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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 14.04.1932
- Strukturtyp
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- 1932-04-14
- Erscheinungsdatum
- 14.04.1932
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- Deutsch
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Z6 86, 14. April 1932. Redaktioneller Teil. Börsenblatt f. d.Dtschn Buchhandel. Insgesamt hat also eine Ausweitung des Zahlungsmittel- mnlauss um 709,7 Millionen Mark stattgefunden. Die Zu nahme der Abschnitte von 1000, 500, 100 und 50 Mark läßt sich wohl einwandfrei ans das Konto der Hortung setzen. Die Zu nahme der 20-Markscheine um 115,9 Millionen Mark wird man mindestens zum Teil auch mit den Hamsterungen in Verbindung zu bringen haben, während die Abnahme der 10-Markstücke, und die Zunahme der unter 10 Mark großen Abschnitte lediglich als eine Folge der starken Ilmlaufszunahme von Silbergeld auf Kosten des Papiergeldes zu buchen ist. Nach dieser Statistik wäre also der Umsang der Stückgeldhortung auf 600 bis 700 Mil lionen Mark zu schätzen. Das Institut für Konjunkturforschung hat kürzlich die Menge des gehorteten Bargeldes aus mindestens I Milliarde Mark veranschlagt. »Diese Zahl ergibt sich«, so hieß cs, »wenn man die tatsächliche Entwicklung des Geldumlaufs mit der Bewegung vergleicht, die auf Grund der gleichzeitigen Entwicklung des Arbeitseinkommens und der Einzelhandelsum sätze hätte erwartet werden müssen». Allerdings ist dabei wohl nicht in Betracht gezogen, daß durch die Veränderung der Zah lungssitten (ratenweise Auszahlung der Gehälter an Beamte) eine gewisse Erhöhung des Stückgeldumlaufs erfolgt sein dürfte. Fraglich bleibt aber unter allen Umständen, ob es gelingen kann, die gehorteten Geldmengen, die für die Belebung der Wirtschaft schon eine Rolle spielen könnten, wirklich hervorzulocken. Natür licher wäre es aus jeden Fall, wenn sie unmittelbar und in eige ner Verantwortung von ihren Besitzern wieder wirtschaftlich nutzbar gemacht würden. Der Umwog über die Anleihe an die öffentliche Hand verbürgt den wirtschaftlichen Erfolg nicht ohne weiteres im vollen Umfang. Deshalb bleibt auch Vorsicht gegen über anderen Finanzierungsplänen geboten, ob sie mit der kom munalen Umschuldung oder mit anderen Kreditoperationen Zu sammenhängen. Allerdings bleibt uns angesichts der katastro phalen Arbeitslosigkeit vorläufig nichts anderes übrig, als von der Substanz zu leben. Es wird deshalb wohl auch nichts anderes übrig bleiben, als noch weitere Teile des Volksvermögens zu mobilisieren, um sie aufzuzehrcn. Das muß aber in einer Form geschehen, die alles das, was Deutschland mit Schaudern in der Inflationszeit erlebt hat, unbedingt vermeidet. Das deutsche Buchgewerbe bleibt auch weiterhin in dieser Entwicklung vorwiegend zur Passivität verurteilt. Die Neu- Produktion ist, nach den Erftanlündigungen von Neuigkeiten im Börsenblatt zu urteilen, weiter auss äußerste gedrosselt. Der März brachte nur 759 Neuerscheinungen statt 991 im Vorjahr. Allerdings ist zu berücksichtigen, daß diesmal in den Monat die Osterfeiertage fielen. Auch ohne diesen Ausfall wäre aber wohl das Ergebnis geringer gewesen. Angesichts dieser Produktions drosselung wird, wenn der Umsatz nach Möglichkeit gehalten werden soll, die Mobilisierung älterer Vorräte von erhöhter Be deutung. Die Arbeit dafür steht heute zweifelsohne in einem besonderen Rahmen. Wir möchten in dieser Hinsicht auf eine Neuerscheinung der Deutschen Verlags-Anstalt aufmerksam machen, »Deutscher Geist in Gefahr* von dem Bonner Professor Ernst Robert Curtius, ein Werk, das nicht nur der Buchhändler selbst lesen sollte, um sich über die Lage im Jahre des 100. Todes tages Goethes zu unterrichten, sondern dos er auch allen in Frage kommenden Stellen nahebringen sollte, um ihr Verantwortungs- bewußlsein zu wecken und sie tätig werden zu lassen. Curtius führt u. a. aus: Die völlige Umschichtung der Nation im Lause der letzten Fahrzehnte hat das überlieferte Bildungsideal so schwer erschüttert, daß seine Berechtigung ernsthast in Zweifel gezogen werden konnte. Es fehlt zwar nicht an hoffnungsvollen Versuchen aus dem Ge biete der Erwachsenenbildung und der Volksbildung. Aber unsere materielle Not läßt sie nicht zur Blüte gedeihen. Dem deutschen Arbeiter hätte die Bildungswelt Goethes wohl etwas zu geben, aber sie wird ihm nicht in geeigneter Form vermittelt. Übrigens handelt es sich nicht nur um die Arbeiterklasse allein. Es handelt sich um alle Bevölkerungsschichten, die heute In den Formen straff organisierter Kollektivitäten die Struktur unseres Volkskörpcrs bestimmen. Bildung kann nur da gedeihen, wo der ökonomische Lebensranm ein Mindestmah an Freiheits- und Entwicklungs möglichkeiten gewährt. Bildung fordert Zeit, Krast und Hin gabe im Dienste der Persönlichkeitsentsaltung. Diese Persönlich keitsentsaltung ist in der heutige» Lage nicht nur nicht mehr möglich, sie wird auch gar nicht mehr gewollt. Sie isoliert und sie bedeutet eine soziale Schwächung. Im Zeitalter der Sprech chöre und Stoßtrupps haben Faust und Wilhelm Meister ihr Recht verloren und müssen einem suggestiven Gcsinnungskom- mando weichen. Bildung ist die geistige Taseinssorm des deut schen Bürgertums gewesen. Aber das Bürgertum hat im moderne» Deutschland nie die Macht und Geltung besessen wie in den West ländern. Es konnte auch nicht das Erbe einer Abclskultur an- treten wie in England oder das einer höfischen Kultur wie In Frankreich. Denn der deutsche Adel und die deutschen Fürsten be zogen ihren Lebensstil von Ludwig XIV. oder von Voltaire. Das Reich der Bildung reicht nicht weiter als das des deutschen Bür gertums oder, richtiger gesagt, des ständisch gegliederten Volkes. Wenn sich das Bürgertum auflöst, vergeht mit ihm zum mindesten eine unersetzliche Substanz deutschen Bildungsbesitzcs. Soll dieser Prozctz ausgehalten oder rückgängig gemacht wer den, so muß er zunächst in seiner vollen Gefährlichkeit erkannt wer den. Das zweite aber ist: Handeln, und sofort handeln. Unser Rillionenheer von Arbeitslosen hat nichts zu tun. Es umfaßt außer der Arbeiterschaft eine große Zahl von Madcmikern, von Kausleuten, von Angehörigen der freien Berufe. Außerdem sind verfügbar die Lehrkräfte der durch die Notverordnungen stillge- legten pädagogischen und Kunstakademien, ferner die abgcbauten Lehrer aller Grade, seiner das große Heer der stellenlosen Aka demiker. Alle diese Personen könnten sich unter einheitlicher Lei tung verbinden zu einem Arbeitslosen-Bildungsdienst, der sreilich als Volksbewegung propagiert werden müßte. Für diese Idee müßte und könnte die Presse im großen Stil werben. Es ge nügt nicht, daß an einzelnen Stellen Kurse für Arbeitslose ab gehalten werden. Diese isolierten Bestrebungen müßten verviel facht und zusammengeschlossen werden als Krcuzzug für deutsche Volksbildung. Es braucht nicht ausgesllhrt zu werden, wie groß der politische Gewinn einer solchen Bewegung sein könnte. Sie würde aber auch dem Ideal der Bildung selbst eine neue Macht über die Geister verleihen. Sie könnte als einheitlicher Lebensstrom unsere Volks gemeinschaft durchfluten. Man muß sich darüber klar sein, daß es ein dreifach abgcstustes Wissen gibt: ein Leistungswissen satte Arte» technischer und beruflicher Schulung), ein Bildungswissen und ein Heilswissen. Der Mensch aller Zeiten und also auch der heutige Arbeitslose begehrt und braucht Unterweisung in allen drei Stufen. Wir haben in Deutschland eine fürchterliche In flation pädagogischer Theorie. Aber ihre Subtilitäten verdecken zu meist die einfachen, ewigen Grundfragen. Der Mensch mutz und soll wissen, wie er leben und lieben und glauben soll: wo er das Schöne und das Edle, das Wahre und bas Gute findet, um es in sein Wesen elnzubauen. Also bitte keinen formalistischen Päb- agogismus, sondern lebenersüllte und lebenerweckende, durch kon krete Gestalten und Anhalte wirkende Unterweisung! An normalen Zeiten hat das Volk einsach keine Zeit, um solche Unterweisung aufzunehmen. Heute hat es Zeit — dank der Arbeitslosigkeit. So könnte man dies« ungeheure Not ins Positive wenden. Wir müßten uns alle mit dem Gedanken durchdringen: wo Abbau nötig wird, ist gleichzeitig Sorge zu tragen, daß an anderer Stelle Aufbau er folgt. Vorläufig aber nimmt der Abbau der bürgerlichen Bil dungsschicht in Deutschland seinen Fortgang. Unsere Politiker den ken nur an Wirtschaft, an Konferenzen, an elenden Parteihader. Die fürchterliche Gedankenarmut und Kleinlichkeit unserer Politik wird nachgerade unerträglich. Aus dem Volke heraus, aber nicht aus einem sturen völkischen Getue, ans dem Volke heraus, dem Goethe und Schiller, Herder und Hegel entwuchsen, müßte wieder Geisteskraft erstehen und de» politischen Kleinkram überwinden. An diesem Ausruf ist nicht nur der Wille beachtlich, nicht einseitig in Pessimismus und Resignation unterzugchcn, sondern den Kamps auszunehmen gegen das, was als Schicksal und Schuld erscheinen mag: vielmehr gilt es darin auch den Hinweis aufzu nehmen, daß für den Wiederaufbau oder den Umbau deutschen Kultur- und Bildungswesens schon setzt planmäßig das Erforder liche geschehen muß. Die Welt lebt ja über die Krise hinaus weiter. Der Aufschwung darf gerade den Buchhandel nicht un vorbereitet treffen. Und es ist schon so: in der Not sind die Men schen für das Buch aufgeschlossener und aufnahmebereiter als in der Zeit neuen materiellen Wohlergehens. Dann glauben viele, geistige Nahrung nicht mehr nötig zu haben. Sie werden uner reichbar, wenn nicht vorher schon Bindungen an Buch und Zeit schrift gelungen sind. Heute also ist regste Arbeit nötig. Es darf nicht einmal heißen: zu spät, die beste Gelegenheit wurde verpaßt. 311
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