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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 26.05.1916
- Strukturtyp
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- 1916-05-26
- Erscheinungsdatum
- 26.05.1916
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- Deutsch
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Redaktioneller Teil. ^ i2t, 26. Mai will. Dingen auf allseitiger Erfahrung und gründlicher Kenntnis des zu ordnenden Stoffes und der zu lenkenden Kräfte. Welche ungeheure Rolle in diesen »Grundaushebungs arbeiten« der Organisation unsere deutsche wissenschaftliche Literatur spielt, braucht Wohl mit keinem Wort be sonders betont zu werden. Aber es muß auf die von keinem anderen Kulturvolk auch nur annähernd erreichte Ausdehnung und Verbreitung unserer populärwissenschaftlichen Sammel unternehmungen und auf die Einzel-Erscheinungen dieses Ge bietes hingewiesen werden. Ich bin selbst ein scharfer Gegner jener Allerweltsbildungs-Duselei, die den Leuten Wahl- und ziellos den Kopf mit den verschiedensten Bildungs-Phrasen ver dreht. Wer selbst einige Zeit ganz unbehindert, aber mit offenen Augen sich unter der Arbeiterschaft bewegte, der weiß, was für ein grotesker Haufen von Ungereimtheit in so einem armen Hirn sich auftürmt. Es wird Sache der wirklich gut organisierten Volksbildungs-Bestrebungen und öffentlichen und privaten Lese- nnd Verleihinstitute sein, der Züchtung von geschraubten Halb bildungs-Subjekten cntgegenzuwirken. Je mehr das geschehen wird, um so eher wird die ganz unbewußt neben dem individu ellen Selbstzweck der Lektüre einhergehende, aber für das Volks ganze so wichtige Begleiterscheinung der organisatorischen Dor sch u l u n g unseres Volkes zur Wirksamkeit kommen. Jedes gute Buch mit einem wissenschaftlichen oder sittlichen Bildungszweck wird letzten Endes ein Baustein sein an der ungeheuren Festung, die unser deutscher Geist vor den Augen Europas ausgerichtet hat und an der es unentwegt weiterbauen wird. Die Wirkungen auf den einzelnen Menschen ins einzelne zu schildern, würde weit über den Rahmen dieses Aufsatzes hin ausführen. Es ist auch gar nicht nötig; denn die Wirkung des Buches nach dieser Seite hin braucht nur genannt zu werden, um alle Perspektiven zu eröffnen. Es ist auch ganz und gar nicht nötig, daß der Inhalt des Buches in irgend einer Form Fragen behandelt, die im Kampf auf Leben und Tod einer Nation gerade eine besondere unmittelbare Nolle spielen. Der Einfluß des Buches auf die Entfaltung und Ordnung der Kräfte wäre hier direkt wahrnehmbar, ja fast möchte man sagen fühlbar. Aber ich glaube, man darf, ohne sich einer Übertreibung schuldig zu machen, sagen, daß jedes gute deutsche Buch ein Mehr oder Weniger beiträgt zur Organisation der Kräfte, weil es den Geist des Individuums reger und spannkräftiger, und deshalb em pfänglicher und beweglicher macht. Wohl sagt man, die Organi sation muß sich bewähren, auch wenn die verfügbaren Kräfte unter dem Mittelmaß« bleiben. Der Satz ist richtig und un anfechtbar. Aber damit ist nicht gesagt, daß die Organisation nicht rascher, glatter und fruchtbarer arbeitet, wenn die Zahl der über den Durchschnitt ragenden Individuen zunimmt. Ist nicht die organisatorische Tätigkeit dadurch am wirksamsten gefördert, wenn eine möglichst große Zahl von Personen immer mehr be fähigt wird, Ziel, Zweck und Zusammensetzung der arbeitenden Kräfte kennen zu lernen? Welches Land der Erde hat zu dem bereits erreichten Maße von allgemeiner intellektueller Schulung des Individuums noch eine solche Summe von Planmäßigem Wetterbau des Erreichten, von steter Erweckung, Belebung und Ausbeutung geistiger Energie geschaffen wie Deutschland? Ich erinnere nur an die wcitausgreifenden, mit den verschiedensten, staatlichen, kommunalen und wirtschaftspolitischen oder privaten Organisationen verknüpften Volksbildungsbestrebungen. Die Grundlage für den Beginn, die Durchführung und den Erfolg solcher Bestrebungen und Unternehmungen bildet aber in allen Fällen das deutsche Buch. Jeder Einzelne wird durch das Buch zum Mitarbeiter und zum Fruchtträger neuen Fortschritts. In dieser Richtung nun erwachsen dem deutschen Buche noch Aufgaben, die weit über das Maß des bereits Erreichten hinaus gehen. Es darf Wohl heute ohne Scheu gesagt werden, daß unsere verwaltungstechnifche und wirtschaftspolitische Organi sation mit jener der militärischen Wirkungsbereiche in gar keinen Vergleich gebracht werden kann. Es ist das nicht sträfliche Ver nachlässigung, sondern es ist die alles über den Haufen werfende überlange Dauer des Krieges, an die kein Mensch vor dem Kriege hätte denken oder glauben mögen. Sie hat uns aber ge zeigt, bis zu welchem Grade subtilster Kleinarbeit eine für alle ! denkbaren Fälle gebaute Organisation gebracht werden muß. ^ Was das Militär durch seine Dispizlin und seine t—2jährigen ! Dienstzeiten, durch seine Reserve-Übungen und Manöver, durch l die Schulung seiner Offiziere und Beamten erreicht hat, das ist fest gegründet in dem hohen Zweckbewußtsei», das bis zum letzten Mann herunter durch diese vorausgegangene Schulung vorhanden ist. Eine gleichartige Vorschulung für die Mitgliedschaft einer Verwaltungs- oder wirtschaftspolitischen Organisation des deutschen Volkes ist aber nicht denkbar, ohne daß man sich in Utopien verliert. Hier mutz und wird das deutsche Buch einsetzen! Die ungeheure Summe von Intelligenz, Erfahrung und gutem Willen, die in dem deutschen Schrifttum sich betätigen kann, mutz sich darauf werfen, nach dem Kriege und schon jetzt restlos alle jene Kräfte zu mobilisieren und ! zu organisieren, die die Sicherstellung unserer nationalen Existenz ! auch in den schwierigsten Lagen gewährleisten können. Es muß j für eine viel, viel nachdrücklichere Verbreitung unserer populärwis senschaftlichen Literatur, soweit sie der Verbreitung zweckdien- I lichen Wissens förderlich ist und sich nicht in unfruchtbaren Po- ! lemikcn politischer oder religiöser Richtung erschöpft, gesorgt ^ werden. Gerade durch sie wird in wirksamster Weise jenes wu- j chernde Unkraut der Streit- und Fehdeliteratur, die in Deutsch« ^ land so sehr im Schwange war und der sich, mit Scham und Be- i dauern kann man es jetzt Wohl offen sagen, manchmal unsere besten Geister gewidmet haben, ausgerottet und bekämpft werden. Es wird bis zu einem gewissen Grade auch die rein künst- j lerische, der geistigen Erquickung dienende Literatur hier mitzu wirken haben. Wohl wird ihr, von Ausnahmen abgesehen, nur selten beschicken sein, in direkter Weise an dem Ausbau unserer nationalen Kräfte und an dem Problem ihrer weisen Nutzbarmachung und Ordnung mitzuarbeiten, aber sie kann in hohem Maße die geistige Bereitschaft unseres Volkes beein flussen in gutem oder schlechtem Sinne, und deshalb wäre es ver fehlt, von ihr in diesem Zusammenhang nicht zu sprechen. Jedes wahrhaft künstlerische Buch wird in gesund empfindenden Menschen mit wohlangepaßter Fassungskraft einen starken Ein druck zum Guten hinterlassen. Die mit dem Matze der künst lerischen Vollkommenheit des Werkes steigende seelische Anteil nahme an dem Gehalt des Werkes wird nicht ohne, wenn auch langsame, aber desto dauerhaftere Einwirkung auf die seelische und geistige Spannkraft des Lesers bleiben. Wer legt Wohl Jeremias Gotthelf aus der Hand ohne d.as Gefühl der wohl tuendsten Erfrischung und der freudigeren Tatkraft? Wer den Einfluß der seelischen Verfassung auf das physische Wirken des Menschen nicht absichtlich unterschätzen will, der wird sich der un geheuren Bedeutung der schönen Literatur für den Kräftehaus halt unsrer Nation nicht verschließen können. Ist er aber zugegeben, so haben wir die Pflicht und Schuldigkeit, auch hier zu überlegen, ob nicht auch nach dieser Seite hin dem deutschen Buche nationale Aufgaben von höchster Bedeutung erwachsen. All zulange haben wir auf unsere Klassiker gepocht, trotzdem sie immer noch zu wenig gelesen und verbreitet werden, und allzulange haben wir sie fast als das einzige Gegengewicht geltend gemacht gegen die lawinenartig anschwellende Überlastung des deutschen Volkes mit einer auf den reinen Unterhaltungston gestimmten Literatur ohne Saft und Kraft und Blut und Leben. Ich sage es ganz offen und ehrlich heraus, ich weiß nicht, was minder ist, jene Richtung, die mit dem guten Willen und der »herrlichen Tendenz« die schäbigste literarische Mittelmäßigkeit verbindet nur um des guten Zweckes willen, oder jene abgefeimten Literatur- Fabrikanten, die ein wahres Schnellfeuer der krassesten Mittel mäßigkeit in bestechender Aufmachung und kluger Ausnützung aller noch anständigen Masseninstinkte aus ihr« liebe Mitwelt loslassen. Ich nenne keinen Namen nach keiner Seite hin, aber es schreit allgemach zum Himmel, was an plattem Geschreibsel im Laufe der letzten Jahrzehnte sich in den Literaturkanälen des deutschen Buchhandels staute. Ich rede hier nicht von der Schundliteratur! Ganz und gar nicht! Hier ist der ganze deut sche Buchhandel und Vas ganze deutsche Volk, soweit es Urteil besitzt, vollkommen einig. Hier ist auch schon ein Erfolg erzielt worden, und er wird noch erzielt werden. Nein, ich rede von den Tausenden von Modeschreibern und -schreiberinnen, die mit
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