seitdem hat ein verdienter Schriftsteller, der, wie in Deutschland so häufig, bei Leb zeiten sonst kein Vermögen sammelte, doch in der Sterbestunde den Trost, den Seinigen in dem Edelsten, das er hervorgebracht, in den Werken, die er mit dem Marke seines Lebens geschrieben (und leider ist das oft im eigentlichen Sinne zu nehme»), irgend ein freilich höchst bescheidenes Vermögen, jedenfalls eine kleine Hilfe in der Noth zu hinterlasscn. Deutschland holte damit eine versäumte Ehren schuld nach, welche Frankreich schon bei der ersten Revolution einge löst hatte, und in England ist das literarische Eigenthum schon seit 1710 durch gesetzliche Bestimmungen geschützt, wenn auch nur bis sieben Jahre nach dem Tode des Schriftstellers; nicht aber, wie Hr. Braun irrthümlich angab, bloß auf 28 Jahre nach Erscheinen jeder Sctzrift?') In Deutschland wird schon seit hundert Jahren der Nach druck, wie er an vielen Orten schamlos und schwunghaft betrieben wurde, als ein Schmachfleck der Nation empfunden. Die edelsten Geister der Nation mußten darunter leiden. Daß Schiller, wie Hr. Braun anführtc, ziemlich kärglich leben mußte 'und kaum soviel hinterlicß, um einen Sarg aus Tannenholz zu bezahlen, war noch weniger zu beklagen, als daß der große Dichter, fast ganz auf den Ertrag seiner Feder angewiesen, sich überarbeiten mußte, da die schriftstellerische Arbeit wegen mangelnden Schutzes gegen Nachdruck nur wenig ab warf. Er hat sich todt gearbeitet. Und auch am Untergange Bür- *) Auch diese Berichtigung seitens der Kölnischen Zeitung bedarf noch einer weitern Ausführung. Die Dauer des englischen Verlagsrechts ist allerdings richtig: so lange der Antor lebt, und sieben Jahre nach seinem Tode. Wenn aber bei Verflutz dieser sieben Jahre noch nicht seit der ersten Publikation des Buches zweiundv crzig Jahre abgelaufcn sind, so soll das Verlagsrecht erst nach zw einnd vierzig Jahren von der ersten Publi kation des Werkes an erlöschen. Die Red. d. Börsenbl. ger's, Hcinrich's v. Kleist u. A. hat die Erwerblosigkcit einen nicht" geringen Theil der Schuld gehabt. Die Zersplitterung Deutschlands in so viele besondere Hoheiten verursachte, daß trotz aller bitteren Klagen der Besten des Volkes der nichtsnutzige Nachdruck so spät abgcstellt wurde, der schon vor Jahrhunderten von Calderon mit Recht Diebstahl genannt wurde: Wie sie der Verfasser schrieb, Nichr wie sie der Diebstahl druckte, Dessen Müh' ist, daß er richte Andrer Mühe stets zu Grunde. Wenn irgend etwas einmüthig vom deutschen Volke gefordert worden, so war es die Abstellung dieses Unfugs, und der Bundestag, der so Manches gesündigt, hat durch den endlich durchgesehten Schutz des geistigen Eigcnthums seine beste, rühmlichste und ancrkenncns- wertheste Thal verrichtet. Es hat uns daher geschmerzt, daß ein alter Parteigenosse, den wir in vieler Hinsicht so hoch zu schätzen haben, wie Hrn. Braun, von dieser für die Nation ehrenvollen Gesetzgebung sprach wie von einem alten Zopfe, den man möglichst kurz und womöglich ganz ab- schneidcn müßte. „Ich habe nie etwas davon vernommen," sagte er, „daß Homeros für seine unsterblichen Gesänge, daß Sokrates für seine philosophischen Convcrsationen, daß Plato für seine Werke Honorar bekommen hat." Homer und die Rhapsoden haben, soviel wir wissen, von dem gelebt, was dankbare Hörer ihrer Gesänge ihnen darreichten; schon vom alten Simonides wissen wir bestimmt, daß er sich seine Gedichte bezahlen ließ, und die griechischen Philosophen und Rhetoren haben sich von ihren Schülern tüchtig bezahlen lassen, höher als jetzt. Wenn Sokrates ausnahmsweise von keinem Schüler Lehrgeld forderte, so beweist dies, daß er soviel hatte, wahrscheinlich durch Sclavcnarbeit, als zu seinem und seiner Xanthippe Lebensun terhalt genügte; vielleicht aber hing Xanthippe's üble Laune damit zusammen, daß sie die Braun'schen Ansichten ihres Gatten nicht theilte. Jedenfalls läßt aus diesem Beispiele sich so wenig schließen, daß alle Schriftsteller, als daß alle Lehrer eigentlich ohne Bezahlung arbei ten sollen. Wenn Hr. Braun bemerkt, er hoffe, unser Jahrhundert sei noch nicht so tief gesunken, daß nicht auch heute Schriftsteller ohne Lohn arbeiteten, so will das wirklich gar nichts sagen. Es ist, als ob man sagen wollte, man hoffe, die Zeiten wären nicht so tief gesun ken, daß nicht Rechtsanwälte ohne Gebühren Clienten vertheidigtcn, bloß aus Liebe zur Gerechtigkeit. Beiläufig, unsere meisten großen Schriftsteller geben schon dadurch ein Beispiel hoher Selbstverleug nung, daß sie ihre außerordentlichen Geisteskräfte, statt auf Beschäf tigungen, die sich reichlicher lohnen würden, auf die Anfertigung unsterblicher Geisteswerke verwenden; aber freilich, ihren bescheide nen Lebensunterhalt müssen sie in Anspruch nehmen; den können sie nur verdienen, wenn sie ein entsprechendes Honorar für ihre Schrif ten erhalten, und das kann nur geschehen, wenn sie in ihrem geistigen Eigcnthum geschützt sind. Herr Braun will freilich von einem geistigen Eigenthum nichts wissen, und wir wollen über den Ausdruck nicht weiter streiten. Denn es ist wahr, er kann mißdeutet werden, und wir, die wir in unseren Ansichten stets Maß und Ziel zu halten suchen, haben selbst vor einer zu weiten Ausdehnung des Begriffes gewarnt. Man kann'das geistige Eigenthum nicht mit dem materiellen auf gleiche Stufe stellen und dessen Ewigkeit verlangen. Kurz, man mag an dem Ausdrucke im merhin zu mäkeln finden. Wir möchten aber nicht so weit gehen wie der geehrte Abgeordnete für Wiesbaden, der in dem Autorrecht nur ein Monopol aus Utilitäts-Rücksichten erblicken will. Das Urheber recht ist hcrvorgegangen aus Rücksicht nicht bloß auf das Utile, son-
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