Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 28.08.1878
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- 28.08.1878
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- Deutsch
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3346 Nichtamtlicher Theil. 200, 28. August. Der vertrauensselige Buchhändler aber, der dem Colporteur alle diese Hefte und etwaiges sonstiges Sammelmaterial übergeben hat, in der Hoffnung, recht viel Subscribenten von ihm überwiesen zu erhalten, ist darum geprellt, denn der Colporteur ist schlau und läßt so leicht sich nicht erwischen, reist sogar oftmals unter drei, vier oder noch mehr verschiedenen Namen in der Welt umher und macht unter solchen neue Schwindeleien; so zum Beispiel verkauft er an einen Buchhändler die angeblich in dessen Stadt gesammelten Sub scribenten, wobei sich dann aber später herausstellt, daß ein Theil von den Namen der angegebenen Subscribenten gefälscht ist; oder er verkauft diesem oder jenem Buchhändler, oder vielleicht auch an einen der sich so nennenden Expedienten, die gesammelten Sub scribenten, macht sich aber kein Gewissen daraus, die Liste mit ganz denselben Subscribenten nun auch zum zweiten Mal noch an einen anderen Buchhändler oder Expedienten zu geben und von diesem auch sich dafür bezahlen zu lassen. Und unser Colporteur hat Glück, denn immer findet er wieder (da ja nach einem bekannten Sprichwort „die Dummen nicht alle werden") gläubige Seelen, die ihm ihr Vertrauen schenken und ihn mit Heften vom sogenannten Colportageroman und anderem Zeug mehr, sogar auch wohl mit Geldvorschüssen versehen, die natürlich größtentheils verloren gehen, denn der Mann, der sich in der einen Stadt Müller genannt hat, verschwindet ans derselben, um in einer anderen etwa als Meyer oder Schulze wieder aufzutauchen und unter diesem Namen von neuem Schwindeleien zu treiben. Und man kann dann in diesem oder jenem Blatte Klagelieder der so leichtgläubigen und betrogenen Buchhändler lesen, die vordem Betrüger, Schwindler, Erz gauner, und wie alle die liebenswürdigen Titel mehr lauten, warnen und ihre Collegen bitten, ihnen doch sofort Nachricht zu gehen zu lassen, wenn der Colporteur so und so ihnen etwa zu Ge sicht kommen sollte, damit derselbe dingfest gemacht und der gericht lichen Strafe überliefert werden könne. Wir haben Materialien der verschiedensten Art über die von Exporteuren ausgeführten Schwindeleien und Betrügereien gesammelt, womit, wenn wir sie alle veröffentlichen wollten, ein dickes Buch gefüllt werden könnte. Abgesehen davon, daß es dem Colporteur ganz gleichgültig ist, ob er mittelst seiner Suade einer sehr armen Wittwe die letzten Groschen, welche sie zur Ernährung und Erhaltung ihrer Kinder gebraucht, für seine derselben aufgeschwatzten Romane oder Zeit schriften abnimmt, macht er dabei auch noch den Leuten, um nur so viele Subscribenten wie möglich heranzulocken und dadurch haupt sächlich auch möglichst viel für die ihm gewöhnlich gratis über lassenen ersten und zweiten Hefte einzunehmen, oft die kolossalsten Versprechungen, die von den betreffenden Verlegern gar nicht ge macht sind. Es kommt so manchem Colporteur z. B. gar nicht darauf an, den Abonnenten bei jedem Hefte ein großes Bild gratis zu versprechen, da wo der Verleger vielleicht erst beim letzten Hefte ein solches versprochen hat; oder er verspricht Bilder gratis, wofür der Verleger Nachzahlung eines geringen Betrages bedungen hatte und dergl. mehr. Anfangs, als die sogenannten Colportageartikel auskamen, suchte man das Publicum, das darauf anbeißen sollte, durch Bilder zugaben, die meist herzlich schlecht waren, zu ködern; als später dies aber nicht mehr recht zog und die Stuben der Leute genugsam mit Bildern gefüllt waren, verfielen speculative Colportage-Verleger auf ganz neue Anziehungsmittel. Sie zeigten nämlich in zu vielen Hunderttausenden gedruckten und durch Colporteure und Buchhand lungen unter das Publicum gestreuten Prospecten an, daß dieser oder jener schöne Roman demnächst in Heften nach und nach bei ihnen erscheinen würde. In den Prospecten wird natürlich von Seiten der Verleger gesagt, daß der Verfasser ein berühmter, begabter und beim Publicum schon seit langem sehr beliebter Schriftsteller sei, was uns für unfern Theil immer in Verwunderung setzte, denn wir waren doch auch mit der Zeit, der Literatur und deren Erscheinungen fortgeschritten, konnten uns aber nicht erinnern, die meisten Namen der Herren, die jetzt auf einmal so spannende und interessante Romane und Novellen schreiben sollten, früher schon irgend einmal als Autoren genannt, von ihnen je gehört oder von ihnen jemals etwas gelesen zu haben. In den erwähnten Prospecten wurden ferner, um den Inhalt des neuen Buches mit dem vielver sprechenden Titel einigermaßen zu kennzeichnen und die Neugierde regezu machen, die ganz schauerlichen, schlüpfrigen und vielversprechen den Capitelüberschriften mit abgedruckt, und zum Schluß versprach man dann gewöhnlich den Subscribenten auf diese ausgezeichneten, „den Leser vom Anfang bis ans Ende fesselnden Erzählungen" gegen eine außerordentlich billige Nachzahlung entweder: einen feinen goldenen Damen- oder Herrenring, oder eine prachtvoll gearbeitete Garnitur, bestehend aus Broche und Ohrgehänge aus feinem dou- blirten Gold, oder einen guten seidenen Regenschirm, Stoff zu einem eleganten Herrn-Anzug, einen großen Petroleum-Kochapparat, ein großes Concert-Accordion, oder eine hochfeine Pelz-Garnitur, bestehend aus Muff und Boa, oder einen prachtvoll in den feinsten Farben ausgeführten Sopha-Teppich und eine prachtvolle Tischdecke, oder einen Morgenrock für Damen und einen Schlafrock für Herren, oder Stoff zu Hose und Weste, ein elegantes einfarbiges schweres Damenkleid, einen prachtvollen farbigen Damenmantel aus englischem Waterproof u. s. w. Andere speculative Verleger versprachen da gegen ihren Abonnenten als Prämien ganz umsonst: ein echtes Medaillon, eine schöne Wanduhr mit Wecker, ein gediegenes, echt ver goldetes und versilbertes Kaffee-Service aus feinstem Britannia- Metall, eine schwarze Cachemir-Robe, ein Pianino, Nähmaschinen, prächtige Lampen, Fruchtschalen und vieles Andere noch. Wer also aus alle die schönen Werke subscribiren will, der kann so nebenbei entweder ganz gratis oder gegen ein Billiges sich neu equipiren, er braucht auch gar nicht für Anschaffung von Möbeln und sonstigem Haus- und Küchengeräth zu sorgen, sein Colportagebuchhändler be sorgt ihm das ja alles, und es kommt vielleicht noch dahin, daß die jungen Eleven im Buchhandel bald mehr mit Elle und Schere hanthieren müssen als mit Büchern! Noch auf Eins aber möchten wir speculative Colportage-Literatur verlegende Buchhändler auf merksam machen, was noch nicht beachtet, noch gar nicht als Gratis zugabe versprochen und dagewesen ist: Wie wäre es denn nämlich, wenn bei dem nächsten Colportage-Roman, der erscheint, oder auch bei einer neuen Zeitschrift den darauf subscribirenden Herren ein Füßchen echter Nordhäuser Korn als Gratis-Prämie geliefert würde? Unserer Meinung nach dürfte eine solche Prämie vielleicht eine ganz besondere Anziehungskraft ausüben, namentlich gerade bei demjenigen Publicum, welches dergleichen kostbare Literatur lesen und kaufen soll. Es ist etwas Neues und Originelles mit einer derartigen Prämie, und wollen wir uns hiermit ausdrücklich das Verdienst vindiciren, zuerst auf eine solche Gratis-Prämie aufmerk sam gemacht zu haben. Daß übrigens bisher aber auch Uhrmacher, Schneider, Lampen- und Tuchfabrikanten rc. sich schon veranlaßt gesehen hätten, nun auch auf ihre Artikel einen schauderhaften Colportage-Roman gratis zu verabfolgen, davon haben wir bis jetzt noch nichts gehört. Kann es nun aber wohl, um wieder aus dem Scherze in den Ernst überzugehen, dem Volke von Nutzen sein, wenn tagtäglich liederliche Subjecte der Art, wie ich sie eben nach dem Leben ge schildert habe, in der Welt herumwandern, die Leute betrügen und beschwatzen und schamlose, die Sitten immer mehr und mehr ver derbende, die Liebe zu Fürst und Vaterland höhnende, die so verderb lichen Lehren der Socialdemokratie immer mehr ausbreitende Blätter und Schriften verbreiten? Kann es dem Volke von Nutzen oder angenehm sein, wenn täglich mehrere solcher Leute in die Woh nung des Bürgers, des Handwerkers, des Arbeiters eindringen, um
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