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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 27.12.1915
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- 1915-12-27
- Erscheinungsdatum
- 27.12.1915
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man im allgemeinen über die englische Buchkunst sagen mutz (was man schon in jenem Haus mit den Zinnen und Tudorbogen sagte): »werkmätzig, handwerklich sehr solid — aber antiqua risch«, so kommt hier bei der Betrachtung der Schriften noch hin zu, datz dies Volk aus der Typcnarchäologie Morrisschen Ange denkens gar nicht mehr herauskommt. Und im dekorativen We sen, wo es einen Ausweg ins Freie ahnt, bleibt es noch ganz im naturalistischem Omament befangen. Kaum wagt es einige Stili sierung, so kriegt es schon Angst und kopiert Rahmen und Titel und die ganze Ornamentik unseres sechzehnten Jahrhunderts, wo allein sein Antiquarsgeschmack sich geborgen fühlt. Und ähnlich stehts mit der Einbandkunst: die naturalistisch wuchernde Deko ration überwiegt, von einer Herausbildung struktiver Prinzipien, von einer Einbandästhetik, wie sie sich aus dem innigsten Durch- fühlcn und Durchleben eines Buchkörpers, aus der feinsten Em pfindung für seine Schwerpunkte und Schwerlinien ergibt, sind kaum Anfänge zu spüren. An unserer Buchkunst dagegen hat die Tradition keineswegs den Löwenanteil, da treibts und drängts und stößts und quirlts vielmehr, wir sind auch hier die geborenen Experimentatoren, die nach allem Zukünftigen Sehnsüchtigen, die Suchenden und Versuchenden, und seis über solche Umwege wie die Eckmannsche Pinselschrift und die grandiose Bastardgeburt der frühen Behrens. Uns kommt es nicht darauf a», Verschwen der unseres Könnens zu sein, wir sind nicht der Gefahr ausgesetzt, ins Prähistorische zu versinken, wir wollen auch im Schrift- und Buchwesen alle Möglichkeiten des Neuen ausmessen, unbesorgt, datz wir die richtige Entwicklungslinie schon erreichen, die wir vielleicht auch schon haben. Daher stammt der grotze Reichtum unserer Schriftbildungen und Buchkunstschöpfungen, wie er sich auch in dem Sondcrband des Studio offenbart, ein Reichtum, aus dem sich, wenn wir nicht erlahmen, das Schaffensgebiet zu einem deutschen Stil erheben wird, wie wir ihm zusteuern. Um auch noch ein Wort von den Nachbarn in der schwarzen Kunst zu sprechen: Amerika hat sich nach kräftigen Eigenbe wegungen (Brodlest) ganz von England ins Schlepptau nehmen lassen, Schweden hält ein sehr anständiges Niveau inne, Österreich ist mit Joseph Hoffmann, mit dem festlichen Czscheschka und dem bizarren Diveky trefflich vertreten, als un garische Spezialität bekommen wir vom Studio unglücklicher weise den unausstehlichen Franz von Bayros in seiner glatten Rokokosüßlichkeit serviert, — von Frankreich zu sprechen aber bereitet Verlegenheit. Nur in der bibliophilen Einbandkunst sind da, auch von den Königen her, einige Traditionen erhalten ge blieben, aber in allem Buchinnern waltet der Mucha- und Chri stiansen-Stil. Von einer Energie neuer Schrifterfindungen keine Spur. Es mag schon stimmen, was Octave Uzanne gerade noch vor der Kriegserklärung feinen Landsleuten ins Stammbuch geschrie ben hat: »Unser Buchdruck ist auf einen wahrhaft bedauerns werten Zustand hcrabgesunken; seit 15 Jahren stellen wir Bücher her, die kaum noch diesen Namen verdienen; was wir produzieren, ist nur Kitsch!« Der kenntnisreiche Franzose, ein Prediger in der Wüste, hat sich seitdem sicher die Zunge wegen dieses reizenden Geständnisses abgebissen, aber es ist unwiderruflich, man braucht nichts hinzuzufügen. Es bedarf keiner Erwähnung, daß der Studio noch nicht die ganze Fülle unserer Erscheinungen erfaßt, grotze Gebiete der an gewandten und Gebrauchsgraphik, wegen der uns freilich erst die 1 imos ihren gelben Neid ausgesprochen hat, bleiben außer die sem Bereich; vollständig vermißt man das Gebiet der Illustration, wo sich, seit Beardsley tot ist, die Engländer mit ihrem alten süß lichen Jessic King-Stiefel einer Vergleichung auszusetzen Wohl für immer hüten werden. Die hundert ausgewählten Beispiele deutscher Jllustrationskunst, die bereits der »Verein der Plakat freunde« im Kriege erscheinen ließ, ergänzen dafür das Bild. Und daß unsere deutschen Schriftschulen blühender und Weiler sind als die englischen, daß unsere Künstlerschriften stark nach England im portiert wurden, das können sie uns auch nicht verzeihen. Die Ironie des Verbitterten, wie sie aus dem Studio spricht, bleibt aber allemal ein unzulängliches und billiges Rachemittel. Nun ja, nun möchte einer denken, wir brauchten nur den Kehrreim anzustimmen: »Wie wirs so herrlich weit gebracht!«, und die Selbstbeweihräucherung wäre fertig. Dazu haben wir 1874 aber gar keinen Grund, und Gott behüte uns auch in diesem Be» tracht vor nationaler Eitelkeit. Wir mögen wissen, daß wir eini gen Völkern buchkünstlerisch überlegen sind, wir mögen auch Hof- fen, einmal buchkünstlerisch das Beste des 20. Jahrhunderts zu machen, selbst dann noch dürfen wir nicht in Zufriedenheit ver sinken. Es kommt alles auf das Erreichen der Ziele an, die man sich selbst gesteckt hat; unsere Buchkunst hat sich die höchsten gesteckft aber um sie zu erreichen, bedarf es außerordentlicher, nie er lahmender Arbeit, bedarf es vor allem einer Werktüchtigkeit, einer handwerklichen Solidität, in der wir die vorbildliche Qualität eines uns heute feindlichen Volkes aus einer früheren Entwick- lungsstufe uns zum Muster nehmen könnten, wenn wir nicht selbst in Gutenberg und in den Leistungen unserer eignen Buchkunstepo chen ideale Leitsterne hätten. Nicht wenige Werke aus der Kriegs literatur-Sintflut bezeugen es auch, datz unser buchgewerblich-typo graphisches Können keinen Stillstand erfahren hat. Ohne Unter brechung nehmen die Drucke der Weberschen Hundert ihren Fort gang, rheinische Großindustrielle, die in ihren Mußestunden ganz ihren kostbaren Bücherschätzen leben, bestellen auch weiter bei den Handbindekunstwcrkslättcn der Grotzbuchbindereien die schönsten Einbände, über einen Auchkünstler wie Prectorius kann eine vortreffliche Monographie erscheinen (bei Fr. W. Ruhfus, Dort mund), Ehmcke legt die Gruudzüge der Entwicklung der letzten Jahrzehnte sehr aufschlußreich dar, Paul Kersten veröffentlicht die Fachbibliographie eines deutschen Kunstbuchbinders, in der ein kaum übersehbares Kunstwissen steckt, die Steiner-Prag-Klasse an der Leipziger Akademie entzückt mit ihrem wundervollen Don Juan-Druck, und die Gesellschaft der Bibliophilen vollendet eben den Druck der interessanten Aussätze von vr. Bogeng und des köstlichen Tafelwerks der Bibliothek unserer deutschen Erzbiblio philin Frau JdaSchoellerin Düren. Das sind doch lauter Zeichen, daß in der schönen Kunst des Buches tüchtig weitcrge- arbeitet wird. Und auch in der Schriftkunde und Schrifterfor schung gibt es kein Stocken: von Professor Albert Schramm, dem Leiter des Buchgewerbemuseums in Leipzig, stehen systematische Schriftdarstcllungen in Aussicht, um die Psychologie des Lesens und der Schrift erwirbt sich im Institut für experimentelle Päda gogik Rudolf Schulze immer neue Verdienste, ein Schriftproblem wie das vom Reichstagshaus klärt trotz allem wiederum den Schriftcnvcrstand, und um die Zukunft unserer Schriftkultur mit der Urentstehung aller Schrift zu verknüpfen, beschenkt uns Pro fessor KarlWcule mit einer Prachtvollen wohlgeglicdcrten, das Wirken des Menschengeistes und des Mitteilungstriebs durch alle Kulturkreise aufhellenden Wanderung »Vom Kerbstock bis zum Alphabet«, wie ja auch mit Leipziger Ethnologie und Vorgeschichte die Schriftforschungen von Stübe und Danzel verknüpft sind. Also: ob und wie weit wir andern Völkern buch künstlerisch überlegen sind, das wollen wir gar nicht so sehr aus machen, davon wollen wir gar nicht zu sehr überzeugt sein. Aber davon können wir überzeugt sein, datz auch im Buchwesen geistig und künstlerisch rastlos gearbeitet wird. Und das ist doch die Hauptsache. Fechner, Hanns- Kommende Kunst?? Halle 1915, Verlag der Buchhandlung des Waisenhauses. Preis brosch. 1 80 -k ord. Mancher Leser der Fcchnerschen Schrift wird versucht sein, die zwei Fragezeichen, die der Verfasser, der bekannte Porträtmaler, hinter den Titel setzte, am Schlüsse des Buches zu wiederholen. Das slott und begeistert geschriebene Werk bringt nach den Schriften und Aussätzen, die denselben Stoff in ähnlichem Sinne behandeln sso von Mommc Nissen, Langhammer, Corinth, Matthaei, Conrad Lange), keinen wesentlich neuen Gesichtspunkt. So einseitig darf überhaupt die Frage nicht gestellt werden. Nur aus deutscher Gesinnung ent steht keine neue deutsche Kunst. Auf die zum Teil unberechtigten Klagen Fechncrs ließe sich oft nur lm gegenteiligen Sinne eingehen; was er z. B. über den Impressionismus sagt und durch Willy Pastors Ansichten belegt, unterschreibe ich gar nicht, auch nicht, daß Bode in seinem Urteil über moderne Kunst allen Parteien maßgebend ist. <S. 54.) Wer sein Auge so auf eine frühere Kunstepoche eingestellt hat, wie dieser eminente Kenner der frühen Niederländer und Ita liener, kann gegen moderne Richtungen kaum gerecht sei». Es ist sehr bezeichnend, daß vor einigen Monaten ein Aufsatz von Bode
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