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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 14.03.1859
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1859-03-14
- Erscheinungsdatum
- 14.03.1859
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- Deutsch
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516 Börsenblatt für den deutschen Buchhandel. ^ 31, 14. März. dcc Unmöglichkeit, daß sein seliger Vater solche Handlungen habe begehen können, „er, der für alles Gute, Schöne, Edle und Wahre so begeistert gewesen, Alles im Lichte des Höheren, Ewigen ange schaut" u. s. f. Er wollte weiterhin in eine nähere Charakteristik seines Vaters cintrctcn, die ihn jedoch der Vorsitzende Richter zu un terlassen bitten mußte als nicht streng zur Anklage gehörig und zu zeitraubend- Hierauf wurde dem Angeklagten das Wort cingcräumt. Menzel wendete sich zuerst an den Sohn seines Gegners mit der Versicherung, er ehre die Gesinnungen, die Pietät und Liebe zu dem verstorbenen Vater, und cs thue ihm wahrhaft leid, einen so nahen Angehörigen sich persönlich gegenüber zu sehen: das könne und werde ihn aber nicht abhaltcn, hier die Wahrheit und die volle Wahrheit zu sagen. Menzel begann nun mit einer historischen Cha rakteristik der Zeit von 1805 bis 1810, wo Deutschland unter der Knechtschaft seines Eroberers geschmachtet, wo jedes patriotische Herz tief gedrückt gewesen. In solcher Zeit sei es fast unerträglich, deutsche Federn das Lob des fremden Tyrannen preisen zu hören. Um zuerst Johannes von Müller zu nennen, so sei hier die Thalsache genügend, daß M. bis 1806 preußischer Professor und Historiograph gewesen, im Jahrc1808 aber als Minister König Jerümc's in West falen erscheine. Das Hauptaugenmerk sei darauf zu richten, nste sehr es bekanntlich Napoleon >. daran gelegen gewesen, die Stimmung in Deutschland für sich zu gewinnen und den Deutschen als ihr Be glücker zu erscheinen. Dazu habe inan nach feilen Federn gesucht, und an solche von Paris aus französisch geschriebene Programme mir den leises bin,mieoiieniies versendet. Deshalb sehen die Lobschrif ten auf Napoleon aus damalig er Zeit (1806 bis 1810) einan der ziemlich gleich, nach Inhalt und Gcdankengang. Die Thatsache, daß z. B. ein Professor Krohmc in Gießen gegen Bezahlung eine solche Schrift geschrieben, sei erwiese», wie auch das, daß dieser später vor der Wuth der patriotischen Studenten habe flüchten müs sen. Einen ganz ähnlichen Gcdankengang wie Krohme's Schrift habe nun eine im Jahr 1807 zu Gera mit .seinem Namen erschienene Broschüre H einrich Zschokke's über Napoleon, ge schmückt mit dem wahrhaft gotteslästerlichen Titclkupfec: Deutsch land, bestrahlt vom Lichte einer ihm in Gestalt Napolcon's ausgeh enden Sonne mit der Umschrift: „er sprach, cs werde Licht, und cs ward Licht." Napoleon sei in dieser Schrift (wie durch mehrfache vorgclescnc Stellen bewiesen wird) unmäßig gelobt, als Erretter Deutschlands gepriesen, als dessen „Fciedenscngcl" u. s. f. Aehn- lich sei eine Schrift, im Jahre 1810 von Zschokke mit spcciellcrRück- sichtnahme auf die Stellung Oesterreichs geschrieben. Was nun hiezu ein Deutscher, ein aufrichtiger Patriot sagen solle, ob ihm Scham und Zorn übel zu nehmen, und ob der Gedanke nah oder fern liege, solchcSchriften, von Deutschen geschrieben, seien bezahlte Mach werke, bezahlt von dem, in dessen Interesse sic vccabfaßt worden ? Zschokke habe allerdings später von Napoleon anders geschrieben, wenigstens seine Fehler nicht verkannt; ja ihn später in seiner „Selbstschau" einen Blutsauger des deutschen Volks, einen Van dalen genannt. In dieser seiner Selbstschau aber, die sonst nicht das Kleinste seines Lebens und seiner Thätigkcit, besonders seiner litera rischen, verschweige, sei mit keiner Silbe der beiden früh eren, eben genannten Schriften gedacht. Eine solche That- sachc spreche laut genug. Und ob nun diese einmal vorliegenden Facta, fährt Menzel fort, einem Historiker nicht das Recht geben, sic offen und rückhaltslos zu besprechen und Schlüsse daraus zu zie hen, selbst wenn diese für Lebende, erst kurz Verstorbene oder deren Nachkommen noch so übel zu hören seien! Wohin cs mit der Ge schichte kommen solle, wenn das nicht mehr erlaubt wäre? zumal wenn solche Thatsachcn mit den wichtigsten und folgereichsten Er eignissen des enger» und weitern Vaterlandes in Zusammenhänge ständen? Seine moralische Ueberzcugung sei cs, daß hier Zusam menhänge, wie die von ihm genannten, obgewalrct. Zeugen für die Thatsache der Bestechung oder der Geldcr-SubvcNtiön könnö er freilich nicht beibringcn — nach einem halben Jahrhundert. Ec erinnere sich zwar genau, daß ihm damals*) angesehene Männer die Richtigkeit der Sache wiederholt versichert hätten; diese Män ner aber seien nicht mehr am Leben, er könne ihr Acugiliß vor Ge richt nicht beibringcn. Auf die Beziehungen von Zschokke zu Mont- gelas wolle er hier nicht' näher eingehen, zumal dies so nahe Ver hältnisse berühre. Es genüge hier, was Zschokke über diese in sei ner „Sclbstschau" berichtet und in seiner „bayrischen Geschichte" zu Tage gelegt. Nach den unveräußerlichen Rechten des Historikers, nach den vollberechtigten Gefühlen eines Patrioten hoffe er, das Gericht werde diese als gültig erkennen und seine Freisprechung verfügen. Der Vertheidigcr des Angeklagten führte die mehr allgemein gehaltenen Beweisführungen Mcnzcl's in Bezug auf die Sachlage näher aus, verbreitete sich eingehend über die verschiedene» Grade und Arten der „Verleumdung und Ehrcnkränkung", wie sie unser Gesetzbuch aufstelle, namentlich mit Bezug auf das Klagrecht der Er ben, welches nur beschränkt auszusprechen gewiß im Sinne dcc Ge setzgebung gelegen; beleuchtete dann aber auch im Verfolg die Wi dersprüche der Zschokkc'schen Schriften in Bezug auf den politischen Zustand von Deutschland in der fraglichen Zeit, und namentlich in Bezug auf Napoleon selbst. Nenne er ihn später öfter und wieder holt einen „Blutsauger" und „Vandalen", so werde eben der frühere „Friedcnsengel und Retter Deutschlands" einen besonder» Grund gehabt haben, nämlich er werde „bezahlt gewesen sein". Das sei nicht anders denkbar, besonders in Verbindung mit den gleichartigen später» bayrischen Verhältnissen, wo allerdings „Orden" nicht an genommen worden seien, obwohl Zschokke sich eine „Villa" in Aa rau erbaut und gut gelebt habe u. s. f. Nachdem hierauf der klägerische Anwalt nochmals das Wort erhalten hatte, und die von dem Beklagten vorgcbrachten Gründe zu entkräften suchte, namentlich damit, daß das dem Historiker von dem Beklagten vindicirtc Recht offenbar als viel zu weit gehend erscheine, daß Menzel von je in seinen kritischen Läuftcn sehr herb, heftig und maaßlos gewesen, einseitige Anschauungen hege — der Redner iden- tisicirt hiebei fortwährend „Mittelalter mit Rückschritt, Aberglau ben und Feudalismus, die neue Zeit mit Fortschritt, Aufklär ung und Freiheit", — legte derselbe ferner dar, wie Zschokke nicht als Deutscher, sondern als Schweizer angesehen werden müsse **); daher man bei dem offenbar so vielen Guten, was Napoleon durch die der Schweiz verliehenen neuen Eantonalverfassungcn diesem Lande verschafft, der Anschauung eben eines Schweizers billige Rech nung zu tragen habe; aus den bayrischen Gunstbczcugungc» dürfe man so große Schlüsse nicht ziehen, derlei komme ja oft genug vor, ohne daß man den Bedachten etwas Unehrenhaftes vorwerfen könne. Der Redner schließt mit einer Stelle aus dem bekannten Buche von D. F. Strauß über die Mcnzel'schc Kritik im Allgemeinen, als „mit einer Stimme, gegen deren Autorität Niemand in dem Saale et was cinzuwcndcn haben werde. (?)" In dieser Stelle wird das Ur- thcil Menzel's, insbesondere in Bezug auf Johannes von Müller, zu widerlegen gesucht.— Pfarrer Zschokke erhebt sich gleichfalls noch einmal, seinem seligen Vater gegenüber all den vermeintlichen An schuldigungen einen „im Feuer bewährten" ehrenhaften Charakter, Unbestechlichkeit, Wahrheitsliebe, wie nicht minder Patriotismus vin- dicirend. Er hält das Vorgcbrachte für keinerlei stützende Beweise der *) Menzel lebte um 1820 eine Jeitlang in Aarau, zu gleicher Zeit mit Zschokke. **) Zschokke ist zu Magdeburg geboren und im 26. Jahre in die Schweiz ausgewandcrt.
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