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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 06.05.1932
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- 1932-05-06
- Erscheinungsdatum
- 06.05.1932
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2212 104, s. Mm 1932. Fertige Bücher. Börsenblatt f. d.Dtschn.Buchhandel. s-im-r-,-,. 28. April IS32 SN V»«. Reichsausgabe (vereinigt die 3 Ausgaben) 26. A»i,rg>n,, Kr. 8,4-616 Magie des dicken Bauches. Zu Alfred Neumanns Roman: „Narren-Spiegel" Besprochen von Bernhard Diebold. Alfred Neumann, Schöpfer des „Teufels", Hofmarschall der Könige und Diplomaten, Dolmetscher der subtilsten Redensarten und der hintsrgründltchsten Psychologie im scheinbar so unpsychologischen Bereich der Historie — dieser Alfred Neumann bepackt sich mit allen Humoren, die er auf seiner romantischen Schaubühne sonst zurückhält, und schreibt einen „Narrenspiegel" — ein reales, ganz unphantastisches Buch vom Triumph der Narrheit, der Pöllerei, der Nichtswürdigkeit und des dicken Bauches. Der Geistige — ein Dichter namens Neumann — be wundert den Ungeist — weil er ihn nicht hat — und schluckt seine weife Skepsis hinunter. Was ist Persönlichkeit? Die Frage ist im Goethejahr sehr leicht zu beantworten, wenn man die geistige meint. Aber es gibt auch eine körperliche Persönlichkeit, die ein fach durch ihr Fleisch und durch den vermeintlich geistigen Ausdruck des Körperlichen ihre Magie ausstrahlt. Die sexuelle Strahlung darf als bekannt vorausgesetzt werden. Aber hier sei die Rede von der psychologischen und sym bolischen Geltung eines dicken Bauches, der ganz populär für eine gute und warme Seele zeugen mag, wie ja selbst Julius Cäsar den dicken Casca lieber um sich hatte als den hohlwangigen Cassius. Hier sei dann auch die Rede vom hageren Knochengestell eines Mannes, der graue Augen und graue Haut hat, so daß er als verbissen und gallig gelten muß. „Persönlichkeit" im öffentlichen Leben wird ja mehr körperlich als geistig bestimmt. Das Kino liefert die Typik des Menschen, wie sie bei ganz bestimmten Eigenheiten des Charakters ausfehen müßte. Wehe dem Menschen, dessen inneres Wesen der konventionellen Forderung des Aeußeren widerspricht. Ein Dickbauch ohne Appetit ist unheimlich. Ein ausgemergelter Denkerkopf auf einem Idioten gibt zu denken. Ein blond-blauäugiger Siegfried, der schwächlich ist und Philosophie betreibt, scheint undeutbar gefährlich... Aber es ist das Eigen tümliche, daß dem Menschen mehr auf sein Aussehen hin geglaubt wird als seiner inneren Eigentümlichkeit. Horn brille und Monokel vollenden die populäre Fassade der Geistigkeit oder der feudalen Eleganz. Alfred Neu mann schildert die historische Fassaden- Wirkung des Herzogs und Reichsfürsten Heinrich des Elsten von Liegnitz, der zu seinem großen Glück in einer Zeit regierte, wo die Dicke des Bauches in Germanien schlechthin Respekt verbreitete — nämlich im 16. Jahr hundert. Jene berühmten Bäuche eines Frundsberg und Luther, mit dicken Köpfen auf dicken Hälsen, die beinahe keine Hälse mehr waren, bewiesen jener Zeit nicht nur die materielle, sondern auch geistige Wucht und Energie. Die sog. „grobianische" Literatur der Zeit schwelgte !m Ruhm des körperlich Gewalthaften, im Saufen, Fressen und allem übrigen, was sich ein mächtiger Leib so leisten konnte. Der Herzog Heinrich lebte allerdings etwas später als die Rabelais und Fischart. Nämlich zur Zeit des großen Lrmdö, Philipps und der Elisabeth von England. Er war schon ein Uebergong zum Barockmenschen, wo die Repräsentation gewaltiges Theater machte. Heinrich war nicht mehr ein ganz ehrlicher Dicker, dessen Bauch und Hals man ohne weiteres auch Mut und Kraft zutrauen durfte. Nein, er macht« mit seiner äußeren Wucht Theater. Wie sein Vetter Falstaff war er feige, sensibel vor Blut und Tod, war schlau und beredt mit trompetenden Rede- Fansaren. Aber er wußte, daß sein Leibliches das Gegen teil versicherte, und nutzte diese Leibeslüge raffiniert und genial aus. Kein Pferd konnte ihn auf die Dauer tragen, und keine Rüstung konnte er vertragen. Er fuhr also in der Staatskutsche und zog zu großen historischen Gelegen heiten sein einziges Staatskleid an. Kutsche und Staats kleid, Bauch und Trompetenstimme waren die Requisiten seiner Staatskunst. Und wenn er auch sein Land aussog und dennoch niemals Geld hatte, so gab ihm die Mächtig keit seiner Erscheinung noch lange den großen Kredit in der Welt als Reiterfürst und „Persönlichkeit". Dis er durch allzu narrenhaftes Treib« am Schlüsse jeden Kredit verlor und vom Kaiser eingesperrt wurde. Die Magie dieses unwahrscheinlichen Hochstaplers und Narren zu deuten gelang Alfred Neumann, der aus der Historie nicht die Buchstaben, nein die Gestalten liest. Das Geheimnis von des dicken Heinrich Wirkung lag nicht nur im Bauche, sondern in seiner diplomatischen Ausnutzung und im unverzagten Glaubenan den Bauch. Ein un verwüstlicher Optimismus in den verlorensten Situationen dringt zum Erfolg. Der Optimismus hört nur auf, wenn der Leib direkt bedroht wird, durch Krieg oder Pest oder Hunger und Mangel an Trinkstoff. Sonst kann man sich glatt vornehmen, mit ein paar Spießgesellen König von Polen zu werden, oder sich der Elisabeth von England als gewinnrsichen Gemahl anzubieten, oder den Bankier Marx Fugger in Augsburg anzupumpen, oder dem großen CondL mit dem „Regiment Liegnitz" gegen die Katholiken beizustehen — obschon das Regiment Liegnitz nur aus zwanzig wilden Offizieren und einigen Fouragewagen besteht — ohne Mannschaft, ohne Armee. Das Wagen gilt
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