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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 15.06.1917
- Strukturtyp
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- 1917-06-15
- Erscheinungsdatum
- 15.06.1917
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- Deutsch
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^ 137, 15. Juni 1917. Redaktioneller Teil. Arbeit würde manchem von ihnen zugleich als Genesungstrank dienen, nach der ermattenden Stoffjagd auf immer ungesunderes -Interessante«. Was ich anrege, ist geschmackvolles Referat, nicht Umdichtung und Rcuschöpfung des Stoffes, etwa in der Art, wie es Will Vesper so prächtig gelungen ist mit »Tristan und Isolde« und »Parzival«; das mag später tominen, wenn die alten Stoffe im Volle wirksam geworden sind. Ob die »lehrhaften und allegorisierenden Dichter des späteren Mittelalters«, wie Hugo von Trimberg — von denen Bartels selbst nur sagt, es sei schwer, sich über diese »zu unterrichten«, wirklich wertvolle Werte bieten für die heutige Allgemeinheit? Mir will es zweifelhaft scheinen, soweit mir diese Art von Literatur bekannt ist. Sollten die V o l k s b ll ch e r - Neudrucke bei Langewiesche, den Jnselbüchern nnd — nicht zuletzt die bei Eugen Diederichs nicht vollauf genügen? Es kommt Wohl in dem Bezug lediglich darauf an, das; sie der Sortimenter einmal selbst genauer an sieht, Freude daran findet und sie dem Käufer in die Hände spielt, statt des neuesten »Ullstein«. Am wirksamsten werden Wohl Einzeldrucke der verschiedenen Volksbücher sein, weniger nutzbar Sammelbände aus ihnen. Die »Geschichtschreiber der deutschen Vorzeit« sind in der Ausgabe bei Franz Duncker allerdings etwas teuer; sie sind in dieser Form aber auch nur für den Historiker brauchbar; eine Neu-Ausgnbe dürfte nicht nur den Text mit mageren Anmer kungen bringen, sie müßte, um fruchtbar zu werden, von weit blickenden Historikern in einen volkstümlichen Text verarbeitet werden, der all die — eigentlich überall fehlenden — geschicht lichen Verbindungen aufzuzeigen vermöchte, die sie erst für den Nichthistoriker verständlich machen würden. Jörg Wick- rams »Goldfaden«, Fischarts »Gargantua nnd Pantagrucl«, sowie des Rabelais Original dazu wären wiederum auf vielen Seiten gewiß freudiger Aufnahme in lesbar gemachten Aus gaben (die aber immer auch eine Probe des unbearbeiteten Textes enthalten müßten) gewiß. Ebenso würden die von Bartels ge wünschten Chronikausgabe» Wohl vielen willkommen sei». Wie ich mir die Durchprüfung unseres »Wunschzettels« vorstelle, glaube ich im allgemeinen hiermit gezeigt zu haben; ihn vollständig durchzuhecheln, kann meine Absicht nicht sein. Ich will nur noch bemerken, daß, je näher uns verschollene Au toren zeitlich stehen, desto mehr Berührungspunkte und damit Schwierigkeiten für die Auswahl auftauchen. Notwendig oder nicht, ist da oft recht schwer zu entscheiden. Besonders für die Zeit, wo unsere Klassiker auftreten. Wie Sonnen und Monde stehen sie am Literaturhimmel für uns da, unver mittelt auf einem dunklen Hintergrund. Auch sie aber haben Anregungen und Ausstrahlungen gleichzeitig erhalten und gegeben. Diese Kräfte, die nicht so winzig sein können, lote die anderen Sternlein am Himmel, haben unsere nach Glänzendem langenden Menschenkinder, auch Literaturhistoriker genannt, bisher fast vollständig außer acht gelassen. Der Zu fall will es, daß ich von solchen Stiefkindern der Literatur geschichte, gerade durch die Vernachlässigung angeregt, einiges in den Original-Ausgaben gelesen habe. Nicht zu meiner Ent täuschung. Es ist allerdings eine heute fremd anmutende Mi schung von Kraftmeiertum, Sinnlichkeit, Treue und Sentimen talität, die einen da aus den löschpapierenen Blättern an guckt; es ist aber immerhin viel mehr Gehalt und Kraft darin, wenn auch nicht schöne Form, als man nach der Tradition ver lauten dürfte. Die schreibenden Herren hatten natürlich nie Zeit, sich mit solchen minderwertigen Größen, die ja auch einen Ver gleich mit Goethe und Schiller nicht aushalten, des näheren be kanntzumachen; einfacher war es für sie, das nicht ganz Große glattweg zu verdammen. Reinen Genuß hat man allerdings an diesen Zeitgrößen 2.-4. Ranges nicht; hat man aber den bei Reuters Schelmuffsky oder Novalis' Offterdingen? Man liest derartige Bücher ja auch letzten Endes nur, um Zeitgeist aus den Quellen zu schlürfen. Den Fäden nachzugehen, die sich von Goethe zu ihnen, von ihnen zu Lessing etwa ziehen, war ein Ver gnügen. Wem es um eine Erkenntnis der Zusammenhänge zu tun ist, der muß solche Büchet, hinter der offiziellen Front ge legen, lesen; er wird mehr Nutzen davon haben, als wenn er z. B. die vielgerühmte Meinholdsche Bernsteinhexe durch nimmt, die einer gewollten Täuschung zuliebe sprachlich und gedanklich altertümelt — mir bis zur Widerlichkeit. Beim Genuß derartiger »Kunslformen« komme ich mir immer vor, als wäre ich bei einer der primitiven Volksbelustigungen beteiligt, wo man mit dem Mund aus einem Teller voll Mehl ein Geld stück herausfischen mutz. Doch davon nun genug. Sehen wir einmal zu, wie sich die von Professor Bartels ausgestellte Wunschliste zu einer unge fähren Verwirklichung bringen ließe. Ob die Erfahrung, daß gemeinsames Unternehmen jegliche Schwierigkeit überwindet, das Unmöglichscheinende möglich macht, in unserem Berufe schon so festen Fuß gefaßt hat, daß man auch Folgerungen daraus ziehen und danach handeln mag, weiß ich nicht. Ich bezweifle es beinahe, doch will ich nicht unterlassen, einige Wege zu zeigen, wie Adolf Bartels' und mit ihm gleichgesinnter Männer Verlangen Wohl zu füllen wäre, und deshalb kurz entwickeln, wie ich mir die Lösung der Frage denke. Die erste Voraussetzung wäre eine Durchprüfung des Wunsch zettels zwischen Fachgenossen der Literaturgeschichte, der Buch händler, Herren vom Volksbitduugswesen und von gutem Geschmack, um einmal festzustellen, was denn alles von dem Verlangten wirklich noch als lebenswürdig anzusehen und wei terer Erhaltung wert wäre. Um Doppelunternehmungen zu vermeiden, die zuletzt alle Unternehmer unbefriedigt ließen, müßte eine Aufteilung des zur Veröffentlichung bestimmten Stoffes an die Verleger — nehmen wir einmal an, an die Verleger der verjüngten Uni- versalbibliothel und der Meyerschen Volksbücher — bei be schlossener Angliederung an diese Sammel-Unternehmungen großen Stils stattfinden. Es ließe sich Wohl auch darüber reden, ob ferner nicht Otto Hendel, die Buchhandlung des Waisen hauses (?), W. Spemann mit einem ferneren Ausbau der Kürschnerschen Nationalliteratur u. a. hcranzuziehen wären, als weitere Stützen des Gebäudes. Je mehr Verleger sich an dem Bau oder Ausbau dieses Werkes beteiligen würden, desto eher und sicherer könnte er unter Dach gebracht werden. Dies in Kürze der eine Plan. Bei gutem Willen zur Einig keit ist er nicht unmöglich. Der zweite Vorschlag geht dahin, eine Art von G. m. b. H. zu gründen, bei der sich als Stamm eine Anzahl der interessierten Verleger — es könnten selbst viele sein — zusammentäten, etwa wie bei der Schaffung der prächtigen Tempelklasflker. Als weitere Teilnehmer mit Kapital könnten literatur- und vaterlandsfreundliche Einzelpersonen und Ge sellschaften beitreten. In diesem Falle wäre eine Einheitssorm für die Veröffentlichungen zu finden, mit festem Bogenpreis, die in bezug auf Satz, Druck, Papier und die übrige Ausstat tung etwas höheren Ansprüchen genügen könnten, als es die zu erst im Auge gehabten reinen Volksbibliotheken tun. Ich denke mir dabei leicht in Leinen gebundene Bücher, die in Umfang, Aussehen und Schriftgröße etwa Eugen Diederichs' Märchcn- sammlungen, den Bänden der Deutschen Bibliothek entsprächen oder den Büchern der Rose, soweit bei den letzteren die Schön heit des Satzbildes nicht durch den allzuvielen Stoff leidet, der in manche Bände gepreßt wurde. Herstellung und Heraus gabe könnten an einer ganzen Anzahl von Stellen, also durch verschiedene der beteiligten Verleger zugleich nach der bestimm ten Norm erfolgen. Ob sich dabei auf dem Wege der Subskrip tion zugleich auch die Abnahme bis zu einem gewissen Grade sicherstellen ließe, überlasse ich weiterer Überlegung. Die zweite Voraussetzung des Beginnens wäre natürlich auch die Einigung darüber, was von der aufzuweckenden Lite ratur in vollständigen Abdrucken, was in Kürzungen und was in Auswahlstücken zu bringen wäre. Für den letzteren Teil scheint mir Otto Langes Sprachschatz deutscher Literatur (Berlin, bei Rudolph Gärtner 1880) ein gutes Musterbeispiel, eine Art Grundstock zu sein; Wohl müßten allerdings in vielen Fällen umfangreichere Proben gegeben werden, nm die alten Herren etwas mehr von Angesicht zu Angesicht kennen zu lernen. Um 683
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