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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 08.02.1886
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- Erscheinungsdatum
- 08.02.1886
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- Deutsch
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31, 8. Februar 1886. Nichtamtlicher Teil. 675 annehmen, daß sie mit den damaligen theologischen Kämpfen im Zusammenhang standen. Spieß entfaltete nun in Heidelberg als Verleger des damals besonders in der Pfalz zum Siege gelangenden strammen Luthertums eine ungemein regsame Thätigkeit. So ver legte er im Jahre 1582 daselbst bereits fünf, im darauf folgenden Jahre elf, und 1584 ebenfalls elf Werke, hauptsächlich theologischen Inhalts. Gleich das erste Werk, das er dort druckte, war das Concordienbuch, die sogenannte Concordia, zum ersten Male ver sehen mit den Unterschriften der bedeutendsten Heidelberger und Pfälzer Theologen. Daß Spieß gewissermaßen als der offizielle kurpfälzische Buchdrucker angesehen wurde, geht daraus hervor, daß außer den theologischen Werken auch mehrere offizielle Schriften, wie Landes-, Polizei-, Ehe- und Almosenverordnungen bei ihm erschienen. Die Heidelberger Vcrlagsthätigkeit des Spieß erstreckte sich auf die Zeit von 1582 — 1584; nur ein Werk fällt noch in das Jahr 1585. Seit 1585 erscheint er wieder in Frankfurt, wo zwar von einer offiziellen Beschäftigung nicht mehr die Rede sein kann, wo aber der Charakter des Verlages derselbe blieb, ja noch spezifischer theologisch wurde als er es schon gewesen war. Spieß war aber nicht ein Verleger, der nur von der Hand in den Mund lebte, sondern ein Gelehrter, der höhere Ziele verfolgte und System in seinen Verlag zu bringen verstand. Es ist merkwürdig, daß Spieß, der doch ganz ausschließlich den Verlag theologischer Litteratur gepflegt hatte, vom Jahre 1586 ab auch der Hauptverleger des hervorragenden Humanisten Nico - demus Frischlin geworden ist. Dieser rühmte sich Anfang Januar 1586, daß er zwei traktable Verleger in Straßburg und Frankfurt gefunden habe; es waren diese offenbar Jobin und Spieß; denn in der That hatte der letztere eine ganze Zahl bedeutende, meist streng gelehrte Werke Frischlins verlegt. Auch später änderte sich der Charakter seiner Verlagsthätigkeit nicht; Professoren und Prediger der bezeichnten Richtung waren auch ferner seine Haupt autoren. Seit 1601 finden wir Joh. Spieß vielfach in Verbindung mit anderen Buchhändlern, so 1601 und 1602 mit Romanus Beatus' Erben, 1603 mit I. L. Bitsch, und besonders 1606 mit J.J. Porsche (Porsius, Borsius), der vermutlich ein naher Verwandter von Spieß war und vorher in Wittenberg gewesen zu sein scheint. In welchem Verhältnis Spieß und W.Homm, der die zweite Auflage des Faustbuches 1588 gedruckt hatte, zu einander gestanden haben, läßt sich nicht mehr ermitteln; doch sei hier erwähnt, daß zwei Schriften Frischlins zugleich bei Spieß und Homm erschienen sind, wenigstens im Meßkatalog für beide Firmen in Anspruch genonimen werden. Im Fastenmeß-Katalog 1607 werden noch zwei Schriften von I. Spieß angezeigt; im Herbstmeß-Katalog erscheint er nicht mehr, er wird also wohl im Laufe jenes Jahres gestorben sein. Dafür finden wir seit 1600 in Mühlhausen einen Martin Spieß, der dort ein flottes und seiner Tendenz nach dem Frank furter ganz analoges Verlagsgeschäft betreibt, auch manche in Frankfurt erscheinende Bücher druckt. Es scheint dieser ein Sohn unseres Johannes Spieß gewesen zu sein; denn im Herbst 1600 und im Herbst 1606 erschien Joh. Spieß selbst auch dort als Ver leger, und im Jahre 1605 kam ein Buch gemeinsam bei Joh. und Martin Spieß heraus. Seit 1606 tritt der letztere in Gera auf, doch nur wenig verlegend; 1613 heißt es dort »Spießens Erben« und war damals also auch Martin tot. Seit 1614 verschwindet der Name gänzlich; Porsche erscheint noch bis 1634, doch sehr un bedeutend, und 1638 werden auch seine Erben genannt. — Das Spieß'sche Faustbuch war, wie oben schon hervorgehoben wurde, ein Produkt der streng-lutherischen Richtung in der da maligen Theologie und paßte also vorzüglich in den Rahmen des Spieß'schen Verlages. Übrigens ist trotzdem der Verleger offenbar des Buches bald überdrüssig geworden, da er nur eine einzige neue Auflage besorgte, und die Herausgabe des lateinischen Exem- plares (solche Doppelausgaben waren damals und auch im Spieß- schen Verlage ganz gewöhnlich) gänzlich unterblieb. Man mag ihm wohl den Druck verdacht haben, und er wird vielleicht auch ängstlich geworden sein, als in Württemberg der Tübinger Verleger der gereimten Übertragung auf ausdrückliche Anweisung von Stuttgart aus einen scharfen Verweis erhielt und ins Gefängnis gesperrt wurde. Spieß hatte also durch die Herausgabe seines Faustbuches die Sage von vr. Faust davor bewahrt, dem großen Reiche der Ver gessenheit anheim zu fallen. In welcher Weise dieselbe später aus gebeutet wurde, und wie die Litteratur darüber in den nun gerade drei Jahrhunderten seit dem erstmaligen Erscheinen der Fausthistorie angewachsen ist, darüber giebt die kürzlich erschienene Faust-Biblio graphie*) den gediegensten Bescheid. Noch im Jahre des Er scheinens wurde die Historia umgearbeitet, im folgenden in Reime gesetzt, neu aufgelegt und in den nächsten Jahren mehrfach aufs neue herausgegeben und nachgedruckt, sowie in mehrere Sprachen übersetzt. Im Jahre 1590 wurde dieselbe durch die herrlichen Erfurter Geschichten bereichert; dann folgte Georg Rudolf Wid- manns mit moralisierenden Anmerkungen versehene und durch weit schweifige »Erinnerungen« auf drei Bände ausgedehnte Ausgabe (Hamburg 1599), und Johann Nicolaus Pfitzer entstellte es durch weitere Znthaten, die einer Neubearbeitung gleichkommcn, bis zur Unkenntlichkeit (Nürnberg 1674 und öfter); aber ein »Christlich Meinender« kleidete es 1728 wieder in eine an sprechende Form. Sehr bald faßte auch die Dichtkunst diesen Gegenstand, welcher der Phantasie einen so reichen Stoff bot, auf. Die erste dramatische Bearbeitung des Fanstbuches unternahm noch vor 1590 der Engländer Christopher Marlowe, der geniale Zeitgenosse Shakespeares. Dieses echt dramatische Bühnenwerk brachten eng lische Komödianten nach Deutschland zurück, und unter ihren Händen entwickelte sich die Tragödie zu dem beliebten Volksdrama, das Lessing in Berlin sah. Einer Aufführung des Stückes wohnte auch Goethe 1770 in Straßburg bei, und es ist unleugbar, daß Pfitzers Faustbuch oder das des »Christlich Meinenden« einerseits und das Volksschauspiel andererseits den Dichter zur Konzeption seines »Faust« anregte, der alle früheren, gleichzeitigen und späteren dra matischen und sonstigen dichterischen Bearbeitungen der Faustsage über ragt, und der zuerst unter der Bezeichnung »ein Fragment« (Leipzig 1790) und später als »eine Tragödie« (Tübingen 1808) erschien. So wurde das Spieß'sche Faustbuch die unmittelbare Quelle für alle epischen und dramatischen Bearbeitungen des Fauststoffes seit dem sechzehnten Jahrhundert, und deshalb nimmt nicht nur das älteste Faustbuch selbst, sondern auch sein Verleger Johann Spieß in der deutschen Litteraturgeschichte einen hervorragenden Rang ein. *) Karl Engel, Zusammenstellung der Faustschriften vom 16. Jahr hundert bis Mitte 1884. Der Libllot-Ksos. büustiaiis. <vom Jahre 1874) zweite Auflage. Oldenburg 1885. (S. Börsenblatt 1885. Nr. 114.)
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