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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 28.07.1858
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- Ausgabe
- Erscheinungsdatum
- 28.07.1858
- Sprache
- Deutsch
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M 94, 28. Juli. Börsenblatt für den deutschen Buchhandel. 1367 Nichtamtlicher Theil. Die Revolution im deutschen Buchhandel. DiMeile est. sstirsm non seribere. Wenn vor einiger Zeit eine, weiß der Himmel, von welchem Ingrimm gegen das Bestehende geplagte Buchhändlerseele der Re daction des Börsenblattes den Vorwurf machte, daß sie sich seit jener Zeit, wo die „umgestülpten Omnibus" Frciligrath'scher Ge dichte willkommene Aufnahme in den Spalten des Organs der deutschen Buchhändler fanden, merklich verschlechtert habe, so werden hoffentlich die letzten Nummern des Börsenbl. den Apo logeten einer glorreichen Vergangenheit mit der Gegenwart und ihrem Mangel an Originalien ausgcsöhnt haben. Fürwahr! wer Heiterkeit erregt, der nimmt den Groll gefangen, und ohne Zweifel wird auch der verbissene Kritiker herzlich gelacht haben, als er den Humor der Aktenstücke zur Geschichte des deutschen Buchhandels sich in der cffectvollsten Weise bis zum Gipfel amerikanischen Humbugs steigern sah. In ihrer Verbindung erscheinen jene drei Aktenstücke wie die drei Acte einer Tragikomödie. Es ist unmöglich, ein ernstes Gesicht dazu zu machen, und fast will uns bedünkcn, als ob irgend ein heimtückischer Kobold den Spaß ersonnen habe, um in der Gurken zeit die von Remitlenden überhäuften Verleger und die von uner wünschten Neuigkeiten geplagten Sortimenter einigermaßen aufzu- heitcrn. Im ersten Acte sehen wir das Schriflstellerthum sich ermannen, um den Jahrhunderte alten Druck der Vcrlegecwelt abzuschüttcln. An das Lager des unter großer Bekümmerniß, wie er dem Helden I seines neuesten Romans das Garaus mache, entschlummerten Poet- lcins tritt der moderne Plutus, der Gott der Börse, eingehüllt in einen Mantel von Creditpapier, gewappnet mit der Couponscheece, gefolgt von der luftigen Schaar der Acticngeister. Er entrollt das neueste Evangelium des Lileratcnthums, die Büchcrfabrikation auf Aktien. Verwundert mehr als gläubig hört der Mann der Feder die frohe Kunde. Aber der Gott weiß seine Zweifel zu bannen. „Fasse Muth", spricht er, „du federkauendes Poctlein, der du dem alten Nimmersatt von Verleger deine Seele als geistiges Eigcnthum ver kauft hast; bald wirst du erlöst sein. Betrachte nur diese glänzende Reihe von Paragraphen, diese muntern Rccruten, die zum ersten Male in's Feld rücken, um das Land Eldorado zu erobern. Sieccs- muthig stürmen sie vorwärts. Glaubst du, daß auch ein einziger an Verlust denke, daß er im Phönix sein Leben versicherte, che er aas-! zog t Gewiß nicht! Gibt cs etwas unwiderstehlicheres als die Mecht der Association? Was bcdarf's des knausernden Fabrikhcrrn, wmn die Arbeiter von der Feder die Fabrikation gemeinsam besorgen? Warum sollen die Ritter vom Geiste nicht selbst mit ihrer Waire auf dem Markte erscheinen ? Ist doch der Geist, wie die Naturforscher des l9. Jahrhunderts herausspeculirt baden, im Grunde nichts ils eine verkappte Materie!" Mit solchen und andern Worten beschwichtigte der Gott >ie Zweifel des Poeten. Der Jünger Apoll's erwachte mit stolzan Muthe, und nur die Betrachtung der Ocdc seiner Börse und des noch unvollendeten Schicksals seines Helden hielt ihn ab, sofort bin- auszustürmen in den Austcrnkeller, dessen dämmerige Schatten üc Lichtseite seiner Existenz bildeten. Lange aber hielt er nicht ars. Der Geist des Jahrhunderts war zu mächtig in ihm und dränge ihn, das neueste Evangelium zu verkünden allen denen, mit dern Geistcsproduclen hartherzige Spekulanten schnöden Wucher triebet. Er fand Gläubige. „Was steht fester, als der Handel mit Liter, tur?" sprach einer. „Saht ihr einen Verleger stürzen, als der Gest des Ercdits über die Titanen der Spekulation seine Zuchtruthe schwang ?" „Wir sahen keinen," riefen die Andern und glaubten. War es da noch ein Wunder, daß manche der Schmarotzer, die am Marke der Schriftsteller gezehrt hatten, in sich gingen, daß einige zerknirscht und gedcmüthigt sich selbst zum Opfer bringen wollten? Der zweite Act unserer Komödie versetzt uns im den Schwarz wald, wo noch „naturgemäße Einrichtungen" in aller Stille blühen und die dorfgeschichtliche Sitteneinfalt erst in allerneuester Zeit durch Auerbach und die Birch-Pfeiffcr etwas von ihrer Ursprüng lichkeit eingebüßt hat. Bethlehem, du kleinste unter den Städten Juda's, warst ausersehen, groß zu werden wie keine andere. Du warst die Gebärerin eines weltbefreienden Gedankens. Sieben und achtzig Thaler und fünfzehn Silbecgroschen für einen Octavbogen des organisch verbundenen Eyklus! O, über die Verleger-Wölfe in Schafskleidern, die von Aufopferung sprechen, wo sie Schätze ein- strichcn und sich ihr Bäuchlein mästeten! Jetzt ist ihre ganze Ruch losigkeit offenbar worden! Eine neue Aera bricht an für die schreib- sclige Welt, die Literatur wird sich erst jetzt zur vollen Blüthe ent falten. Kommt her alle, die ihr mühselig und beladen seid mit un veräußerlichen Manuskripten, am Schwarzwalde wird man euch er quicken! Glaubt nicht, daß die Nachfolger des Hippokratcs allein von der naturgemäßen Einrichtung Vortheil ziehen sollen, wenn auch ohne Zweifel ein hochgelahrter Heilkünstler der Geburtshelfer des großen Ereignisses war. Macht euch auf, ihr verkannten Denker, denen die Schulweisheit das Katheder verschloß oder die auch der Unverstand als Ignoranten und Obskuranten verschrie, greift zu, ihr schwergeprüften Dichter, die ihr selbst von Karl Weller und Ehrist. Schad aus dem Musenalmanach ausgeschlossen, nicht einmal im Familienjournal, ja kaum in einem armseligen Winkelblättchen euer Geisteslicht aufstecken konntet! Und ihr Shakespeare des 19. Jahrhunderts, schüttelt nicht mehr verächtlich das gedankenschwere Haupt über die Kurzsichtigkeit der Verleger und Theaterintendanten, die euch den Weg des Ruhms und sich den des eignen Gewinns versperren! Eilt alle, alle hin an die Stätte, wo man euch für sieben und achtzig Thaler fünfzehn Silbergroschen organisch und naturgemäß zu cyklischen Dichtern und Denkern verbinden wird! Und so geschah es. — Jahre sind verflossen. Am Fuße des Schwarzwaldes arbeitet eine Armee von Dampfpressen für Deutsch lands Dichter und Denker. Die Quer- und Königsstraße Leipzigs sind verödet. Wie Jeremias auf den Trümmern von Jerusalem weilt BrockhauS auf seinem Maculaturberge und beweint das Schicksal der Verlegerwell. Der eigensinnige Mann, — er konnte sich nicht dazu verstehen, seinen Autoren ein zeitgemäßes Honorar zu ge währe». Selbst die treuesten hatten ihn verlassen. Ein Trost nur ist ihm geblieben in dem „«oeio.« Iiabui.-ise in^lorum"; denn auch die übrigen Genossen der Vcrlegerzunft sind genöthigt, sich nach einem andern Berufe umzusehen. Da fällt plötzlich einem der Trauernden ein herrlicher Gedanke bei. „Philadelpbus Philadelphia," ruft er ent zückt, „ich hab's; wir sind gerettet ohne Hexerei durch die pure Ge schwindigkeit !" „Philadelphia!" schallt cs von allen Seiten, „wir auch, wir auch sind amerikanische Grundbesitzer! Land! Land! — Wie weise war es, daß wir in glücklicheren Zeiten Land gegen Makulatur tauschten!" Und nun beginnt ein moderner Argonautenzug nack dem goldnen Vließe in den Urwäldern Amerika's. Denn dort lagen die weiten Ländereien der deutschen Verleger in idyllischer Einsam keit, nur durchstreift von Menschen, die die übertünchte Höflichkeit Europa's nicht kannten. Da erst kamen die Unsinnigen zur Er- kenntniß, wie es am besten sei, sicl, gleich von vorn herein natur gemäß einzurichten. X. 188'
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