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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 11.11.1915
- Strukturtyp
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- 1915-11-11
- Erscheinungsdatum
- 11.11.1915
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- Deutsch
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263, II. November 1915. Redaktioneller Teil. Börsenblatt s. d. Dlschn. Buchhandel. XXV. 30. Oktober 1915. Ein Bedürfnis nach geistiger Nahrung besteht bei unseren Kriegern zweifellos. Obwohl ich erst knapp zwei Monate im Felde bin, habe ich doch oft genug Gelegenheit gehabt, dies fest zustellen. Meine Kameraden erkannten stets dankbar an, wenn ich etwas zu lesen für sie hatte. Leider habe ich in unserem Re giment von einer Versorgung der Truppen mit Lesestoff bis jetzt nichts bemerkt. Auch auf meine Umfrage, ob dies früher ge schehen sei, erhielt ich nur verneinende Antworten. Es werden kleinere Schriften politischen und besonders belletristischen In halts gelesen. Öfters habe ich beobachtet, daß Leute vom Lande, die vielleicht daheim außer ihrer Zeitung selten etwas gelesen haben, sich selbst für künstlerische und klassische Schriften lebhaft interessieren. Meiner Ansicht nach wäre mit Sammellisten, die an die einzelnen Batterien oder Kompagnien, möglichst unter Beifügung eines Belegexemplars und einer entsprechenden An schrist, zu richten wären, am meisten zu erreichen. Es müßte sich natürlich um populäre, zeitgemäße und all gemein interessierende Werke handeln. Unsere Korps buchhandlung befindet sich in Bapaume, 25 Uus äs Lrras. Leider war es mir noch nicht möglich, sie zu besichtigen. Von dort aus könnte leicht in Verbindung mit der dort erscheinenden Zeitung »Der Schützengraben« inner halb des Korps-Bereichs manches geleistet werden. Hermann Determann. XXVI. Slaikowschtifna, 26. Oktbr. 1915. 1. Es besteht, zumal wir jetzt zum Stellungskampf über- gegangen sind, ein großes Bedürfnis nach Büchern. Vor allem werden kleinere Geschichten, leicht verständliche Politische Schrif ten und Zeitschriften gewünscht. 2. Soweit ich mich erinnern kann und meine Umfrage bei Kameraden und Offizieren ergeben hat, sind dem Bataillon keine Bücher durch Schenkungen zugegangen, überhaupt wer den wir, da wir das einzige Bataillon Sachsen bei der Division sind, besonders stiefmütterlich behandelt. 3. Der Geschmack der Heeresangehörigen ist durch die ver schiedenen Berufsklassen ein so vielseitiger, daß man über be sondere Bedürfnisse eigentlich nichts sagen kann. 5. Eine Feldbuchhandlung befindet sich in Lodz, jedoch konnte ich deren Adresse nicht feststellen. Max Ackermann. (Fortsetzung folgt.) Mein erstes Buch. Eine Erinnerung von Emil Marrio t.*) Vom sechzehnten Jahr etwa bis zum vierundzwanzigsten befand ich mich in meiner Sturm- und Drangperiode. Was ich in dieser Zeit schrieb, ivar sehr merkwürdig. Von den Schranken, die einem Schriftsteller gezogen sind, namentlich aber einem, der Aufnahme in die »Familienblätter« finden will, hatte ich keine blasse Ahnung. Ich schrieb wild darauf los und meinte, daß man alles sagen dürfe, wenn es nur wahr sei, wenn es nur »vorkomme«. Meine Schreibart war iibrigens nur insofern »realistisch« (um ein damals auftauchendes Schlagwort zu gebrauchen), als ich jeden Lichtstrahl energisch ver bannte und Leben wie Menschen in undurchdringliches Dunkel hüllte. Manchmal schilderte ich zwar auch gute, tüchtige, pflichtgetreue Men schen. Aber die ließ ich, wie zur Strafe, wenigstens sehr unglücklich werden. Die anderen (und sie bildeten die erdrückende Mehrzahl) waren wohl nicht gerade schlecht, wohl aber physisch oder seelisch krank und morsch, haltlos, ohne jede Hemmung ihren Instinkten, Leiden schaften, Schwächen ausgeliefert. Kein Ausdruck war mir zu gewagt, und ich sprach über das Heikelste so unbefangen, als wenn es sich ums Wetter handelte. Das; diese seltsamen Produkte mir von allen Redakteuren als »für das Blatt nicht geeignet« zurttckgeschickt wurden, brauche ich wohl nicht erst zu erwähnen. Damals fand ich das Gehaben der Redakteure höchst ungerecht, um so ungerechter, als verschie- *) Ans Anlaß des 60. Geburtstags Emilie Matajas (Emil Mar- riots) f20. November 1915). Red. denc Schriftsteller von Ruf mich über die Maßen ermutigten und meinen Sendungen an die Redaktionen enthusiastische Em pfehlungsschreiben beilegten, von denen ich mir viel versprach und die mir leider nichts nützten. Endlich hielt ich es in meiner Ungeduld, »berühmt« zu werden, nicht länger aus: ich beschloß, über die Köpfe der übelwollenden Redakteure hinweg, eines meiner Schmerzenskinder auf eigene Kosten herauszugeben. Ich hatte diesen Roman in seiner ersten Fassung schon mit sieb zehn Jahren niedergeschrteben. Dann waren mehrere Umarbeitungen erfolgt; und nun schien er mir vollkommen. Es war ein dünner Band und die an Handlung arme, an Re flexionen und Gesprächen reiche Geschichte eher eine breit angelegte Erzählung als ein Roman; der Held, wie alle meine Helden, ein zer fahrener, zerfallener Mensch, der sich selbst und alle, die ihn lieben, unglücklich macht und durch Selbstmord endet. Der Titel deckte sich mit dem Namen dieses Helden und lautete »Egon Talmors«. .Meine Geschwister, die an mich glaubten, waren mit der Heraus gabe des »Talmors« einverstanden und erklärten sich bereit, sich mit mir in die Kosten zu teilen. Mein Bruder gabelte den Besitzer einer großen Druckerei auf, der die Drucklegung »billig« zu machen ver sprach und obendrein Verbindungen mit Zeitungen hatte, wovon wir uns erheblichen Nutzen versprachen. Und wir fanden sogar einen Wiener Verleger, der den Vertrieb meines Buches übernahm. Soweit war also alles in Ordnung. Doch sowie es Ernst ge worden, begannen meine zuversichtliche Stimmung, mein felsenfester Glaube an mein Werk ins Wanken zu geraten. Mein Tagebuch aus jener Zeit gibt davon beredtes Zeugnis. Einmal nenne ich den »Tal mors« ein ganz vorzügliches Werk. Und dann heißt es wieder: »Es gibt Augenblicke, wo ich den kostbaren ,Talmors' ins Feuer werfen möchte«. Nach meiner ersten Unterredung mit meinem Verleger schrieb ich ganz deprimiert ins Tagebuch: »Er hat gesagt, was er nur sagen konnte, um mich zu entmutigen«. Ich weiß heute noch ganz genau, was der Verleger mir gesagt hat: »Etwa achtzig Exemplare dürften abgesetzt werden. Davon entfällt ein Teil auf die Leihbibliotheken und ein Teil auf Ihre Freunde, die das Buch, Ihnen zu Gefallen, kaufen werden. Der Nest aber wird liegen bleiben«. Ermutigend war diese Prophezeiung in der Tat nicht. Im Tagebuch ist unaufhörlich vom »Talmors« die Rede. Und weil mir das Buch so ungeheuer wichtig war, erwartete und ver langte ich von der Menschheit dasselbe. Meine Ungeduld mar grenzen los. Alles sollte sofort geschehen, die Menschen alles liegen und stehen lassen, um sich nur um meinen »Talmors« zu kümmern. Auch dafür ist mein Tagebuch der beste Zeuge. Schon eine Woche nach dem Erscheinen des Buches heißt es da voll Bitterkeit: »Unsere kühnsten Erwartungen sind weit übertroffen. Die lieben Freunde und Ver wandten, denen von Talmors' Erscheinen zu schreiben wir naiv genug waren, schweigen bis heute, — Vetter Otto ausgenommen, der den .Talmors' in drei Zeilen abtut, dann: ,Nun zu etwas Wichtigerem' schreibt und drei Seiten über den Spiritismus vollkritzelt. Auch meine literarischen Freunde schweigen. Unseres Druckers ,Protekt ion', von der er so viel faselte, dürfte darauf hinaus laufen, daß in der Neuen Freien Presse eine kurze Notiz über den ,Talmors' er scheinen wird. Wie wird cs bei den andern Blättern ausschcn, wo wir so einflußreicher ,Protektion' gänzlich entbehren?« »In meiner Verzweiflung«, steht zehn Tage später im Tagebuch, »habe ich heute ein Exemplar an Johannes Scherr gesandt. Schrift steller sind doch menschlicher als Journalisten«. Scherrs Antwort kam rasch: »Scherr schrieb mir einen ganz Gartenlaubischen Brief. Nie würde man erraten, daß ein hervorragender Mann ihn geschrieben«. (Heute denke ich freilich ganz anders darüber.) Die Propaganda für den »Talmors« wurde überall betrieben. So, zum Beispiel, auf der Opernrcdoute, wo ich, im schwarzen Do mino und mit der Halblarve vor meinem jungen Gesicht, die Herren, mit denen ich sprach, für mein Buch zu interessieren suchte. Es war mir übrigens etwas Selbstverständliches, daß jedermann den »Tal mors« zu kaufen hatte. Und wieder erließ ich Briefe: an Schrift steller, an den Baron Albert Rothschild. Wie der zu der Ehre kam, weiß ich nicht. Ich weiß nur, daß er mir nicht geantwortet hat. Damals machte ein Hypnotiseur Aufsehen, der seine Produktionen auf einer Wiener Bühne, dem Ningthcater, das bald darauf abbrannte, vorfllhrte. Ich hatte Interesse an seinen Versuchen und war sogar einmal auf der Bühne gewesen, um mich, wie es so viele aus dem Publikum taten, hypnotisieren zu lassen. Immer mit dem »Talmors« beschäftigt, schrieb ich in mein Tagebuch: »Bis jetzt Hilst nichts. Ich sollte vielleicht, während Professor H. die Leute hypnotisiert, von der Bühne ans Tausende von Talmors-Anzeigcn ins Parkett flattern las sen. Vielleicht würde das Effekt machen« . . . Eine neue Opernrcdoute, die ich besuche, gibt neuen Stoff zur Propaganda. Von einem Journalisten, den nicht nur ich, sondern auch meine Schwester als Maske für den »Talmors« zu gewinnen versucht 1483
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