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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 02.06.1916
- Strukturtyp
- Ausgabe
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- 1916-06-02
- Erscheinungsdatum
- 02.06.1916
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- Deutsch
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Redaktioneller Teil. 126, 2. Juni 1916. besonders die Zwischenzeichen (die Interpunktionen). Mit jedem Komma, mit jedem Gedankenstrich hat Euch der Dichter etwas zu sagen. Seht und hört Ihr das Stück auf dem Theater, so er setzt der Theatermaler Euch die Phantasie, besorgt der Schau spieler für Euch die Denkarbeit. Ihr entbehrt das Theater, die Zerstreuung. Ihr könnt sie Euch für wenige Pfennige täglich ver- schasfen, wenn Ihr Bücher besitzt und sie zu lesen versteht. Wird es Euch Bedürfnis, Eure Gedanken selbst zu Papier zu bringen, lernt vorher deutsche Grammatik, vermeidet Fehler. Wustmann, Heintze, Behaghel, Engel sind gute und preiswerte Bücher, die Ihr im Verzeichnis niit Preisen findet. Könnt Ihr deutsch lesen, sprechen und denken, dann erst lemt fremde Spra chen. Zu empfehlen sind Langenscheidt, Violet und für die Ver kehrssprache Schidlof. Der Gebrauch von Fremdwörtern ist nicht ein Beleg für die Bildung eines Menschen, was vielfach angenommen wird, son dern, für seine Unfähigkeit, deutsch das zu denken, was er sagen will, oder für seine bewußte Absicht, nicht die Wahrheit zu sagen. Nicht das Wort soll verdeutscht werden, sondern der Satz muß umgebildet werden. Man muß ohne den Gebrauch von Fremd wörtern ein für Deutsche verständliches Bild geben, bei dessen Unrichtigkeit einen jeder ertappen könnte, während man mit Übernahme einer fremden Sprache in die deutsche mogeln und das verschleiern kann, was man sagen will. Philosophie ist für Euch auch so ein fremder Begriff, unter dem Ihr eine weltfremde Wissenschaft vermutet. Es gibt zwei Arten zu philosophieren. Entweder man beachtet sich selbst und denkt darüber nach, oder man beobachtet andere und denkt darüber nach. Im Grunde ist also jeder von Euch ein Philosoph. Nur daß Eure Gedanken wie die Flöhe springen, daß Ihr keine planmäßige Ordnung in Euer Denken brachtet, daß in Eurem Gehirn keine Registratur ist, daß Ihr die Voraussetzungen als Tatsachen, die Ursache für die Wirkung nehmt, da Ihr Wort« für Begriffe, ja für Taten anseht: durch dieses Denken, das nicht in bestimmter Ordnung geschieht, unterscheidet Ihr Euch vom Philosophen. Das System, nach dem man denkt, nennt man Logik. Sie hat sich mit der Zeit und mit der fortschreitenden Erkenntnis des Denkvorganges gewandelt. Sie ist ein Werkzeug, das jeder mit eigenem Kunstgriff zu führen versucht, nachdem er es anzuwenden gelernt hat. Paulsens Einleitung in die Philosophie sei Euch empfohlen. Hat man sich erkannt, so will man seine Fehler beseitigen. Hat man andere zu erkennen geglaubt, will man sie bessern. Man stellt sich also zwei Aufgaben: Selbsterziehung und Erziehung. Über beides muß man nachgedacht haben, will man seine Kinder zu tüchtigen- Menschen heranbilden. Man lese die Bücher von Lhotzkh. In der Erziehung gibt es ein großes Hemmnis, und das ist der Wille. Wille ist der Sammelbegriff für körperliche und see lische Vorgänge, die sich, ohne geschieden werden zu können, in unserem Innern abspielen. Beherrschen wir unfern Willen, sind wir von ihm abhängig, wie stellt sich unser Wille zu an deren, ist es ein Unterordnen, ein Kampf, ein körperlicher, durch Strahlen bewirkter, ein seelischer, nicht zu begreifender Vorgang? Ein großer Teil aller Philosophen hat über diese Fragen nach- gedncht und geschrieben. Man lese Schriften von Kant, Schopen hauer, Nietzsche, Ostwald, Wundt, Schleich, der ein wunderbares Buch »Von der Seele« schrieb. Was gut und schicklich ist, nennt man Sitte, deren Lehre philosophisch »Ethik«. Auch sie hat sich gewandelt im Laufe der Jahrtausende. Will man mit sich selbst klar werden, ohne Zwang und Rücksicht sein Verhalten veredeln, lese man Paulsens Ethik oder auch Wundt. Zwei Forscher, die völlig verschiedene An sichten haben. Wer die Gesetze kennen lernen will, die den Men schen zum täglich angewandten sittlichen Handeln erziehen wol len, lese das Bürgerliche Gesetzbuch, das Handelsgesetzbuch, das Reichsstrafgesetzbuch. Die Quittung über das richtige und gute Handeln erteilt das Gewissen. Es ist die Auseinandersetzung des Jchs mit der Welt, die nicht nur aus Menschen besteht. Der Kampf des Ge- Wissens ist der Vorwurf für viele unserer besten neuen Dichter. Bei den meisten ist der Stellung des Mannes zur 694 Frau eine besondere Beachtung geschenkt. Wir komme» so zu einer Büchergattung, die von der Lieb« zeugt. Man braucht Euch nicht erst zu ermuntern, diese Bücher zu lesen. Ihr greift ja stets zuerst nach solchen Aufschriften, die viel versprechen, aber meist sehr enttäuschen. Und doch spielt die Liebe als Geschlechts trieb, als seelische Verklärung und als Erhaltung des Volks eine so gewichtige Rolle, daß wir keinen Mantel über diese Vor gänge ziehen, sondern dem Dichter die Freiheit lassen sollten, sie künstlerisch zu gestalten. Ihr werdet bald die Kunst vom Schund scheiden lernen. Man versucht immer wieder, Euch schulmeister haft die Kunst klarzumachen, und man nimmt Euch von der anderen Seite das Geld ab für eine Asterkunst, die leider eine so weite Verbreitung fand, daß man am Ausgang der 8ver Jahre in jedem Schaufenster, in jeder Gaststube, in jedem Zim mer, in jeder Bücherei ihre Spuren fand. Der Dürerbund, die »Jugend«, Schultze-Naumburg, Ausstellungen, Kllnsllerbünde und Wcrkgenossenschaften haben einen siegreichen Kampf geführt. Schließt Euch einem dieser bewährten Führer an, und Ihr werdet Euer Auge, Euer Ohr bald dem Schund entwöhnen, Ihr werdet .Hunger und Sehnen nach der Kunst haben. Kürzlich saß ich im Kaffeehaus. Drei Tische weiter saßen drei Landsturmleute, deren Gespräch ich sprunghaft verfolgen konnte. Der ein« war groß, blond, mit blauen Augen, die sprachen. Er erzählte von Flandern und seinen Kunstdenkmalen. Ich fing die Worte auf: Einfachheit, Schlichtheit, Größe, Monumentalität, die ihn überwältigt hätten. Der zweite war dunkel, mit schöner, ge rader Stirn und ebenmäßiger Nase. Er sprach von Rosa Bonheur, er wußte, daß sie Hosen trug und als Mann sich ver kleidete, welcher Sache er Wichtigkeit beimaß, und er erwähnte einen Oricntmaler, der Bleistiftskizzen veröffentlichte, dessen Name ihm nicht einfiel. Der dritte, ein kleiner nachdenklicher Mann mit blondem Spitzbart und kargen Worten, half ihm aus, besann sich und sagte: Jsmael Gentz. Dann schwieg er. Ich erzähle Euch diese harmlose, kleine Begebenheit so ausführlich, weil sie drei Vertreter der Beodachtungsweise für die Kunst zeigt. Der erste ist der Genießer, der die Kunst in sich aufnimmt und dessen Lebens inhalt sie ausmacht, der zweite ist der Mann, der die Geschichte der Kunst lernen will und sich Namen merkt, der dritte ist der Kunstphilosoph, der sie ihrem Wesen nach begreifen will, der sie neben anderen Seiten in seinem Lcbensbuch stehen und ihre Mich- tungen sein säuberlich geordnet hat. Der Eigenart eines jeden von Euch sei der Weg zur Kunst freigegeben. Wählt! Wollt Ihr Euch selbst künstlerisch betätigen, dann hört ein Bekenntnis: Die Kunst ist die schönste, treueste Geliebte, wenn sie ein anderer schuf und wir sie genießen. Die Kunst gibt das höchste Erdenglück und die schwerste seelische Pein, wenn wir sie selbst geschaffen haben und sie dem Blick und Genuß uns fremder Menschen preisgeben und zusehen müssen, wie die Menge unsere Werke aufnimmt, sie entweiht, sie entheiligt. Die Lebensbeschreibungen und die Briefe unserer Größten geben Zeugnis von dem, was ich kurz andeutete. Wollt Ihr einen Einblick in ihr Empfinden, in ihre Werkstatt tun, dann lest ihre Lebensbekenntnisse und ihre Briese, die sie an die wenigen Men schen schrieben, von denen sie sich zeitweise verstanden glaubten. Lest sie von Goethe, Hebbel, Richard Wagner und Liliencron, um nur wenige anzusühren. Auch die Großen sind von ihrer Umgebung abhängig. Die Länder und die Zeiten beeinflussen ihre Werke. Wir werden, um sie voll verstehen zu können, uns sowohl mit der Geographie, wie mit der Geschichte bekannt machen müssen. Die Erd- und Länderkunde ist für den, der nicht das Glück hatte, auf Reisen vom Zuge aus oder auf Wanderungen die Welt kennen zu lernen, ein« schwer zu erlernende Wissenschaft. Zunächst ist ein guter Atlas von Andrer, Stieler, Debes erforderlich; denn aus der Anschauung der Karte Prägt man sich die Namen besser ein, als aus dem Buche, das man am besten neben den Atlas legt. Die Reisebeschreibungen,' die unsere großen Forscher, wie Nansen, Sven Hedin und andere, Herausgaben, lesen sich oft so gut wie spannende Romane und schärfen die Fähigkeit zur Beobachtung von Ländern und deren Bewohnern. Besonders die zwei 3 Mark bände von Sven Hedin »Von Pol zu Pol« las ich mit großem
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