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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 12.05.1932
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- 1932-05-12
- Erscheinungsdatum
- 12.05.1932
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X- 109, 12. Mai 1932. Redaktioneller Teil. Börsenblatt s. d.Dlschn Buchhandel. dem Einwand der Kostspieligkeit begegnet, »weil man wahrscheinlich mit Ausnahme von einigen ganz grundsätzlichen Lebensüberlegungen von jeder Forderung behaupten könne, daß mir dringendere Sorgen hätten«, ist nicht verwunderlich. In einer umfassenden Schrift: Die deutsche Rechtschreibung, Still stand oder Verbesserung? (Breslau 1932, Ferdinand Hirt) setzt sich I)r. Theodor Steche -Göttingen in einer erfreulich fremdwortfreien Sprache und auf Grund sprachgeschichtlicher Erwägungen mit den Möglichkeiten einer Verbesserung mit vielen Für und Wider ausein ander. Aber daß sich vr. Steche genötigt sieht, das letzte Ziel nicht aus einmal, sondern in mehreren Abschnitten zu erreichen, zeigt die große Gefahr aller Vorschläge. Jedes Menschenalter soll gesetzliche Neu regelung der Rechtschreibung erleben! Wer hätte Lust, mit dieser Aussicht die Reihe der Umgestaltungen, deren jede Millionenschäden verursacht, zu beginnen, wer den Mut, einzelnen Berufsständen die Kosten aufzuerlegen? Ganz so weit wie der Leipziger Lehrerverein, der mit seinem Buch »vereinfacht die rechtschreibung!« die Neugestaltung bis zum laut treuen Schreiben in vier Stufen durchführen will, geht zwar Steche nicht. Er sieht die den Verlegern drohenden wirtschaftlichen Ver luste und erkennt auch die Schwierigkeiten für die Bibliotheken und jeden Karteibesitzer an. Er ist deshalb bereit, zwischen den Mängeln der jetzigen Rechtschreibung und den Schwierigkeiten der Vereinfachung zu vermitteln. Aber die Umgestaltungen, die selbst die scheinbar gemäßigten Neuerer wie Steche durchführen wollen, würden derartig folgenschwer sein, daß eine grundlegende Neugestaltung kaum größere Kosten verursachen würde, weil alle Standardwerke, Wörterbücher, Bücherverzeichnisse usw. auch wegen der vermittelnden Verbesserungen neu gesetzt werden müßten, wenn sie den Wettbewerb aushalten sollten. Auch würden die Kreise, die jetzt die Neuregelung betreiben, die Volksschullehrer und die Buch drucker, die vermittelnden Verbesserungen als eine Abschlagszahlung ansehen und nur zu bald die von Steche erst in 30 bis 50 Jahren er wartete abermalige Umwälzung anstreben. Wiederholte Umstellungen bedeuten immer wiederholte Verluste, vor denen, wie die Geschichte lehrt, uns keine Verordnungen bewahren können. Es könnte sich hier nach für Verleger sowohl wie für Bibliotheken, wenn einmal geändert werden müßte, nur darum handeln, möglich st durchgreifend zu ändern, um wenigstens für ein Jahrhundert Ruhe zu haben. Uber die Zweckmäßigkeit einer Neuordnung unserer Rechtschrei bung in pädagogischer Hinsicht sind die Fachleute unter sich nicht einig. Schwierigkeiten haben bisher immer dazu gedient, den Geist zu üben und heranzubilden. Anerkannte Erzieher machen dem heutigen Anskunstsunterricht den Vorwurf, die Kinder dadurch zu ver zärteln, daß niedere Lernstoffe auf eine höhere Stufe geschoben wer den und daß die Lehrer selbst nachlässig oder mundartlich reden, die Schüler deshalb die schriftdeutschen Klänge nicht ins Gedächtnis auf nehmen. *) Wenn diese Fehler des Lese- und Schreibunterrichts ver mieden werden, wird für moderne Unterrichtsfächer Zeit gefunden werden, ohne große Umwälzungen in der Rechtschreibung. Als wei terer Grund für Änderung der Rechtschreibung wird angegeben, daß der jetzige Zustand der Verbreitung der deutschen Sprache im Auslande Schwierigkeiten mache und daß beson ders deutsche Kinder in Minderheitsgebieten, die nur ungenügenden Unterricht in der Muttersprache genössen, diese in möglichst einfachem, streng geregeltem Schriftkleid erlernen müßten, damit sie dem deut schen Volkstum nicht verloren gingen. Dem ist entgegenzuhalten, daß das Englische sich ausgebreitet hat mit einer viel größeren Regel losigkeit der Rechtschreibung als das Deutsche, weil in jedem Eng länder ein starkes Nationalbewußtsein lebt, das sich in jeder Lage behauptet. Hier gilt cs also einzusetzen, nicht bei der Rechtschreibung! Anderseits ist jede erhebliche Änderung unserer Rechtschreibung der Weltgeltung unserer Sprache und der Verbreitung der deutschen Geisteserzeugnisse im Ausland mehr abträglich als nützlich, weil sie sämtlichen Ausländern, die zurzeit des Deutschen mächtig sind, ein gut Stück dieses Vorteiles rauben würde. Auch dem jetzt lebenden Geschlecht der Auslanddeutschen, das ohnehin einer lockeren Verbin dung mit der deutschen Literatur ausgcsetzt ist, würden die deutschen Druckerzeugnisse, die ihnen eine wertvolle Brücke zur Heimat sind, entfremdet werden. Das Band, das alle Deutschen der Erde um schlingt, sollte am wenigsten in Notzeiten gelockert werden. Daß das Buchdruckgewerbe eine Neugestaltung, die nach und nach einen Neudruck des gesamten Schrifttums zur Folge haben müßte, gern sehen würde, ist begreiflich. Die Schwierigkeiten der jetzigen Recht schreibung für die Arbeit der Schriftsetzer treten aber stark in den *) Vgl. Pirkert, Lehrer und Rechtschreibung. Schulbote für Hes sen 1932, Nr. 4. 388 Hintergrund gegenüber den Millionen von Lesern, die durch eine Neuregelung der Rechtschreibung beim Lesen behindert werden. Und die soziale Seite der Frage? Ist die heutige Rechtschreibung wirk lich so unsinnig, daß sie bei einiger Übung nicht auch heute noch von den Volksschülern erlernt werden kann, wie sie früher von Millionen, je nach der Begabung mehr oder minder gut erlernt wurde und Hunderttausenden den Weg zum Aufstieg nicht versperrte? Als ob nicht auch jede neue Rechtschreibung Schwierigkeiten machen wird, solange der in den unteren Volksschichten vor sich gehenden Sprach- verlotterung nicht Einhalt geboten wird durch eine Stärkung des Obrigkeitsgedankens. Die kleinen technischen Vorteile der Ver einfachung, geringe Zeitersparnis für Setzer und Maschinenschreiber, fallen nicht sehr ins Gewicht. Steche will, wie oben gesagt ist, die neue Regelung tragbar machen, indem er zwischen den weitgehenden Forderungen der Neuerer und dem Beharrungsbestreben, wie er es mit Recht vor wiegend bei den Verlegern findet, eine Vermittlung sucht. Daher folgt er keinem einheitlichen Grundsatz, wie etwa dem der Lauttreue, sondern wählt aus den verschiedenen Möglichkeiten den Grundsatz, dessen Durchführung die geringsten Nmstellungsschwie- rig keilen bereitet. Sehen wir uns die wichtigsten Einzelheiten der Stecheschen Vor schläge an, damit wir uns vergegenwärtigen, wie weit sie das Ge wand der Sprache beeinflussen werden. 1. Die Frage, ob die Großschreibung der Hauptwörter beibehalten werden soll, eine Frage, welche viele Volksschullehrer und die Mehrzahl der Buchdrucker-Gehilfen heute zu Gunsten der Kleinschreibung entschieden sehen möchten, während diese doch nur Diener der 60 Millionen Leser sein sollten*), überläßt Steche der Entwicklung, verhehlt aber nicht seine starke Neigung zu der Klein schreibung hin. 2. Steche empfiehlt die Erweiterung der »Buchstabe i« von 26 auf 32 Buchstaben, indem er den Buchstaben s (cs)**) s (se) und ß (aß) bestimmte Lautwerke zuweist, auch den Umlautzeichen ä, ö, ü und dem ch (cch) eine feste Stellung im Alphabet anweist, ä, ö und ü hinter a, o und u, also in Verzeichnissen äbicht, Abtissin hinter Az teke, Azur einordnet. Das macht ganz besonders einschneidende Um stellungen in Wörterbüchern, Verzeichnissen und Karteien notwendig. 3. Die heute nebeneinander bestehenden vier Schreibarten von Klinglauten (Selbstlauten): der Nichlbezeichnung der Zeitdauer, der Längezeichen, der Silbengrenze und der Kürzezeichen, sollen ver schwinden und nur noch die Grundsätze der Länge- und Kürzezeichen neben denen der Stammgleichheit gelten. Die Zeitdauer wird ge kennzeichnet in den haupttonigen Silben, wenn auf die Klinglaute ein oder kein Mitlaut des Stammes folgt. In den offenen Silben erhalten die langen Klinglaute Längezeichen (meist h). Vor einem Mitlaut bekommen die kurzen Klinglaute im Inlaut und Auslaut ein Kürzezeichen (Verdoppelung des folgenden Mitlauts, aber c vor k, z vor t, ss statt ß, z. B. dass statt daß). Diese Regel hat zahl reiche Abweichungen von der bisherigen Schreibung zur Folge. Zunächst die Ausnahme für die Hauptwörter mit der Endung t. die ohne Längezeichen Trat, Nat, Sat, in Anlehnung an Tal, ge schrieben werden sollen. In nebentonigen und unbetonten Silben, soweit sie nicht noch heute als selbständige Wortstämme Vorkommen, bleibt die Zeitdauer unbezeichnet. Das ergibt die Schreibweise Mar- schal, Kiebiz, Fürstinen, Zirkuse usw. Die haupttonigen kurzen Klinglaute vor einrm Mitlaut des Wortstammes erhalten ausnahmslos das Kürzezeichen, also wegg zum Unterschied von Weg; Rebbhuhn, Rumm (Rum), Spritt (wie Schritt), Hotell usw. Schifffahrt, Betttuch usw. sollen wieder ein geführt werden. Die haupttonigen langen Klinglaute am Ende der Wortstämme behalten mit wenigen Ausnahmen ein einfaches Längezeichen bei, es müssen also geändert werden: sähen (wie nähen, statt bisher säen), Böh (wie Höhe), jah (wegen bejahen); vereinfacht wird Gewei (wie Geschrei), rau (wie lau), Reie (wie Schleie), lie (statt lieh), du sihst (statt siehst), Fih (statt Vieh) usw. Die haupttonigen langen Klinglaute vor einem Mitlaut des Wortstammes können nach Durchführung des Kürzezeichens das Längezeichen entbehren, also Rum (statt Ruhm), wobei das häufige ie bis zu der nächsten Neuregelung in 30 Jahren unangetastet blei ben soll! Zur Unterscheidung von Wortpaaren bleibt es bei mahlen und malen, Mahl und Mal, Reede und Rede, Sohle und Sole, Waage *) Vgl. Börsenblatt v. 28. Jan. 1932 »Umsturz der Rechtschrei bung?«. **) Steche empfiehlt die Übernahme des unverschnörkelten s aus der Schwabacher in die Fraktur.
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