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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 15.06.1917
- Strukturtyp
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- 1917-06-15
- Erscheinungsdatum
- 15.06.1917
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- Deutsch
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Redaktioneller Teil Uber „lebende Werte". Von Fritz Cramer- München. Professor Adolf Bartels hat in Nr. 41—47 dieses Blattes über »Lebende Werte in der älteren deutschen Literatur« eine längere Aufsatzreihe geschrieben.*) Damit hat der zur Zeit wohl kundigste Literaturgeschichtler unseres Heimatlandes das Wort zu einer ebenso völkisch wichtigen als buchhändlerisch interessanten Frage und zugleich Veranlassung zur Aufstellung eines sehr umfangreichen Wunschzettels ge nommen. Im folgenden möchte ich etwas zur Klärung der Angelegen heit und über die Erfüllungsmöglichkeit der Bartelsschen Wünsche sagen! es handelt sich ja um Fragen, die uns Buchhändler alle mehr oder minder berühren, sei es nun rein geschäftlich, oder auch gefühlsmäßig, künstlerisch, literargeschichtlich oder nur von völkischem Standpunkt aus. Den letzten Punkt möchte ich als den ersten abhandeln. Zwar sagt »Auch Einer«: »Das Moralische versteht sich immer von selbst«, doch — möchte ich hinzufügen: es kommt sehr darauf an, was man unter moralisch versteht. Mancher Verleger ist leider allzusehr Geschäftsmann, als daß er die Moral im Sinne Friedrich Theodor Vischers oder Adolf Bartels' nehmen könnte. Was Gewinn bringt, das zu verlegen, ist diesen Herren oberste Moral. Der Standpunkt ist begreiflich, in Zeiten wie den jetzigen aber nicht entschuldbar, denn die ent nervende Kraft sinnenkitzelnder Bücher oder Bühnenstücke, auf peitschender Lieder oder weichlicher Romanfortsetzungen in Zei- tung und Zeitschrift ist viel größer, als man gemeinhin an nimmt. Die noch nicht verbrauchten Nerven müssen aber im all gemeinen Interesse vor vermeidbaren Angriffen geschützt werden; ganz abgesehen von augenfälligeren Schäden, die zweifelhafte Literatur hervorbringt; der Krieg hat ihrer bei Feld- und Heim kämpfern schon mehr als genug erschüttert und vernichtet. Nun wird man glauben, ich sei ein Lex-Heinze-Mann; aber wahrlich, das bin ich nicht — ich habe nur manchen Einblick in manches menschliche Leben und Seelenleben getan. Ich bin auch, trotz meiner aufrichtigen Verehrung für Adolf Bartels, durchaus nicht sein Anhänger durch dick und dünn, sondern einer, der sich sein eigenes Urteil in künstlerischen Fragen gewahrt zu haben glaubt. Und die »schöne Literatur« ist nun einmal ein Stück der Kunst, die allerdings in ihrer Ganzheit für Europa völkische Fesseln nicht verträgt. Wenn Bartels also für eine Sichtung der älteren deutschen Dichtung — sei es nun Vers, Prosa oder Bühnenstück — nach nationalen Gesichtspunkten eintritt, so stehe ich auf seiner Seite — wenn er aber in der Wahl zu gewissen haft <vom völkischen Standpunkt aus), zu ängstlich im Hinblick auf das auch in der Nacktheit Schöne und deshalb künstlerisch Erlaubte ist, so stelle ich mich gegen ihn. Und, hoffe ich, noch mancher von unseren »Genossen vom Buch« mit mir. Wir stehen also in dieser Frage vor einem Problem, von dem kaum zu hoffen ist, daß es sich zu aller Beteiligten Zufriedenheit wird lösen lassen. Mindestens wird das nicht auf *> Der Artikel lag bereits bej Erscheinen des Bartelsschen Nach trags in Nr. 85 des Börsenblattes vor, mußte jedoch Naummangels wegen bis jetzt zurückgestellt werden. Retz. einmal und augenblicklich möglich sein und auch nicht ohne die Beteiligung ehrlich Suchender von beiden Seiten in längerer Zeit. — übrigens werden auch die von der extremen Gegenseite an der Arbeit sein, wie immer, und ihre Schoßkindlcin hinauf loben, sodaß eine ernste Schädigung der Literatur durch Reaktion nicht zu befürchten ist. Werte bleiben Werte und werden sich er halten — so und so. Als Leitsatz also: National — aber ohne Scheuklappen — für die Tatsachen des Lebens. Was als Ganzes bewußt und ab sichtlich frivol, lasziv und lüstern ist, zum Zwecke einer bestimm ten Absicht, um Gewinn oder Ruhmsucht des Verfassers zu för dern, derartiges ist gewiß nicht unter die Auswahl der zu be lebenden Bücher zu stellen — ohne Schaden, denn es werden nicht Kunst-, sondern Machwerke sein, die ausfallen. Was sind nun die lebenden Werte in der Literatur, beson ders die der älteren? Bevor dieser Frage nähergetreten wird, möchte ich die Unterfrage stellen, wer denn die Bücher und mit diesen die Gesamtheit der Literatur macht. Professor Bartels sieht in ihr »sozusagen den unmittelbaren Niederschlag des Volkstums, nicht schon Konstruktion, wie alle Geschichtswissenschaft«. In aller Bescheidenheit möchte ich das dahin einschränken, daß es sich höchstens um den Niederschlag des gehobenen Volkstums handeln kann, um das, was die Auslese der Gebildeten unserer Vorfahren in Wort und Schrift niederlegte. Die kleinen und wenigen Reste volkstümlicher Erzählungen und Lieder aus alter Zeit kommen für unsere Betrachtung kaum in Frage; soweit sie es tun, bestätigen sie als Ausnahmen die Regel, daß die Literatur als solche aus den Federn der Dichter und Schriftsteller geflossen ist: zweier Arten von Menschen, die in ihren Uranlagen einander polfern stehen und trotzdem sozusagen im Gebrauch kaum unterschieden werden. Ein Dichter ist ein Mann, dem auf seinem Berufsweg — er kann jede Art von Beschäftigung haben — etwas ein fällt. Echtes Dichten ist ganz zwang- und triebhaft, wie alles künstlerische Tun. Dichten ist verdichten von Stimmungen und Gefühlen zu (knappen) Worten für das Empfundene — nicht Reim- und Formspiel, wie so viele meinen. Der Dichter schreibt (immer der echte!) niemand zulieb und niemand zuleid als sich selbst, nie um eines fremden Problems willen oder zum Nutzen einer Tendenz. Scheffel fand seinen Ekkehard auf seinem Berufsweg! Ein Schriftsteller ist ein anderer Mensch; er besinnt sich, daß ihm etwas einfällt, was er schreiben könne, um daraus einen Beruf zu machen. Berufsdichterei und -schreiberei ist Sache der Überlegung, des Verstandes, ist ein Ausschlachten von Ge danken, ein Spiel mit Worten — Kunstwörtelei (man denltz an Kunstreiterei, die ja auch oft sehr vergnüglich und anregend zu betrachten ist). Der Schriftsteller sucht Aufgaben zu lösen, Dingen der wirklichen Welt Gestalt zu geben. Ebers »studierte« mittel- alterliche Kulturgeschichte, um »Die Gret« schreiben zu können! Allerdings und leider sind auch manche der Großen unserer Literatur (die Größten nicht ausgenommen) dem Erwerbs« bzw. Eitelkcitstrieb unterlegen und streckenweise nur Schriftsteller mit mehr als durchschnittlichem Vermögen. Gär manches hat Goethe z. B. aus dem Grunde geschrieben, »um auch etwas von 881
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