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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 19.05.1932
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- 1932-05-19
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- 19.05.1932
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X: 114, 19. Mai 1932. Redaktioneller Teil. Börsenblatt f. d.Dtschn Buchhandel. Musik und Musiker um Goethe. Zur Wiederkehr des 10V. Todestages Carl Friedrich Zellers am 15. Mai 1932. Von vr. Paul Bülow (Lübeck). »Musik kann ich nicht beurteilen, denn es fehlt mir an der Kenntnis der Mittel, deren sie sich zu ihren Zwecken be dient, und ich kann nur von der Wirkung sprechen, die sic auf mich macht, wenn ich mich ihr rein und wiederholt überlasse. (Goethe an Zelter.) Als der damals 44jährige Leiter der Berliner Singakademie Carl Friedrich Zelter Ende Februar 1802 zum ersteu Male im Goethe- Haus am weimarischen Frauenplan einkehrt, bedeutet dieser Besuch eine der wichtigsten Schicksalswenden im Leben des Hausherrn. Diese fünf Tage des Beisammenseins zwischen Goethe und Zelter legen den Grundstein jener Freundschaft, die sich über einen Zeitraum von mehr als dreißig Jahren ungetrübt und in gegenseitig harmonischer Bereicherung behaupten sollte. Wie dem Straßburger Studenten einst die Einkehr bei Herder das Erwccktwerden zum Deutschen und Dichter bedeutete, so wird dem Weimarer Goethe mit dem Besuch dieses aus kleinbürgerlichen Handwerkskreisen mühsam aber energie stark emporgestiegenen Musikers der märkischen Lande ein Weg gefährte aus dem Gebiete des musikalischen Schaffens seiner Zeit geschenkt. Unter Zelters Führung findet Goethe den Weg zu I. S. Bach, Haydn und Mendelssohn, während ihm — das ist der über dieser Freundschaft ruhende tragische Schatten — infolge Zelters Ab neigung bzw. Mißverstehen das Verständnis für Beethoven, Schubert und Carl Maria v. Weber versagt bleibt. Zelters rein menschlich wie auch schöpferisch so charaktervolle Per sönlichkeit, die sich Goethe als einzigen Duzfreund seiner Altersjahre erkor, hat noch keinen eigenen Biographen gefunden. Dafür liegt aber Goethes Briefwechsel mit Zelter in empfehlens werten Ausgaben vor: in der bisher grundlegenden Ausgabe von Max Hecker (Leipzig 1913—1918); in der recht geeigneten Aus wahlausgabe Will Vespers (Deutsche Bibliothek, Berlin) und in der zuverlässigen, von Ludwig Geiger besorgten dreibändigen Gesamtausgabe in Neclams Universalbibliothek. Zelters Musiker- pcrsönlichkeit selbst hat einstweilen in dem s'ür unser Thema über haupt grundlegenden und an Materialfülle bislang nicht über- troffenen Werke von Wilhelm Bode: Die Tonkunst in Goethes Leben (Berlin 1912, E. S. Mittler L Sohn) die aus führlichste Würdigung erfahren (vgl. daneben bei Hans John a. a. O. S. 149 sf.). Diese beiden Bände erschließen uns Goethes musikalischen Erlebnis- und Jnteressenkrcis, für den Wolfgang Golther einmal die prägnante Formel gefunden! hat: »Äußerlich ist Goethes musikalisches Verständnis begrenzt, innerlich unbegrenzt«. Er knüpft hiermit an einen Ausspruch Richard Wagners an: »Goethe und Schiller hatten die Musik eben im Bediirfnis, in der Ahnung« — Worte, die mit einem Schlage den Streit um den »musikalischen« Goethe erhellen, ja zu schlichten geeignet sind. (Vgl. Wolfgang Golther »Zur deutschen Sage und Dichtung«, Leipzig, Lenicn- Verlag 1911, enthält die wichtigen Aufsätze »Richard Wagner und Goethe« und »Die Musik im Schauspiel unserer Klassiker« sowie »Goethes Faust auf der Bühue«.) Wer sich einen Überblick über Goethes Einwirkung auf die lyrische Tonkunst verschaffen möchte, sei auf vr. R o b c r t W e b e r s ausgezeichneten Aufsatz »Vertonun gen Goethescher Gedichte im Einzellied (Goethe- Kalender aus das Jahr 1928, Leipzig. Dieterich) verwiesen. Erst die jüngsten Forschungsergebnisse der Musikwissenschaft haben neben der schon genannten Veröffentlichung Wilhelm Bodes etwa in Werken wie Hermann Aberts stilistisch wie inhaltlich virtuos gemeisterter Studie »G o e t h c u n d d i e M u s i k« (I. Engel- Horns Nachf., Stuttgart 1922) und Hans Johns fleißige, von per sönlichem Urteilswillen beherrschte glcichbetitelte Schrift (Langen salza, Hermann Beyer und Söhne, 1928) Goethes Stellung im zeit genössischen Musikleben und seine Einwirkung auf das Schaffen be rühmter Tonmeister der Mit- und Nachwelt klargclegt. An drei bedeutsamen Tagen seines Daseins griff die Kunst der Töne ereignishaft in die Erlebnissphäre Goethes ein. Es ist ein schicksalstief umwobenes Begegnen im Reiche der Genies, wenn die drei größten zeitgenössischen Musiker aus der Donaustadt mit ihrer Kunst oder Persönlichkeit dem Genie von Weimar zum aufrüttelnden Erlebnis werden. Am 30. August 1763 fitzen der damals sieben jährige Mozart und seine zwölfjährige Schwester Maria-Anna, die sich auf der Fahrt nach Paris befinden, in Frankfurt auf dem Konzertpodium. Unter den Zuschauern lauscht auch der Knabe Goethe, der noch 67 Jahre später von diesem Abend zu erzählen weiß: »Ich erinnere mich des kleinen Mannes in seiner Frisur und Degen noch ganz deutlich . Der Funke dieses Erlebens zündet: mit diesem Abend 408 beginnt Goethes inbrünstige Verehrung und Hinneigung zu dem jenigen musikalischen Genie, dessen Wesenheit und Kunst in ihm vielleicht den stärksten Widerhall weckten. Hatte er doch für Mozart die gewaltigste Aufgabe ausevsehen, die seine Schasfenswelt einem Musiker bieten konnte: die Komposition des »Faust«. Aber cs blieb bei diesem einzigen persönlichen Begegnen, und keine einzige Bries- zeile ist zwischen den Genies an der Ilm und Donau gewechselt. Mozart aber schuf mit dem »Veilchen« (1785) das erste große Kunst werk der kongenialen Vertonung eines Goctheschen Gedichts ein Kunstwerk, das der Dichter wahrscheinlich nicht zn Gesicht bekam, wie vr. Wilibald Nagel in seiner trefflichen Studie »Goethe und Mozart« (Langensalza 1904, Hermann Beyer K Söhne) ver mutet. Der 19. Juli 1812 bringt das erste Zusammentreffen zwischen Goethe und Beethoven während ihres Tcplitzcr Aufenthalts. Die Welt kennt die etwa in dem volkstümlichen Buche Walther N oh ls Goethe und Beethoven« (Gustav Bosse Verlag, Ncgensburg) ge schilderten Einzelheiten dieses durch einen ganzen Wust mehr oder- minder geschmackloser Anekdoten entstellten Beisammenseins. Doch was besagt alle ferner noch in Romain Rollands Buch »Goethe und Beethoven« (Rotapfel-Verlag, Erlenbach 1919) bis ins kleinste erforschte Tatsachenfülle über diese denkwürdige Begegnung zwischen dem von Taubheit geplagten, wortkargen, mürrischen Son derling Beethoven und dem weltmännischen, die Muße jenes Auf enthalts heiter genießenden Goethe, dessen klarer Lebcnsblick auch hier durch alle äußeren Schleier hindurch die Wesenheit jenes Mu sikers erforschte, wenn er seiner Frau in lapidaren Sätzen jene be deutsamste zeitgenössische Charakteristik über Beethoven schrieb: »Zu sammengefaßter, energischer, inniger habe ich noch keinen Künstler gesehen. Ich begreife recht gut, wie er gegen die Welt wunderlich stehen muß«. Beethoven bekennt seinerseits unwillige Enttäuschung: »Goethe behagt die Hofluft zu sehr, mehr als es einem Dichter ziemt«. Dennoch — auch diese Szene aus jener böhmischen Episode des wei marischen Dichters gehört der Unsterblichkeit an: Beethoven in dem schlichten Tcplitzcr Gasthofzimmer am Klavier und hinter ihm Goethe lauschend und sinnend. Schloß sich auch diese Liebcsfuge von Genius zu Genius nicht zu letzter Harmonie, so bewahrte doch Beethoven dem Dichter eine warmherzige Verehrung, und auf Goethes Seite verblieb für den Schöpfer der Neunten Sinfonie eine scheue Hoch achtung. (Uber angeblich verwandte Gestaltungsplänc des »Faust und der 9. Sinfonie ergeht sich W a l t e r E n g e l s m a n n in seiner temperamentvoll geschriebenen Arbeit: Goethe nnd Beet hoven (vr. B. Filser Verlag, Augsburg 1932). Auch diese Begeg nung klingt schließlich aus in dem leider unverwirklicht gebliebenen Wunsche nach einer schöpferischen Tat: in einem Konversationshest Beethovens aus dem Winter 1823 lesen wir: »Ich hoffe endlich zu schreiben, was mir in der Kunst das Höchste ist — Faust!« (Uber die musikalischen Gestaltungen des Fauststoffes vgl. James Simons Monographie »Faust in der Musik«, Kistner L Siegel, Leipzig: ferner Arthur Prüfer: »Musik als tönende Faustibee«, Steingräber- Verlag, Leipzig). An einem Apriltage 1830 — also zwei Jahre nach Schuberts Tod — bringt die begnadete Wilhelmine Schrödcr-Devrient während einer Hausmusik im Goetheheim am Frauenplau mit dem Vortrag des »Erlkönigs« dem greisen Dichter das eigentliche Erlebnis der Liedkunst Franz Schuberts. Dem Bericht Eduard Genafts, der die berühmte Sängerin ins Dichterheim einführte, danken wir Goethes einziges uns überliefertes Zeugnis über Schuberts Kunst schaffen: »Sie sang ihm unter andern: auch die Schubertsche Kompo sition des »Erlkönigs« vor, und obgleich er kein Freund von durch komponierten Strophenliedern war, so ergriff ihn der hochdramatischc Vortrag der unvergleichlichen Wilhelminc so gewaltig, daß er ihr Haupt in beide Hände nahm und sie mit den Worten: »Haben Sie tausend Tank für diese großartige künstlerische Leistung!« auf die Stirn küßte; dann fuhr er fort: »Ich habe diese Komposition früher einmal gehört, wo sie mir gar nicht Zusagen wollte, aber s o vorge tragen, gestaltete sich das Ganze zu einem sichtbaren Bild«. Dem an äußeren Glücksgütern so armen Leben des schlichten Meisters in der Wienerstadt war trotz verschiedener, leider vergeblich unternommener Anbahnungsversuche weder eine persönliche Begegnung noch Förde rung durch den einflußreichen Weimarer Dichter vergönnt gewesen Unter dem Zeichen Goethes aber sendet Schubert im Jahre 1821 seine frühesten Liedschöpfungen zum erstenmal in die Welt hinaus. Eine unsterbliche Stunde für die deutsche Musik bricht an, als der 17jährige Schubert am 14. Oktober 1814 die Töne zum »Grctchen am Spinnrad« — der ersten bedeutenden Faustkomposition zn Lebzeiten! Goethes findet und mit diesem Liede seine künstlerische Sendung! für eine neue Epoche der musikalischen Lyrik beginnt. ! Von den Berühmtheiten der zeitgenössischen Musik, die in der thüringischen Residenz einkchrten, sei hier nur Corona Schröter
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