Suche löschen...
Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 24.02.1870
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Erscheinungsdatum
- 24.02.1870
- Sprache
- Deutsch
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id39946221X-18700224
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id39946221X-187002245
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-39946221X-18700224
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungBörsenblatt für den deutschen Buchhandel
- Jahr1870
- Monat1870-02
- Tag1870-02-24
- Monat1870-02
- Jahr1870
- Links
-
Downloads
- PDF herunterladen
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
45, 24. Februar. Nichtamtlicher Theil. 615 müssen. Die Interessenten sind nur mit ihrem Geldbeutel bei der Sacke interessirt, ob dieser aber der Spiritus lamiliaris ist, der die besten Rath- schlüge crtheilt, ist sehr zu bezweifeln. Entscheiden wir uns sür das System deS Schutzes, so meine ich doch immer, daß der Entwurf denselben ans zu lange und auf eine unzulässige ungleiche Zeit ausdehnt, nämlich aus die Lebenszeit des Autors und aus 30 Jahre nach seinem Tode. Den jenigen Autoren also, die früh sterben, wird ihr Autorrecht abgekürzt gegen über denen, die lauge leben. Die Zeit muh deshalb gleich und aus 15 oder 28 Jahre wie in England normirt werden. Das Autor- und Ver lagsrecht besteht keineswegs seil Erschaffung der Well; cS stammt nicht einmal aus dem Mittelalter, sondern aus der Blüthezcit des territorialen Fürstenthums, das für sich alle möglichen Vorrechte in Anspruch nahm und dieselben in kleinen Dosen an seine Günstlinge in Form von Privilegien vcrthcilte und zwar als Privilegs sinßulorum. Gemein same Gesetzgebung bestand damals noch nicht, wollen wir sic schaffen, so müssen wir auch gleichzeitig die Jurisdiction in einem Rechtskörpcr ver körpern, wenn die Rechtsprechung nicht nach allen Seiten hin auseinander- gcheu soll. Auch außerhalb des Bundes, in Süddeutjchlano, in Oesterreich, in andern europäischen Ländern und außereuropäischen Welttheilen gibt es Deutsche. Wollen wir deshalb eine Grundlage für unser Autorrecht schaffen, so muß sie so sein, daß sie auf dem Wege internationaler Verträge ausge dehnt werden kan», soweit die deutsche Zunge reicht. Diese Vorlage wird die deutschen Autoren schwerlich gegen die Piratcrci im Auslande schützen und von der Volksvertretung jenseits des OccanS schwerlich acccptirt werden. DaS Autorrecht ist ein Monopol, das das Product vertheuert und zwar um so mehr, je länger die Dauer des Autorrechts ausgedehnt wird. Da wir es für die Gegenwart nicht ganz entbehren können, so müssen wir seine Nachthcilc möglichst zu beseitigen suchen und ihm eine möglichst kurze Dauer geben. Dann werden die Schriftsteller besser fahren als bei einer langen Dauer des Autorrechts. In Frankreich und England sprießen die neuen Auflagen in ebensoviel Wochen hervor als bei uns in Jahren; die dritte Auflage ist dort schon so billig, daß selbst Unbemittelte sich das Werk kaufen können; bis das bei uns bei Schiller und Goethe möglich war, haben wir ein halbes Jahrhundert warten müssen. Das kommt einfach daher, daß durch eine Unzahl von SortimcutSbuchhandlungeu die Bücher gegen einen Ausschlag, der in solcher Höhe nur noch beim Wein- und Cigarrenhandel vorkommt, bei uns vertrieben werden, während in England durch die öffent liche» Versteigerungen das Werk in kurzer Zeit in Umlauf gebracht wird. DaS Monopol des Autorrechts führt überdies zu einer übermäßigen Stei gerung der Production und zu einer ausfallenden Verminderung der Con- sumtion, d. h. des BüchcrkaufS. Die bcstsituirtcn Menschen geniren sich nicht, weil die Bücher zu thcuer sind, sic in schmutzigen und widerwärtigen Ercmplarcn, wie sie in England kein Kutscher und in Frankreich keine Köchin in die Hand nimmt, a»S den Leihbibliotbckcu zu beziehen. (Heiter keit.) Ja ich kenne den Fall, daß ein süddeutscher Fürst das Buch eines in in seiner Residenz wohnenden Schriftstellers zu lesen wüuscktc. Der Hof- marschall bckani den Befehl, das Buch zu besorge». Anstatt cS zu kaufen, ging dieser zu dem Schriftsteller und ließ sich ein Ercmplar für Se. Majestät schenken. Ick finde unseren Buchhandel nicht im geringsten bewuuverns- wcrih gegenüber dem englischen und sranzösischcn. Vergleichen Sic z. B. die Honorare der englischen und französischen Romanschriftsteller mit denen der dculschcn! Jene sind bedeutend höher; und doch werden Sie einen Roman von Gustav Frcptag nickt für schlechter halten als einen von George Sand, oder einen von Bcrthold Auerbach schlechter als einen Roman von Victor Hugo. Muß da nicht etwas faul in Deutschland sein? 60 Jahre soll nach dem Entwürfe daS Autorrecht dauern. Wer soll denn davon Vorthcil ziehen? Der Autor wird keinen Pfennig mehr bekommen, als wenn das Autorrecht kürzer wäre? Sie vcrtbeuern damit aljo nur noch mehr die geistige Nah rung, die ohnehin schon thcuer genug ist. Die Erben werden gleichfalls keinen Nutzen davon haben. Ich habe die Ehre, zwei Enkel Goctdc'S zu kennen, habe aber nie gchörr, daß sic durch die Werke ihres Autors Millionäre ge-' worden sind. Wollen Sie dagegen die Verleger zu Millionären machen, so stimmen Sic dem Entwürfe zu. Sollten die Erben Vortheil von dem Autor recht ziehen, so müßten Sic sagen, das Autorrecht ist ein Majorat, ein Fidei- commiß, da« auf den Erstgeborene» fortcrbt. (Heiterkeit.) Wie wenig es die Dichter bereichert, zeigt ihnen das Dachkämmcrlcin, das wackelige Steh pult und das Bett, worauf Schiller schlief, worauf unser einer sür seine Figur keinen Platz hätte. (Heiterkeit.) DaS Verheißen auf die Nachwelt wird die Lage der Schriftsteller nicht bessern. Sic kommen und vergehen mit dem Tage. Wo sind sie hin, die sich um die Dresdner Abend zeitung gruppirt hatten, die Claurcn, Th. Hell und F. Kind, der zum Freischütz in einem gewissen Verhältniß stand? Im Laufe von 60 Jah ren kann das Vcrlegerrecht eines Werkes religiöser oder politischer Tendenz an einen Verleger kommen, der der entgegengesetzten Partei ange hört. Er wird cS dahin bringen, daß das Werk vom Markte spurlos ver schwindet, bis es endlich vergessen und den künftigen Geschlechtern entzogen ist. Die Motive zu dem Entwürfe sind sehr aufrichtig. Sie geben als Quellen die beiden Entwürfe deS Börsenvereins der deutschen Buchhändler an- Wollten wir nur das vermeintliche Interesse der deutschen Buchhändler vertreten — denn ihr wahres Interesse besteht darin, möglichst raschen Um schlag und Massen-Absatz zu erzielen — so könnten wir keinen besseren Entwurf als den vorliegenden machen. (Allgemeine Heiterkeit.) Als wei tere Quellen werden die Arbeit deS alten Deutschen Bundes, die auf den selben Grundlagen aufgcbaut ist, und daö Gutachten des literarischen Sach- verständigen-VereinS ausgesührt, das unter dem Titel „die preußische Nach druckgesetzgebung" veröffentlicht ist. Auch in dieser Schrift sind die Interessen der Consumcnten nicht berücksichtigt. Bezüglich der Form geht der Entwurf zu sehr auf Details ein und legt dem Richter für eine rationelle Recht sprechung unberechtigte Fesseln an; außerdem wünsche ich, daß das ganze criminalrechtliche Element aus ihm entfernt wird. Als im englischen Parla ment ein ähnliches Gesetz vorgclcgt wurde, beantragte Macaulay die zweite Lesung 6 Monate, d- h. bis zu cincr Zeit zu vertagen, wo das Parlament nicht mehr zusammen war; ich bin kein Macanlay und beantrage daher nur eine Vertagung der zweiten Berathuug von 14 Tagen. (Beifall.) Abg. Duncker: Ich sehe nicht ein, warum wir diejenigen Geschäfte einer freiwilligen Commission überlassen sollen, wofür der Reichstag in einer gewählten Commission sich ein bestimmtes Organ schaffen kann. Die Wahl kann sich ja auf alle Diejenigen erstrecken, die bei der Frage theils interessirt, theils sachverständig sind; die Commission kann auch Personen von außer halb zu ihren Berathungcn zuziehen und dadurch ihre Sachkenntniß erwei tern. Nur bei wirklichen Sachverständigen werden wir die volle Kenntniß der cinschlagenden Verhältnisse finden, die ich bei dem Vorredner mehrfach vermißt habe. Er ist hinaufgestiegen bis zu Homer, SokrateS und Plato, die ja auch keinen Autorcnschutz genossen hätten; er hat aber die ganze so ciale Grundlage jener Zeiten verschwiegen, die auf Sklaverei basirtc. Heute aber ist der Schriftsteller auch auf den wirthschastlichen Ertrag seiner Ar beiten angewiesen, und cS wäre doch mißlich, an Stelle dessen ihn auf eine Nationalbelohnung oder auf die Gunst irgend eines Mäccn zu verweisen. Das Dachkämmerleiu Schiller'«, auf das der Vorredner sehr mit Unrecht zu Gunsten seiner Ausführungen verweisen zu können glaubte, würde nur zu oft daS Lvoö der Schriftsteller werde». Gerade weil eS zu den Zeiten Schiller'« den Schriftstellern nicht möglich war, sich durch Verwcrthung ihrer Schriftwerke ihre wirthschaftliche Existenz zu sichern, nicht möglich war wegen deö herrschenden NachdruckwcsenS, gerade deswegen hatten sic so oft mit Noch und Dürftigkeit zu kämpfen. Der Vorredner verweist auf die viel besseren Verhältnisse im Auslande; aber gerade im Auslande haben die Dinge sich auf Grundlage einer Gesetzgebung entwickelt, die vollständig analog ist mit derjenigen, die uns heute hier vorgelegt wird. Ueberall dort existirt die An erkennung und der Schutz der Autorrechte. In Frankreich herrscht eine 30jährige Schutzfrist, in England eine Schutzfrist aus Lebenszeit bis 7 Jahre nach dem Tode des Autors, oder im Ganzen 42 Jahre nach der ersten Ver öffentlichung. Wenn der deutsche Buchhandel dem des Auslandes nach steht, so schließe ich daraus nur, daß hieran unsere bisherige Gesetzgebung die Sckuld trägt. Nur dann können die Autoren aus ihren geistigen Werken die Grundlagen ihrer wirthschastlichen Existenz gewinnen, wenn sie den nöthigcn Schutz bei den Gesetzen finden. Streiten läßt sich nur über die Ausdehnung der Schutzfrist. Auch ich kann ein körperliches Eigenthnm an einem geistigen Erzeugnisse nicht anerkennen. Unsere gcsammte Literatur geht aus zwei Factoreu hervor; die gcsammte geistige Arbeit der Nation bildet das Material, den Thon zu allen Bildungen, zu allen geistigen Pro- ducten; aber der Einzelne verkörpert die Idee in einer specicllen Gestalt, und das ist seine eigenste That, die er nicht ohne ernste mühsame Arbeit voll bringe» kann. Hierin beruht das Recht des Autors, aber auch die Grenze seines Rechtes. Er hat ein Recht darauf, sein Werk geschützt zu sehe»; aber > da zugleich die ganze Nation mit ihm gearbeitet hat, da er der Erbe von 1 / Jahrhunderten ist, so muß sein Recht in dem Rechte der Nation wieder untergehen. Aus diesem Grunde möchte ich auch die in vorliegendem Gesetze firirte Schutzfrist für eine zu lange, oder wenigstens für eine schlecht ab- * gegrenzte halten. Das bezieht sich namentlich auf die 30 Jahre, für welche nock nach dem Tode des Autors die »Schutzfrist gelten soll. Während danach nämlich Schiller'S Werke schon 1835 Gemeingut der Nation geworden wären, wäre dieser Zeitpunkt bei Gocthe's Weither, der, wenn ich mich nicht irre, in den siebziger Jahren erschien, erst »ach 90 Jahren seit Erscheinen des Werkes cingctrctcn. Man muß die Dauer der Schutzfrist abgreuzcn von dem Zeitpunkt des Erscheinens des Werkes, wobei dann freilich wieder der Ucbclstand eiutritt, daß dann unter Umständen dem Autor noch bei seinen Lebzeiten die Disposition über sein Werk entzogen werden kann. Mit dem Eremplificiren kommt man überhaupt immer zu neuen Bedenklichkeiten. So soll z. B. das Wicdcrgeben von Vorträgen, die einen wissenschaftlichen Zweck haben, nicht gestattet sein, worin mir eine unzuträgliche Beschränkung unserer Presse zu liegen scheint. Die Presse soll in jedem Augenblick ein vollständiges Spiegelbild unseres öffentlichen Lebens reflccliren, und sie wird dieser Ausgabe immer näher kommen, je mehr es ihr gelingt, sich von äußeren Beschränkungen frei zu machen. Eine solche Beschränkung würde auch in dieser Bestimmung liegen. Stellen Sie sich die Art der Herstellung - einer Zcitungsnummer vor, und Sic werden zugcbcn müssen, daß dieselbe 88*
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder