D eutsche n uchhandel und für die mit ihm verwandten Geschäftszweige. Herausgegeben von den Deputaten des Vereins der Buchhändler zn Leipzig. Amtliches Blatt des Börsenvereins. M 57. Dienstags, den 21. Juni 1842 P r e ß n ö t h e n *). Wenn es nicht zu schmerzlich cm sich wäre, so könnte man sich freuen, wie sich jetzt die geistige Stellung Preu ßens zu dem übrigen Deutschland geändert hat- Es gab eine Zeit, wo der Süden sich bedeutend von uns abgewandt hatte, weil man daselbst, der rosigsten Hoffnungen voll, mit gleichen Füßen mitten in die größte Freiheit hineinspringen wollte und mit einiger Geringschätzung, zum mindesten mit großer Kälte aufdie Brüder im Norden, oder doch auf die Re gierung blickte, welche damals keinesweges geneigt schien, den liberalen Tendenzen einigen Spielraum zu gönnen. Daß man damals manches übertrieb, wer wird es leugnen? Aber bei alledem war keine Gefahr- Wenn die Kammer eines kleinen Staates sich zum Vormund des ganzen Deutschlands aufwcrfen, sich als Schiedsrichtern; in den großen europäi schen Angelegenheiten geriren wollte, so wäre dicß lächerlich gewesen, wenn nicht doch ein tieferer Sinn darin gelegen hatte, der nämlich, daß jene Männer, da Alles, was Deutsch hieß, schwieg, wenigstens ihre Stimme für das wollten laut werden lasten, was sie für recht hielten. Jedenfalls war diese Intervention von keinen gefährlichen Folgen begleitet, noch weniger das, was über die inneren Verhältnisse gesprochen wurde. Trotzdem wurden alle Mittel angewendet, welche den Regierungen zu Gebote standen, um diesen freisinnigen Aufschwung zu lähmen, und es trat bald eine verhältnismä ßige Stille ein. Mag sein, daß jene Zeit nicht geeignet war, die Liberalität zu fördern, daß auswärtige Einflüsse zu befürch ten waren, daß die Aufregung weiter gehen konnte, als man zu übersehen vermochte. Uebecdicß waren wir alle noch , politische Kinder und Kinder fürchten Gespenster. Aber was *) Wir werden veranlaßt, diesen Artikel der Aachener Zei tung vom 12. Juni hier aufzunchmc», und thun dicß um so lieber, als wir auch darin ein Zeichen >des anbrechcnden Tages erkennen, der hoffentlich bald in vollem Glanze erscheinen wird. d. R. dr Jahrgang. ist jetzt geschehen, daß die Gouvernements im Süden unseres Vaterlandes noch ihre Besorgnisse nicht verhehlen? Sie haben die öffentliche Sprache in ihren eignen Ländern ge dämpft, und damit noch nicht zufrieden, haben sie auch er wirkt, daß in anderen Ländern über ihre Angelegenheiten nicht frei gesprochen werden darf und das zu einer Zeit, wo Preu ßen seiner Presse freien Lauf läßt. Wir wiederholen, dicß ist eine traurige Erscheinung, obgleich wir uns beinahe freuen könnten, daß dieselben Völker jetzt mit Vertrauen auf uns blicken, die sie noch vor Kurzem so weit hinter sich zurück wähn ten. Aber diese Freude ist eine sehr getrübte, denn es ist uns gar nicht darum zu thun, voraus zu sein, sondern viel mehr in ganz Deutschland in allen Beziehungen eine einzige Konvenienz zu haben. Was will man in Baden, in Wür- temberg, was fürchtet man? Ein constitutionellec Staat, der nicht eine durchaus offene Sprache verträgt, ist ein Un ding und besonders da müssen die Regierungen sich sehr schwach fühlen, wo sic dieselbe zu unterdrücken bemüht sind. Gerade in constitutioncllcn Staaten ist die Freiheit der Rede das Sicherheits-Ventil, welches jede Gefahr abwendct und das richtige Gleichgewicht hecstellt, indem sic den Regenten zu rechter Zeit aufmerksam macht, wann ein System zu ändern ist. Für die Regierenden, die Minister, mag die offene Sprache allerdings unbequem sein, weil sic sich oft mit den Fürsten verwechseln, ihre Stellung daher als inamovibel, sich selbst für unfehlbar halten; aber das Land ist nicht we gen ihrer, der Beamten, da, und ihr Posten soll nicht gemäch lich sein, sondern eine schwere Pflicht, die stündliche Auf merksamkeit erfordert- Man unterdrückt die lauten Mah ner, aber nicht sie, die stillen Unzufriedenen sind die gefähr lichsten. Man will jetzt den Zeiger der Uhr zurückstellen, aber die Zeit geht deshalb doch vorwärts und nur das Uhr werk wird zerstört. Ancillon hat zwar gesagt, in constilutio- nellen Staaten sei die Preßfreiheit gefährlicher, als in den rein ^ monarchischen. Wir glauben aber nicht, bei aller Achtung 105